29. Juni 2025

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UN senkt leise ihre Bevölkerungsprognosen

 

Analyse von Bill King – RCP Contributor

Seit Jahrzehnten wird uns gesagt, dass das größte Problem der Welt eine Überbevölkerung sei. Von Thomas Malthus im 18. Jahrhundert bis zum Buch Die Bevölkerungsbombe in den 1960er-Jahren lauteten die düsteren Warnungen stets: Mehr Menschen würden zu mehr Hungersnöten, mehr Armut und mehr Umweltzerstörung führen. Doch es ist etwas Unerwartetes geschehen. Die demografischen Berechnungen haben sich verändert – und die Vereinten Nationen, als weltweit am häufigsten zitierte Autorität für Bevölkerungsprognosen, haben dies zur Kenntnis genommen.

Bis vor Kurzem gingen ihre Modelle davon aus, dass die Weltbevölkerung das gesamte 21. Jahrhundert über weiter wachsen und bis zum Jahr 2100 einen Höchststand von fast 11 Milliarden Menschen erreichen würde. Doch in ihren Überarbeitungen der Jahre 2022 und 2024 hat die UNO ihre Prognosen stillschweigend gesenkt. Die aktuellste Schätzung rechnet nur noch mit einem Höchststand von 10,3 Milliarden Menschen – fast zwei Jahrzehnte früher, nämlich um das Jahr 2084.

Das klingt zwar immer noch nach einer gewaltigen Zahl, stellt aber eine klare Abkehr von der Vorstellung eines „endlosen Wachstums“ dar – eine Annahme, auf der viele politische Entscheidungen, Investitionen und institutionelle Planungen basieren. Das eigentliche Problem ist dabei nicht nur, dass die UNO nun mit weniger Menschen rechnet – viele Demographen sind der Meinung, dass selbst diese Zahlen noch zu hoch gegriffen sind.

Zusammenbruch der Fruchtbarkeit

Die Verschiebung in den Prognosen liegt nicht daran, dass die Menschen schneller sterben. Im Gegenteil – die Lebenserwartung steigt in den meisten Regionen der Welt weiterhin, wenn auch nur geringfügig. Der große Wandel besteht darin, dass die Menschen weniger Kinder bekommen – deutlich weniger.

1970 lag die weltweite Fruchtbarkeitsrate (die durchschnittliche Anzahl an Kindern, die eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommt) noch bei rund fünf. Heute liegt sie bei 2,25 – mit sinkender Tendenz. In fast 70 % aller Länder der Erde liegt die Fruchtbarkeitsrate bereits unter der sogenannten „Bestanderhaltungsrate“ – also jenem Niveau, das nötig ist, um eine stabile Bevölkerungszahl zu erhalten. In Industrieländern liegt diese Rate bei etwa 2,1 Kindern pro Frau, in Ländern mit höherer Sterblichkeit etwas darüber.

Der weltweite Rückgang der Geburtenrate verläuft schneller als von den meisten Experten erwartet. Aus diesem Grund hat die UNO ihre Modelle allein in den letzten fünf Jahren zweimal überarbeitet. Doch nicht alle Fachleute sind der Meinung, dass diese Anpassungen ausreichen.

In den letzten zehn Jahren haben mehrere unabhängige Forschergruppen alternative Prognosen erstellt. Die meisten davon gehen davon aus, dass die Fruchtbarkeitsraten schneller fallen werden, als es die UNO annimmt. So sorgte ein Team des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der University of Washington im Jahr 2020 für Aufsehen, als es prognostizierte, dass die Weltbevölkerung bereits um das Jahr 2064 mit knapp über 9 Milliarden Menschen ihren Höchststand erreichen und bis 2100 auf etwa 8,8 Milliarden sinken werde.

Auch Wolfgang Lutz, einer der weltweit renommiertesten Demographen, veröffentlichte Berechnungen mit einem früheren und niedrigeren Höchststand. Lutz’ Team am Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital stützt seine Modelle auf Bildungs- und Urbanisierungstrends, die eng mit dem Geburtenverhalten verknüpft sind. In einer 2024 veröffentlichten Studie, die auf Umfragen unter mehr als einer Million Frauen in Subsahara-Afrika beruhte, kamen Lutz und seine Mitautor:innen zum Ergebnis, dass auch dort die Fruchtbarkeitsraten schneller als erwartet zurückgehen – insbesondere aufgrund steigender Bildungsniveaus bei Frauen.

Im Buch Empty Planet aus dem Jahr 2019 fassen die kanadischen Journalisten Darrell Bricker und John Ibbitson ihre Argumente für niedrigere Prognosen zusammen. Zwar sind sie keine akademischen Demographen, haben aber in rund einem Dutzend Ländern intensive Interviews und Fokusgruppen mit Frauen zu ihren Einstellungen zu Familie und Kinderwunsch geführt. Ihr Fazit: Der Geburtenrückgang hat sowohl kulturelle als auch wirtschaftliche Ursachen – wobei die kulturellen Faktoren die Geburtenzahlen noch stärker und schneller senken werden als bisher angenommen.

„Prognosen sind schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen“

Diesen Satz prägte der amerikanische Philosoph Yogi Berra. Daher verwenden alle Modelle Wahrscheinlichkeitsvarianten, die ein breites Spektrum möglicher Zukünfte abbilden. Während die mittlere Schätzung der Vereinten Nationen einen Höchststand von 10,3 Milliarden Menschen im Jahr 2084 vorsieht, enthält ihr Modell auch ein Szenario mit niedriger Geburtenrate: In diesem Fall würde die Weltbevölkerung bereits um 2060 mit 9,5 Milliarden ihren Höhepunkt erreichen und danach sinken. Dieser Verlauf entspricht stärker den akademischen Prognosen.

Es geht nur um Afrika

In Ländern, in denen rund drei Viertel der Weltbevölkerung leben, ist die Fruchtbarkeitsrate bereits auf oder unter das Niveau zur Bestandserhaltung gefallen. In weiteren 15 % der Länder liegt die Rate nur noch leicht darüber und sinkt schnell.

Lediglich etwa zwei Dutzend Staaten in Subsahara-Afrika und Teilen Südwestasiens weisen noch sehr hohe Fruchtbarkeitsraten auf. Obwohl diese Länder nur rund 11 % der Weltbevölkerung ausmachen, werden sie nahezu das gesamte zukünftige Wachstum tragen, bis der globale Höchststand erreicht ist. Gemeinsame Merkmale dieser Länder: religiöser Fundamentalismus (insbesondere islamischer Fundamentalismus), geringe internationale Einbindung und schwache staatliche Strukturen.

Dennoch sinkt die Geburtenrate auch in diesen Staaten – wenn auch unterschiedlich stark. Der Großteil der Debatte um die künftige Weltbevölkerung dreht sich darum, wie schnell und in welchem Ausmaß diese Länder dem globalen Trend der letzten 50 Jahre folgen werden.

Warum das wichtig ist

Die Bevölkerungsprognosen, auf die wir uns stützen, beeinflussen alles – von der Stadtplanung über die Rentensysteme bis zur Einwanderungspolitik, den Schulbau, die Wehrpflicht und die langfristige wirtschaftliche Entwicklung. Eine Abweichung von einer Milliarde Menschen oder zwei Jahrzehnten ist kein statistischer Rundungsfehler – es ist eine seismische Veränderung in der mathematischen Grundlage unserer Zukunftsplanung.

Doch viele Institutionen arbeiten noch immer im Autopilot-Modus, in dem von einer ewig wachsenden Bevölkerung ausgegangen wird – mit immer mehr Arbeitskräften, Konsumenten und Steuerzahlern. Die Daten sprechen allerdings eine andere Sprache: Diese Ära geht rapide zu Ende. Mancherorts ist das bereits der Fall. China etwa hat in den letzten drei Jahren einen Bevölkerungsrückgang verzeichnet.

Was daraus folgt – und wie wir damit umgehen –, zählt zu den wichtigsten, aber am wenigsten verstandenen Entwicklungen unserer Zeit.


Über den Autor:
Bill King ist Unternehmer, Jurist und war Meinungsautor sowie Redaktionsmitglied beim Houston Chronicle. Er hatte sowohl gewählte als auch ernannte öffentliche Ämter inne, unter anderem als Bürgermeister seiner Heimatstadt. Er schreibt regelmäßig zu politischen und gesellschaftlichen Themen und veröffentlichte 2015 den Sammelband Unapologetically Moderate. Derzeit betreibt er den Blog BillKingBlog.com und ist Fellow am Baker Institute der Rice University in Houston.

 

 

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