Pepe Escobar
Im politischen Moskau herrschte eine gedrückte, aber fokussierte Stimmung wenige Stunden vor der nächsten Runde des Istanbuler Kabuki-Theaters, offiziell „Verhandlungen“ zwischen Russland und der Ukraine. Die Lage ist brisant. Drei Punkte stehen im Raum:
- Der Angriff auf russische strategische Bomber – ein Schlüsselteil der nuklearen Triade – war eine gemeinsame Operation der USA und des Vereinigten Königreichs, insbesondere des MI6. Technik, Planung, Durchführung: alles durch angloamerikanische Geheimdienste bereitgestellt.
- Ob Donald Trump tatsächlich Kontrolle über die US-Außenpolitik hat, bleibt unklar. Eine hochrangige russische Geheimdienstquelle bestätigte in der Nacht, dass der Kreml genau das prüft: Wer gab das grüne Licht?
- In der russischen Bevölkerung herrscht nahezu Einigkeit: Lasst die Oreshniks frei – und antwortet mit ballistischen Raketen.
Das Istanbuler Treffen verlief vorhersehbar: Militärisch uniformierte ukrainische Delegation, eine chaotische Pressekonferenz mit einem kaum englisch sprechenden Verteidigungsminister, und ein Abschlusskommentar des türkischen Außenministeriums, es sei „nicht negativ“ verlaufen.
Substanz? Null. Es ging nur um den Austausch von Gefangenen. In Moskau ist man sich einig: Medinskij hätte ein Ultimatum, kein Memorandum übergeben sollen. Trotzdem überreichte er ein Papier mit drei Abschnitten, zwei Optionen für einen Waffenstillstand und 31 Punkten, von denen viele bereits bekannt waren: Rückzug der UAF aus vier Regionen innerhalb von 30 Tagen, internationale Anerkennung von Krim, Donbass und Noworossija, ukrainische Neutralität, Wahlen, Friedensvertrag, UN-Resolution, Verbot nuklearer Waffen auf ukrainischem Boden.
Von Kiews Seite wird nichts davon akzeptiert. Der Krieg – oder BBS, wie er in Moskau genannt wird – wird weitergehen. Die nächste Verhandlungsrunde ist für Ende Juni angekündigt.
START-Vertrag in Trümmern
Die Tu-95MS-Bomber standen ungeschützt auf dem Rollfeld, wie es der Neue-START-Vertrag verlangt. Sichtbarkeit für Satellitenbilder – ein Relikt des Kalten Krieges zur Vertrauensbildung. Genau dieses Relikt wurde jetzt zerstört.
Die russische Sicherheitselite untersucht fieberhaft: War Trump eingeweiht? Oder wurde er übergangen? Und falls Letzteres: Wer gab den Befehl?
US-Außenminister Rubio rief Lawrow an – nicht umgekehrt. Er kondolierte wegen der Zugbrücken-Explosion in Brjansk, verlor aber kein Wort zu den Bombern. Der Pentagon-Chef beobachtete derweil die Angriffe in Echtzeit.
Was ist die reale Schadensbilanz? Drei Tu-95MS in Irkutsk teilweise beschädigt. Zwei T-22M3 irreparabel. Möglicherweise vier weitere Tu-95MS in Murmansk betroffen. Gesamtverlust: unter 10 % der Flotte.
Trotz allem: Die Schlagkraft bleibt erhalten. Sechs Tu-95MS genügen für massive Raketenangriffe. Die Tu-160 wurden bislang nicht einmal eingesetzt.
Maximalstrategie oder Zurückhaltung?
Russland hat bisher nicht reagiert. Die Untersuchung läuft. Die Indizien sprechen für eine verdeckte Operation unter CIA/MI6-Führung. Falls Trump informiert war: ein klarer Kriegsakt. Wahrscheinlicher ist, dass er überrumpelt wurde.
Es geht um mehr: Um gezielte Störung des russischen Nuklearsystems, Erstschlagsoptionen. Eine PR-Provokation, um Moskau zu einer überzogenen Reaktion zu verleiten? Das ist die Lesart der russischen Sicherheitsdienste.
Russland schweigt. Noch. Doch je länger die Antwort ausbleibt, desto lauter wird der Ruf nach Vergeltung. Innenpolitisch wächst der Druck. „Lasst die Oreshniks frei“ ist zum Slogan geworden.
Der Kreml steht vor dem Dilemma: Wie besiegt man den Westen, ohne den Dritten Weltkrieg auszulösen? Vielleicht, inspiriert von China, mit einer Strategie zwischen Sun Tzu und Lao Tzu: den Feind entwaffnen, ohne zu kämpfen.
Denn sollte China mit seinem neuen Finanzsystem erfolgreich sein, wird der Dollar seine Krone verlieren. Und vielleicht wird der Sieg nicht mit Raketen beginnen, sondern mit einem neuen Morgen in Peking.
Warten auf die Oreshniks, während das Istanbuler Kabuki „nicht negativ“ abläuft