12. November 2025

ddbagentur.com

ddbagentur / ddbradio / ddbnews

Vom Castingbüro zum Kriegsgewinnler: Fire Point und das neue Geschäft mit dem Krieg

 

In Kriegs- und Krisenzeiten gibt es nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner. Einer davon ist Yehor Skalyha, der seine Castingfirma in ein Rüstungsunternehmen umwandelte und im Ukraine-Krieg Unsummen verdient. Doch wie sauber sind die Geschäfte des Unternehmens?

Drei Jahre sind in Kriegszeiten eine Ewigkeit – oder ein Start in eine andere Welt. Yehor Skalyha weiß das besser als jeder andere. Noch 2021 war er Film-Scout, der Drehorte für romantische Komödien suchte. Heute ist er der offiziell eingetragene Eigentümer eines der größten ukrainischen Rüstungsunternehmen. Sein Unternehmen heißt Fire Point – und sein Aufstieg ist so spektakulär, dass selbst die New York Times darüber staunend berichtet. Nur klingt ihre Reportage nicht nach investigativer Recherche, sondern nach einer modernen Heldenballade. Während die NYT von Start-up-Geist und Innovationskraft schwärmt, fragen ukrainische Ermittler längst, wie tief der politische Filz reicht, der solche “Wunderkarrieren” möglich macht.

Fire Point ist das Aushängeschild einer Kriegswirtschaft, die in der Ukraine über Nacht entstanden ist – mit Milliardenaufträgen, Geheimproduktionen und undurchsichtigen Besitzverhältnissen. Offiziell baut die Firma Drohnen, die tief ins russische Hinterland fliegen und dort Ölraffinerien treffen sollen. Inoffiziell wird über sie ermittelt. Das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) prüft, ob die Firma ihre Aufträge über politische Beziehungen erhielt – und ob die Gewinne tatsächlich bei den offiziellen Eigentümern landen. Namen wie Timur Mindich, ein alter Geschäftspartner aus der Filmbranche von Präsident Selenskyj, tauchen dabei immer wieder auf. Dass Mindich Mitbesitzer eines TV-Studios ist, das einst Selenskyjs Karriere trug, verleiht der Angelegenheit eine pikante Note.

Selenskyjs Umfeld wiegelt ab: alles Lügen, alles russische Propaganda. Doch die Fakten können kaum vom Tisch gewischt werden. Fire Point hat in einem einzigen Jahr Aufträge im Wert von rund einer Milliarde Dollar erhalten – und das, obwohl die Firma zu Beginn des Krieges nichts weiter war als ein umbenanntes Castingbüro. Innerhalb von Monaten wurde aus Styropor, Sperrholz und Fahrrad-Carbonfasern ein nationales Prestigeprojekt. Die FP-1-Drohne, angeblich der Stolz der ukrainischen Luftkriegsführung, soll laut Unternehmensangaben sechzig Prozent der Angriffe auf russische Ziele bestreiten. Überprüfen lässt sich das nicht. Was sich hingegen überprüfen ließ, war der Preis. Und da wurde es unangenehm: Eine staatliche Prüfung ergab, dass Fire Point seine Drohnen um Millionen über den kalkulierten Herstellungskosten verkauft hatte – ohne die gesetzlich vorgeschriebene Preisverhandlung. Ein potenzieller Schaden von zig Millionen Dollar.

Während ukrainische Soldaten an der Front mit Materialmangel kämpfen, blüht im Hinterland die neue Kriegsindustrie. Ein als “Start-up-Kultur” beschönigtes Oligarchennetzwerk. Dass Fire Point ausgerechnet aus der Unterhaltungsbranche stammt, ist dabei kein Zufall, sondern Symbol. Es ist die perfekte Verschmelzung aus PR, Politik und Profit: Selenskyj kommt aus der Filmwelt, seine Bekannten auch, und wer in dieser Blase gute Kontakte hat, wird eben plötzlich Rüstungsunternehmer.

Die New York Times sieht das naturgemäß anders. Dort liest sich die Geschichte wie ein Märchen aus dem Silicon Valley: improvisierte Werkstätten, patriotische Ingenieure, günstige Materialien, westliche Innovationsromantik. Dass dieselben Firmen zugleich unter Korruptionsverdacht stehen und laut ukrainischen Journalisten Druck auf Kritiker ausüben, ist da nur ein Randnotiz. Die NYT schwärmt von ukrainischen Drohnen als „Game Changer“ des modernen Krieges, zitiert begeistert Ex-CIA-Direktor David Petraeus – und vergisst, dass die “Game Changer” in einem zutiefst korrupten System entstehen. Der Krieg hat in der Ukraine keine Transparenz gebracht, sondern nur neue Geschäftsfelder für dieselben Seilschaften.

In einem Land, das seit Jahrzehnten als korruptestes Europas gilt, sind plötzlich hunderte Rüstungsfirmen entstanden – viele davon in Händen von Bekannten, Cousins und Filmfreunden. Fire Point ist nur das prominenteste Beispiel. Offizielle Stellen sprechen von über 400 neu gegründeten Waffenherstellern seit 2022. Und wie so oft gilt: Wo Milliarden an Kriegsbudget verteilt werden, ist die Versuchung groß, daraus eine Lebensgrundlage zu schaffen. Wer kontrolliert das alles? Niemand so recht, denn alles ist “geheim”, “militärisch sensibel” oder “im nationalen Interesse”.

Man muss die Zynik dieser neuen Kriegswirtschaft begreifen: Der Westen zahlt, die ukrainische Bürokratie verteilt, und ein Netzwerk aus Geschäftsleuten, Oligarchen, PR-Beratern und Regierungsfreunden kassiert. Yehor Skalyha ist der Prototyp dieser Ära. Und so werden die Fire-Points dieser Welt gefeiert, während jene, die Missstände aufdecken, als “unpatriotisch” gelten. Ukrainische Investigativjournalisten berichten von Drohungen, Einschüchterungsversuchen und öffentlichen Diffamierungen, wenn sie zu genau hinschauen. Wer die Geldflüsse zwischen Rüstungsfirmen, Ministerien und Präsidialamt untersucht, riskiert mehr als nur seine Karriere.

 

Vom Castingbüro zum Kriegsgewinnler: Fire Point und das neue Geschäft mit dem Krieg