Blick wirbt für E-ID – Medienkritik an Regierungsnähe von Ringier
Der Schweizer „Blick“ hat in einem aktuellen Beitrag die Argumente des Bundesrats für die Einführung einer staatlichen elektronischen Identität (E-ID) präsentiert – jedoch fast ausschließlich aus Sicht der Befürworter. Kritiker werfen der Zeitung vor, damit erneut als Sprachrohr der Regierung zu agieren, ähnlich wie während der COVID-19-Pandemie.
Regierungsargumente im Vordergrund
Der Artikel stützt sich auf Aussagen von Bundesrat und Justizminister Beat Jans. Im Zentrum stehen die angebliche Sicherheit, Freiwilligkeit und Kostenfreiheit der E-ID. Der Tenor: Die neue digitale Identität sei ein moderner, sicherer und bequemer Ausweis für das Internet.
Kritische Aspekte wie Datenschutzrisiken, mögliche Missbrauchsszenarien oder internationale Beispiele für digitale Identitäten mit Überwachungscharakter werden nicht vertieft. Eine Gegenposition kommt im Text praktisch nicht vor.
Fehlende Stimmenvielfalt
Der Beitrag verzichtet weitgehend auf Stimmen aus der Opposition, zivilgesellschaftlichen Gruppen oder aus der Datenschutz-Community. Stattdessen wird der Standpunkt der Regierung mehrfach wiederholt. Diese einseitige Quellenlage verstärkt den Eindruck, dass die Berichterstattung die Abstimmungskampagne der Befürworter stützt.
Befürwortend / Pro-Argumente: ca. 80 % des Inhalts
(Fokus auf Vorteile wie Sicherheit, Digitalisierung, staatliche Kontrolle, Vereinfachung)
Warnend / Kritisch: ca. 20 %
(kurze Erwähnung von Datenschutz- und Missbrauchsbedenken, ohne tiefer einzugehen)
Ringiers Nähe zur Regierung
Der Blick gehört zum Verlagshaus Ringier, das bereits während der COVID-19-Pandemie für seine Regierungsnähe in die Kritik geraten war.
CEO Marc Walder hatte damals öffentlich erklärt, die Regierung „unterstützen“ zu wollen, und interne Anweisungen zur Berichterstattung sorgten für Kontroversen. Ziel war, die staatliche Corona-Strategie – einschließlich Maßnahmen wie Maskenpflicht, Homeoffice, Impfkampagnen – aktiv zu bewerben und Kritik an der Regierung zu vermeiden.
Recherchen und die sogenannten „Corona-Leaks“ belegten eine enge Kommunikation zwischen Blick-Redaktion und Bundesbehörden. Quelle
Kritik an der journalistischen Unabhängigkeit
Medienkritiker sehen in der aktuellen E-ID-Berichterstattung Parallelen zu dieser Phase. Sie warnen, dass eine derart einseitige Präsentation staatlicher Positionen ohne ausgewogene Gegenstimmen die Glaubwürdigkeit des Mediums untergräbt – besonders bei einem Thema, das tief in die digitale Selbstbestimmung der Bürger eingreift.
Fazit:
Der Blick-Artikel ist formal sachlich, wirkt inhaltlich jedoch wie ein unterstützender Beitrag zur Ja-Kampagne des Bundesrats. Angesichts der früheren, dokumentierten Nähe von Ringier zur Regierung in Krisenzeiten stellt sich erneut die Frage, ob die E-ID-Debatte in der Schweiz von allen großen Medien gleich ausgewogen geführt wird – oder ob wirtschaftliche und politische Verflechtungen den Ton vorgeben.
Von Corona bis E-ID: Ringier erneut im Verdacht, Regierungskurs zu stützen