Eine neue wissenschaftliche Untersuchung belegt, dass offizielle Lärmgutachten für Windräder auf fehlerhaften und physikalisch unhaltbaren Modellen beruhen. Die tatsächliche Geräuschbelastung für Anwohner wird systematisch unterschätzt. Der Befund hat Sprengkraft: Viele Genehmigungen könnten nämlich rechtswidrig sein.
Wer in der Nähe eines Windparks lebt, kennt das Problem. Man hört dieses tiefe, gleichmäßige Summen fast ohne Unterbrechung. Behörden und Betreiber behaupten seit Jahren, die Lärmbelastung sei unbedenklich. Alles sei “im gesetzlichen Rahmen”. Alles angeblich “gemessen” und “geprüft”. Doch jetzt deckt eine aktuelle wissenschaftliche Studie mit dem Titel “Modeling wind farm noise emission and propagation: effects of flow and layout” genau das auf, was Bürgerinitiativen seit Jahren sagen: Die Windindustrie hat ein massives Lärmproblem – und die Lärmberechnungen, auf deren Grundlage Windräder genehmigt werden, sind ganz offensichtlich fehlerhaft und in der Praxis völlig unbrauchbar.
Ein internationales Forschungsteam um Jules Colas vom französischen Strömungs- und Akustiklabor LMFA der École Centrale de Lyon hat herausgefunden, dass die weltweit eingesetzten Modelle zur Lärmprognose von Windrädern elementare physikalische Effekte ignorieren. Durch diese Rechenlücke werden reale Schallwerte massiv unterschätzt – vor allem bei großen Windparks. Doch genau diese Modelle werden von deutschen Behörden für jedes Genehmigungsverfahren verbindlich verwendet. Damit steht der Verdacht im Raum, dass Hunderttausende Genehmigungsbescheide fachlich unhaltbar sind.
Die Studienautoren nutzten hochauflösende numerische Simulationen aus der Strömungsmechanik, gekoppelt mit realistischen Akustikmodellen. Das Ergebnis offenbart eine völlig andere akustische Realität als jene, die von den Lärmgutachtern der Windindustrie präsentiert wird. Windparks sind keine Sammlung einzelner Maschinen, die unabhängig voneinander Geräusche aussenden. Sie erzeugen in der Atmosphäre komplexe Strömungsfelder, sogenannte Nachläufe, die sich überlagern und den Schall bündeln. Diese Schallfokussierung führt zu messbaren Hotspots – Zonen, in denen der Lärmpegel deutlich höher ist als sie eigentlich sein dürften. Aber genau dort liegen in Deutschland oftmals Wohnhäuser.
Diese Effekte hat bisher kein einziges Lärmgutachten berücksichtigt, weil es die Vorgaben der internationalen Norm IEC 61400-11 und der deutschen TA Lärm nämlich gar nicht vorsehen. Behörden tun so, als sei das unproblematisch. Nun ist belegt: Sie haben sich geirrt. Oder vielleicht wollten sie es auch einfach gar nicht genauer wissen.
Windkraft um jeden Preis
Die Problematik ist eigentlich so gigantisch, dass man sich fragen muss, warum sie nicht schon früher auffiel. Die Antwort liegt in der Politik: Die Windkraft sollte im Netto-Null-Energiewende-Wahn um jeden Preis durchgedrückt werden. Mehrere Länder wie Deutschland, Dänemark oder Großbritannien haben die Genehmigungsprozesse bewusst vereinfacht, um Bürgerproteste zu umgehen. Genau in dieser Phase wurde es toleriert, bei den Lärmmessungen physikalische Vereinfachungen einzubauen, die Windräder akustisch harmloser erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind.
Die Forscher um Colas zeigen, dass Turbulenzen und Scherströmungen im Windschatten großer Anlagen nicht nur für Ertragsverluste sorgen, sondern auch den durch die Rotoren verursachten Schall verstärken. Vor allem die sogenannte Amplitudenmodulation – das regelmäßige Wummern, das über Kilometer hinweg hörbar ist – wird massiv unterschätzt. In den Genehmigungsverfahren taucht dieser Effekt nicht einmal als Prüfpunkt auf. Behörden bewerten Schall starr über Durchschnittswerte wie den Dauerschallpegel. Doch die Menschen leiden nicht unter theoretischen Durchschnittswerten, sondern unter dem ständigen rhythmischen Druck, der wellenförmig über die Landschaft pulsiert. Schlafstörungen, Stressreaktionen, Nervenirritationen – all das ist in medizinischen Untersuchungen dokumentiert, aber politisch unerwünscht.
Meistens kaschiert die Windindustrie diesen Punkt, indem sie das Thema in Richtung Infraschall lenkt und behauptet, dieser sei harmlos. Doch die neue Studie zeigt: Das Problem ist weder ein mystischer Tiefenbass noch eine Verschwörungstheorie, sondern die reale Aerodynamik. Die unerwartet starke Schallausbreitung entsteht nämlich direkt im hörbaren Bereich. Und zwar genau in den Frequenzbereichen, die nachweislich Schlaf und vegetatives Nervensystem beeinflussen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt Grenzwerte von 45 Dezibel in Wohngebieten – doch diese Werte werden nachweislich überschritten, wenn man die neuen Modellierungen zugrunde legt.
Besonders wichtig sind die Ergebnisse für Regionen in Deutschland, die bereits massive Windkraftcluster besitzen: Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Dort stehen nicht fünf oder zehn Windräder, sondern häufig über fünfzig in Zusammenballung. Genau diese Windparkstrukturen erzeugen jene Schallfokussierung, die bisher niemand berücksichtigt hat. Die Karten der Windindustrie sind also nichts weiter als Fantasiekarten, errechnet auf Grundlage von Einzelanlagenmodellen, obwohl längst bekannt ist, dass Großparks völlig andere akustische Effekte erzeugen.
Kommt eine Klagewelle?
Die Frage muss erlaubt sein: Haben die Behörden diesbezüglich einfach nur weggeschaut oder das alles aktiv vertuscht? Denn es handelt sich nicht um eine kleine Messungenauigkeit, sondern um eine systematische Unterschätzung der Geräuschbelastung. Wenn das Bundesimmissionsschutzgesetz vorsieht, dass Menschen vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen sind, dann muss man feststellen: Dieses Gesetz wurde im Fall der Windkraft jahrzehntelang nur selektiv angewendet. Der Staat agierte nicht als neutraler Regulierer, sondern als Erfüllungsgehilfe einer politischen Agenda.
Dass künftig tausende Anwohner gegen alte Genehmigungen klagen werden, ist absehbar. Denn nun liegt wissenschaftlicher Beweis vor, dass Genehmigungswerte unzutreffend sind. Wer Windparks genehmigt hat, ohne die realen Schallwirkungen zu berücksichtigen, handelte grob fahrlässig oder bewusst rechtswidrig. Projekte, die unter Berufung auf die TA Lärm genehmigt wurden, stehen damit auf juristisch dünnem Eis, denn die TA Lärm ist nur dann anwendbar, wenn ihre Berechnungsmodelle technisch und wissenschaftlich geeignet sind. Das sind sie nun offenkundig nicht mehr.
In einem Staat wie Deutschland, in dem angeblich alles nach Recht und Gesetz läuft, wurden demnach Genehmigungen für industrielle Großanlagen erteilt, ohne die physikalische Realität ausreichend zu prüfen. Akustiksachverständige haben dabei offensichtlich Gutachten erstellt, die nicht einmal im Ansatz die tatsächlichen Bedingungen simulieren. Der Begriff “wissenschaftliche Täuschung” dürfte hierbei angebracht sein. Millionen Menschen zahlen die Zeche – mit der Schädigung ihrer Gesundheit und der Entwertung ihrer Grundstücke. Wird sich dies nun aufgrund dieser Studie und potentiellen Klagen bald ändern?