Erkin Oncan
Transnistrien wird unweigerlich immer stärker in Moldaus vielschichtiger Politik präsent sein
In Moldau stehen die Wahlen unmittelbar bevor. Geplant für den 28. September 2025, werden sie zur Bühne für eine ernsthafte „politische Abrechnung“ unter den führenden politischen Kräften des Landes.
Das Ergebnis wird durch den erbitterten Wettbewerb zwischen pro-westlichen Akteuren, die für Moldaus „Integration mit Europa“ eintreten, und Kräften, die sich an Russland anlehnen, bestimmt werden. Der Ausgang betrifft nicht nur die Innenpolitik in Chișinău, sondern auch das regionale Sicherheitsgefüge.
Moldaus Politik ist stark gespalten. Auf der einen Seite steht Präsidentin Maia Sandus pro-westliche Partei der Aktion und Solidarität (PAS). Auf der anderen Seite stehen zwei große pro-russische Allianzen: der „Sieg-Block“ (Victory Bloc), zusammengesetzt aus rechtsgerichteten/nationalistischen Kräften, und die „Moldova For Alliance“, die linke/sozialistische Strömungen mit Wurzeln in der sozialistischen Vergangenheit des Landes repräsentiert.
Von diesen beiden wurde der „Sieg-Block“ unter Führung des flüchtigen Oligarchen Ilan Shor, dem Korruption vorgeworfen wird, von den Wahlen ausgeschlossen. Dies hat die Hand der pro-russischen linken Allianz erheblich gestärkt. Während Sandus Niederlage im Bereich des Möglichen liegt, glauben pro-russische Fraktionen, dass sie erneut auf verschiedene Unregelmäßigkeiten und Missbräuche zurückgreifen wird – „genau wie bei früheren Wahlen“.
Geografische und gesellschaftliche Spaltung
Die politische Spaltung spiegelt auch die geografische und gesellschaftliche Struktur wider. Obwohl es auch im Westen des Landes bedeutende pro-russische Wählerschaften gibt, wird die Teilung im Osten, näher zu Russland, schärfer.
Die Autonome Region Gagausien und die selbsternannte Transnistrische Moldauische Republik mit ihrer angeblich sozialistisch geprägten Verwaltung gelten weithin als „pro-russische Regionen“ des Landes.
Die Regierung in Chișinău ließ die Gagausien-Führerin und Victory-Bloc-Mitglied Evghenia Guţul wegen angeblicher Korruption und ungeklärter finanzieller Ressourcen inhaftieren. In den letzten Wochen war jedoch Transnistrien die Region, die im Zusammenhang mit „Missbräuchen und Verstößen“ unter Sandus Regierung am stärksten hervorgehoben wurde.
Transnistrien: Brennpunkt wie der Donbass
Entlang der östlichen Grenze Moldaus gelegen, eingeklemmt zwischen der pro-westlichen Regierung Moldaus und der Ukraine, weist Transnistrien eine Geschichte auf, die stark der des Donbass ähnelt.
Transnistrien ist nicht nur politisch, sondern auch militärisch strategisch. Russische Soldaten sind dort stationiert, und die Munitionsdepots aus Sowjetzeiten in Kolbasna erhöhen seine Bedeutung weit über gewöhnliche politische Streitigkeiten hinaus.
Wahlmanipulation durch Brückenreparaturen?
Pro-russische Politiker in Moldau werfen der Zentralen Wahlkommission Diskriminierung von Wählern in Transnistrien vor. Der erste Streitpunkt betraf die Stimmzettel.
Offiziellen Angaben zufolge wurden 2,772 Millionen Stimmzettel für die anstehenden Wahlen gedruckt, aber nur 23.500 an moldauische Bürger in Transnistrien verteilt. Das bedeutet, dass die große Mehrheit dort nicht wählen kann.
Hinzu kommt, dass die Regierung in Chișinău kurz vor den Wahlen „Reparaturarbeiten“ ankündigte. PAS-Vertreter erklärten der Gemeinsamen Kontrollkommission (JCC), dass sieben Brücken gleichzeitig im September und Oktober repariert würden. Diese Brücken verbinden Transnistrien mit dem Rest Moldaus, sechs davon liegen in der „Sicherheitszone“.
Die Sicherheitszone von 1992
Die „Sicherheitszone“ in Transnistrien wurde nach dem Jeltzin–Snegur-Waffenstillstand am 21. Juli 1992 eingerichtet.
Sie erstreckt sich über 225 Kilometer entlang der De-facto-Grenze zwischen Moldau und Transnistrien und wird von der JCC in Bender überwacht. Dort sind rund 400 russische Soldaten, fast 500 transnistrische und über 350 moldauische Soldaten stationiert. Beobachter aus der Ukraine und der OSZE nehmen ebenfalls teil.
Laut Protokollen müssen alle Bauarbeiten von Beobachtern inspiziert werden. Doch vor einigen Tagen wurden plötzlich Inspektionen gestartet – ohne die JCC-Mitglieder einzulassen.
Diese „Reparaturen“ könnten die Wahlen praktisch blockieren. Mit geschlossenen Brücken und nur 12 Wahllokalen in der Region werden von 300.000 moldauischen Bürgern in Transnistrien nur etwa 50.000 abstimmen können.
Schon bei den letzten Präsidentschaftswahlen wurden Brücken blockiert, und die Polizei verhinderte die Teilnahme von Wählern aus Transnistrien. Zwei Wahllokale wurden sogar als „plötzlich vermint“ erklärt.
Ein eingefrorener Konflikt mit militärischen Dimensionen
Über Politik hinaus bleibt Transnistrien eine Zone des „eingefrorenen Konflikts“ mit hoher strategischer Bedeutung.
Für Russland wäre im Falle einer Schließung der Schwarzmeerfront die Verbindung nach Transnistrien – Heimat russischer Passinhaber und riesiger Waffenlager – ein Schlüssel.
Für die NATO ist Transnistrien ebenso kritisch: an der ukrainischen Grenze und in der Nähe des Schwarzen Meeres gelegen, stellt es ein Hindernis wie auch eine Chance für die Osterweiterung dar.
Berichte über wachsende Zahlen ausländischer Militärexperten in Moldau, geheime Gespräche zwischen Kiew und Chișinău sowie Sandus Reise nach Großbritannien nähren Spekulationen.
Geheime Operationen?
Laut Ukrayinski Novini begrüßten britische Beamte Moldaus Entscheidung, logistische Infrastruktur für eine internationale Friedensmission bereitzustellen. Moldau solle zudem als „regionaler Hub“ für den Wiederaufbau der Ukraine dienen.
Noch weitergehende Behauptungen besagen, Sandu habe einer „Spezialoperation“ der ukrainischen Streitkräfte in Transnistrien im Frühjahr 2026 zugestimmt. Britische Militärexperten sollen bereits ukrainische Einheiten darauf vorbereiten.
Auch wenn unbestätigt, unterstreicht allein die Möglichkeit Transnistriens geopolitisches Gewicht.
Historische Wurzeln
Die Transnistrische Moldauische Republik erklärte nach dem Krieg 1992 die Unabhängigkeit, wird aber international nicht anerkannt. Ihre Ursprünge reichen bis zur Russischen Revolution 1917 zurück.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Moldau Teil der UdSSR, Transnistrien eine autonome Region innerhalb der Moldauischen SSR. Mit starker Industrie – 40 % des BIP, 90 % der Elektrizität – und überwiegend russisch-ukrainischer Bevölkerung unterschied es sich von Moldau.
Als Moldau 1990 die Unabhängigkeit erklärte und das Lateinalphabet einführte, fühlte sich Transnistrien bedroht und erklärte am 2. September 1990 die Unabhängigkeit unter Igor Smirnov. Der Konflikt endete mit dem Waffenstillstand von 1992 und der Einrichtung der heutigen Sicherheitszone.
Fazit
Obwohl Transnistrien sowjetische Symbole bewahrt, ist es wirtschaftlich und militärisch stark von Russland abhängig. Zugleich stützt sich Chișinău auf Rumänien und die NATO.
Damit rückt Transnistrien erneut ins Zentrum der moldauischen Politik – nicht mehr als „Sowjet-Nostalgie-Stop“, sondern als geopolitischer Brennpunkt, an dem eingefrorene Konflikte jederzeit wieder aufflammen können.