Während Millionen Deutsche mit überwiegend mickriger Rente in eine ungewisse Zukunft blicken, leben Beamte weiterhin im Komfort ihrer üppigen Pensionsansprüche. Ein brisanter Vorschlag aus der Wirtschaft könnte dieses Ungleichgewicht ins Wanken bringen. Und sorgt schon jetzt für Empörung bei den betroffenen Staatsdienern.
Von Guido Grandt
Die vom Bundeskabinett beschlossene Rentenreform von Arbeitsministerin Bärbel Bas fixiert das Rentenniveau bis 2031 weiter bei mickrigen 48 % des Durchschnittslohns. Und das in einer Zeit, in der Lebenshaltungskosten, Mieten und Energiepreise weiter explodieren.
Verkauft wird es als „politischer Erfolg“ – in Wahrheit ist es ein Schlag ins Gesicht all jener, die jahrzehntelang hart gearbeitet, Beiträge gezahlt und auf einen würdevollen Lebensabend gehofft haben.
Was das konkret heißt: Wer heute 3.000 € brutto verdient, hätte im Ruhestand gerade einmal rund 1.440 € brutto Rente – vor Steuern und Krankenversicherungsbeiträgen. Aber wer verdient überhaupt schon 3.000 €?
Netto bleibt vielen kaum genug, um Miete, Nebenkosten, Lebensmittel und medizinische Versorgung zu decken. Private Rücklagen? Für viele illusorisch.
Mit den 48 % wird Altersarmut zum Normalfall.
Der Blick auf die „Schand-Zahlen“
Die durchschnittliche gesetzliche Rente nach 35 Versicherungsjahren betrug dagegen nur 1.623 Euro brutto.
Hingegen liegt die Standardrente bei Männern laut Statistik der Deutschen Rentenversicherung durchschnittlich bei 1.431 Euro Rente (nach Abzug Eigenbetrag zur gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegeversicherung: 1.373 Euro) und bei Frauen bei minimalen 930 Euro (nach Abzügen: 832 Euro)!
Die Gründe dieser Geschlechter-Differenz: Männer haben im Laufe ihres Erwerbslebens durchschnittlich über 40 Prozent mehr Beiträge eingezahlt als Frauen. Hinzu kommen Unterschiede in der Versicherungsdauer: Männer zahlen im Schnitt 41,6 Jahre in die Rentenkasse ein, Frauen dagegen nur 32,6 Jahre.
Von wegen Altersarmut bei Beamten
Beamte bekommen zwischen 65,6 % und 71,75 % ihres letzten Gehalts als Ruhebezüge und damit 18 % bis 24 % mehr als „normale“ Rentner.
Im Jahr 2024 lag das durchschnittliche Ruhegehalt von Pensionären im öffentlichen Dienst bei 3.240 Euro brutto.
Zudem haben sie einen gesetzlichen Anspruch auf eine Mindestpension. Die „amtsunabhängige Mindestversorgung“ liegt für Bundesbeamte bei rund 1.866 € brutto im Monat.
Üppiger Beamten-Familienzuschlag
Zu den Beamtenpensionen kommt natürlich auch noch Kindergeld als „allgemeine staatliche Leistung“ in Höhe von 250 € pro Kind und Monat hinzu. Genauso wie für alle anderen auch.
Aber das ist noch längst nicht alles! Denn zudem erhalten sie auch noch monatlich einen sogenannten „Familienzuschlag“, der ausschließlich Beamten gewährt wird. Und der hat es in sich.
Die konkrete Betragshöhe hängt vom Bundesland, der Besoldungsgruppe, der Mietenstufe und der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder ab. Dabei gilt: Der Zuschlag erhöht sich stufenweise je Kind (bis zum 25. Lebensjahr) und kann durch sogenannte Erhöhungsbeträge – z. B. in niedrigen Besoldungsgruppen – ergänzt werden.
Beispiele laut fairbeamtet.de:
- In Nordrhein-Westfalen erhalten Beamte je nach Besoldung und Mietenstufe bis zu 932 € Zuschlag je Kind.
- In Bayern beträgt der Zuschlag bis zu 812 € je Kind ab dem dritten.
- Berlin gewährt ab dem dritten Kind pauschal 819,76 €, ersetzt jedoch die klassische Stufe 1 durch eine Ausgleichszulage von 70,62 €.
- Hessen und Baden-Württemberg bieten ebenfalls überdurchschnittliche Zuschläge – teils pauschal, teils mietenstufenabhängig.
Davon können „normale“ Rentner nur träumen: Bei Beamten kann allein der Familienzuschlag für ein Kind höher sein als die gesamte Durchschnittsrente einer Altersgeldbezieherin!
Pension vs. Rente – Der „300.000-Euro-Vorsprung“
Das Nachrichtenmagazin Focus veröffentlichte bereits Ende 2023 folgende Beispielrechnung auf Basis aktueller Durchschnittswerte.
Diese zeigte die gewaltige Kluft zwischen Beamtenpensionen und gesetzlichen Renten auf:
- Beamter: 15 Jahre lang 3.227 € brutto im Monat = 580.860 €
- Rentner (männlich): 15 Jahre lang 1.494,17 € brutto im Monat = 268.950 €
Ergebnis: Ein Pensionär kassiert in 15 Jahren 311.910 € mehr – also gut doppelt so viel wie ein gesetzlicher Rentner.
Gesetzliche Rentner erreichen damit nur rund 46,3 % der durchschnittlichen Beamtenpension.
Wer weniger verdient, lebt kürzer
Doch mickrige Altersbezüge sind längst nicht das einzige Problem. Sie sind nur die Spitze eines maroden, ungerechten Systems.
Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts in Hannover: „Wer weniger verdient, lebt statistisch auch kürzer. Überdurchschnittlich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeiter erreichen die Rente nicht einmal, weil sie vorher sterben.“
Beamte leben länger und kassieren mehr
Im Gegenzug würden Gutverdiener nicht nur deutlich älter, sondern auch länger Rente oder Pension beziehen – und das bei höheren Bezügen. Für Günther ist das eine klare Schieflage: „Sie bekommen also eine höhere Rente oder Pension – und das auch noch wesentlich länger. Menschen mit geringen Einkommen dagegen müssen mit einer deutlich niedrigeren Rente klarkommen, von der sie außerdem deutlich kürzer überhaupt etwas haben.“
Da das deutsche Rentensystem unter massivem Druck steht, schlagen Ökonomen des Pestel-Instituts in Hannover nun einen radikalen Kurswechsel vor: Beamte sollen künftig fünfeinhalb Jahre länger arbeiten als Arbeiter – und zwar aus einem klaren Grund: Ihre durchschnittliche Lebenserwartung liegt deutlich höher.
Die schockierenden Zahlen hinter dem Vorschlag
Laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) leben männliche Beamte ab dem 65. Lebensjahr durchschnittlich 21,5 Jahre.
Bei männlichen Arbeitern sind es nur 15,9 Jahre – ein Unterschied von rund 5,5 Jahren. Auch zwischen männlichen Angestellten und Beamten beträgt der Unterschied noch etwa zwei Jahre.
Übertragen auf die bisherige gesetzliche Regelaltersgrenze von 67 Jahren würde das bedeuten: Beamte könnten erst mit 72,5 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen.
Weiterer Vorschlag: Renten nach Einkommen staffeln
Die Pestel-Ökonomen haben auch eine Alternative, die nicht zwingend eine längere Lebensarbeitszeit für Beamte vorsieht: eine „soziale Dämpfung“ der Renten für Besserverdiener – zugunsten von Geringverdienern.
Hintergrund: Männliche Spitzenverdiener leben im Schnitt 6,3 Jahre länger als Geringverdiener. Gutverdiener bekämen dann weniger, Geringverdiener mehr Rente.
„Viele Beamte oder Besserverdiener wüssten im Ruhestand nicht, wohin mit ihrem Geld. Gleichzeitig kommen Verkäuferinnen und angestellte Friseure mit ihrer mageren Rente kaum über die Runden«, so Günther.
„Absurd“ – Kritik aus Gewerkschaften und Politik
Der Chef des Beamtenbundes, Volker Geyer, reagierte erwartungsgemäß empört: „Wollen wir jetzt wirklich anfangen, die durchschnittlichen Lebenserwartungen bestimmter Berufs- oder Statusgruppen in die Debatte um die sozialen Sicherungssysteme einzuführen? Vor solchen Diskussionen kann ich nur warnen.“
Klar, geht es hierbei doch um Einschränkung der satten Privilegien, die die Staatsdiener bis heute genießen. Provokant stellte Geyer sogleich die Gegenfrage: „Beamte, Arbeitnehmende, Selbstständige, Männer, Frauen, Akademiker, Hauptschüler, Raucher, Nichtraucher – jeder Gruppe eine eigene Altersgrenze?“
Sein Urteil zum Pestel-Vorschlag: „Absurd“.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt den Plan ab: „Es ist falsch, pauschal anzunehmen, dass Beamte deutlich länger leben als andere Beschäftigte.“
Kennt sie vielleicht die oben genannten Zahlen, Daten und Fakten nicht?
Politischer Kontext: Rentendebatte auf allen Ebenen
Die Diskussion über eine Reform des Rentensystems ist festgefahren. Mehrere Vorschläge sorgen für Zündstoff:
- Bärbel Bas (SPD) will Beamte und Politiker in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen.
- Katherina Reiche (CDU) bringt ein allgemeines Renteneintrittsalter von 70 Jahren ins Gespräch.
- Carsten Linnemann (CDU) fordert, die Zahl der Beamten deutlich zu senken: „Ich möchte nur eins: Dass wir nur noch dort verbeamten, wo es wirklich hoheitliche Aufgaben gibt – aber dann ist irgendwann gut.“
Beamten-Privilegien unter Beschuss – die unbequeme Wahrheit
Der Vorstoß des Pestel-Instituts platzt wie eine Bombe in die Rentendebatte: Wer länger lebt, kassiert länger – und das belastet das System massiv. Beamte stehen dabei ganz oben auf der Gewinnerliste, Arbeiter auf der Verliererseite.
Die unbequeme Konsequenz: Entweder Beamte arbeiten künftig deutlich länger, oder ihre üppigen Pensionen werden gestaffelt – sprich: gekürzt.
Ob es am Ende tatsächlich zu einer längeren Lebensarbeitszeit, einer sozialen Dämpfung der Bezüge oder gar zu keiner Veränderung kommt, wird die politische Debatte der kommenden Monate bestimmen.
Eines ist jedoch sicher: Der Druck auf das Rentensystem wächst – und mit ihm der Zorn der Bürger. Mehr als die Hälfte der Deutschen fordert laut einer INSA-Umfrage weniger Beamte und kleinere Pensionen.
Vorschlag sorgt für Ärger: Mehr Jahre Dienst, weniger Pension – Beamtenbund schäumt