Die Klimawissenschaft hat ein Problem mit der Ehrlichkeit. Ein aktueller Kommentar in der renommierten Fachzeitschrift Nature zeigt exemplarisch, wie aus wissenschaftlicher Unsicherheit politische Gewissheit konstruiert wird. Die Autoren Adam Sobel und Kerry Emanuel räumen in ihrer Analyse zu Hurrikan-Risiken freimütig ein, dass sie vieles nicht wissen – fordern aber dennoch sofortiges Handeln.
Der im Mai 2025 veröffentlichte Nature-Kommentar “Hurricane risk in a changing climate — the role of uncertainty” beginnt mit einem bemerkenswerten Eingeständnis: “Es gibt auch vieles, was wir nicht wissen” über die Auswirkungen des Klimawandels auf Hurrikane. Diese scheinbare wissenschaftliche Bescheidenheit entpuppt sich jedoch schnell als rhetorischer Kunstgriff. Anstatt Unwissen als Grund für Zurückhaltung zu behandeln, verwandeln die Autoren es in einen Hebel für verstärkte Intervention, wie auch Charles Rotter beim Klimaportal “Whats up with that” anmerkt.
Die zentrale These lautet: “Im Allgemeinen erhöht Unsicherheit das Risiko.” Diese Aussage klingt zunächst einleuchtend, erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als Tautologie. Mehr Unsicherheit erhöht nicht automatisch das tatsächliche Risiko – sie erweitert lediglich die Bandbreite möglicher Szenarien. In der politisierten Klimawissenschaft wird diese Bandbreite jedoch systematisch zugunsten der schlimmsten Annahmen interpretiert.
Selektive Gewissheiten und wandelnde Narrative
Besonders aufschlussreich ist die Art, wie Sobel und Emanuel ihre Argumente strukturieren. Sie präsentieren verschiedene Hurrikan-Risikofaktoren “in etwa abnehmender Reihenfolge der Gewissheit” – ein rhetorischer Trick, der eine Glaubwürdigkeitshierarchie suggeriert, ohne die tatsächlichen Unsicherheiten transparent zu machen.
Bei der Niederschlagsmenge zeigen sich die Autoren noch zuversichtlich: Wissenschaftler seien sich sicher, dass Hurrikan-Niederschläge in einem wärmeren Klima zunehmen werden, da “mehr Wasserdampf in einer wärmeren Atmosphäre gehalten werden kann”. Diese theoretische Erkenntnis wird jedoch nicht quantifiziert, noch wird erklärt, wie sich diese Zunahme in messbare Schäden übersetzt – besonders angesichts verbesserter Infrastruktur und Vorhersagesysteme.
Beim Thema Sturmhäufigkeit werden die Autoren deutlich vorsichtiger: “Forscher verstehen noch nicht vollständig, was die globale Häufigkeit von Hurrikanen kontrolliert, und Modelle produzieren widersprüchliche Vorhersagen.” Anstatt diese fundamentale Wissenslücke als Grund für politische Zurückhaltung zu werten, tauchen sie tiefer in die Komplexität ein und hoffen offenbar, dass die Verwirrung die Schwäche ihrer Argumentation verschleiert.
Widersprüchliche Erklärungen für denselben Trend
Besonders entlarvend ist die Diskussion über den Anstieg der Hurrikan-Aktivität im Atlantik. Die Autoren räumen ein, dass dieser Trend “eher eine Reaktion auf abnehmende Luftverschmutzung als auf zunehmende Treibhausgase” sei. Diese Aussage steht in direktem Widerspruch zur gängigen Erzählung, dass CO₂ der Hauptschuldige sei. Dennoch nutzen sie diese Erkenntnis nur, um zu behaupten, dass der Hurrikan-Anstieg real sei – auch wenn der vermeintliche Verursacher ein anderer ist.
Die Erklärung der Aerosol-Effekte offenbart die ganze Beliebigkeit der Argumentation. Wie deutsche Klimaforscher bestätigen, führte die Luftreinhaltung zu weniger reflektierenden Partikeln in der Atmosphäre, was wärmere Meere zur Folge hatte. Die Autoren folgern daraus: Falls diese Erklärung stimmt, ist der jüngste Anstieg der Hurrikan-Intensität im Atlantik unwahrscheinlich fortzusetzen, aber auch die geringe Hurrikan-Aktivität der 1970er und 1980er Jahre wird sich nicht wiederholen. Mit anderen Worten: Was auch immer geschieht, die These der Autoren bleibt gültig. Bei Kopf gewinnen sie, bei Zahl verlieren trotzdem alle anderen.
Modelle gegen Realität
Den Höhepunkt der wissenschaftlichen Verwirrung erreicht der Artikel bei der Diskussion von Klimamodellen. Die Autoren schreiben: “Erdsystem-Modelle projizieren, dass Treibhausgase dazu neigen werden, die Temperaturen im äquatorialen östlichen Pazifik weiter zu erhöhen… Dies ist konsistent mit der Erwartung geringer Hurrikan-Aktivität im Atlantik in den kommenden Jahrzehnten.” Unmittelbar darauf folgt jedoch: “Aber Beobachtungen haben stattdessen das Gegenteil gezeigt.”
In jedem anderen Wissenschaftsbereich würde eine solche Diskrepanz zwischen Modellvorhersagen und Realität zu einer grundlegenden Überprüfung der Annahmen führen. In der Klimawissenschaft ist es offenbar nur ein weiterer Absatz. Experten wie Mojib Latif bestätigen zwar den Zusammenhang zwischen Meereserwärmung und Hurrikan-Intensität, doch die grundlegenden Vorhersageprobleme bleiben ungelöst.
Politisches Theater mit wissenschaftlichen Requisiten
Die Schlussfolgerung des Nature-Kommentars offenbart die wahre Natur dieser Übung: “Unsere Gesamtmeinung ist, dass die gegenwärtige US-Hurrikan-Gefahr größer ist als der längerfristige historische Durchschnitt” aufgrund “gut verstandener Faktoren, die die Gefahr erhöhen, und schlecht verstandener, die sie möglicherweise erhöhen.”
Diese Aussage ist bemerkenswert ehrlich in ihrer Unehrlichkeit. Die Autoren geben zu, dass sie nicht wissen, was sie nicht wissen, fordern aber dennoch, so zu handeln, als wüssten sie es. Das ist keine empirische Wissenschaft mehr, sondern moralisches Theater mit peer-reviewten Requisiten.
Die eigentliche Gefahr
Das Problem liegt nicht in den Stürmen selbst, sondern in den politischen Winden, die ihnen folgen. Wenn Wissenschaftler komplexe, schlecht verstandene und regional unterschiedliche Phänomene wie die Hurrikan-Häufigkeit zu politischen Instrumenten umfunktionieren, untergraben sie das Vertrauen in die Wissenschaft selbst.
Der Klima-Risiko-Index 2025 zeigt, dass Extremwetter bereits heute erhebliche Schäden verursachen, weil eben auch immer mehr Menschen infolge des Bevölkerungswachstums in gefährdeten Gebieten leben, die in früheren Zeiten eher gemieden wurden. Doch anstatt ehrlich über die Grenzen des Wissens zu sprechen und angemessene Anpassungsstrategien zu entwickeln, wird Unsicherheit als Waffe eingesetzt, um politische Ziele durchzusetzen.
Die wahre Gefahr für die Gesellschaft liegt nicht in den Naturgewalten, die wir nicht vollständig verstehen, sondern in einer Wissenschaft, die ihre Glaubwürdigkeit für kurzfristige politische Gewinne opfert. Wenn “Ich weiß es nicht” zur Begründung für “Du musst gehorchen” wird, ist das Ende der rationalen Debatte erreicht.