Ein kritischer Blick auf Veritones ‚Track‘-Technologie und die stille Ausweitung der digitalen Verfolgung
Während öffentliche Debatten um Gesichtserkennung, biometrische Datenerfassung und die Gefahren totaler Überwachung immer lauter werden, bahnt sich in den USA eine neue Generation der Massenüberwachung ihren Weg – geräuschlos, effizient und kaum reguliert. Ihr Name: „Track“. Entwickelt vom Technologieunternehmen Veritone, verspricht dieses System, Menschen ohne Gesichtserkennung zu identifizieren – und genau das macht es so gefährlich.
Verfolgung ohne Biometrie – und dennoch präzise
„Track“ verwendet keine biometrischen Daten wie Iris oder Gesichtsmerkmale. Stattdessen nutzt die Software eine Kombination aus veränderlichen, scheinbar harmlosen Attributen: Körpergröße, Gangart, Haarfarbe, Kleidung, Taschen, sogar Armbanduhren oder Logos auf T-Shirts. Die Software kann aus Videomaterial automatisch Bewegungsmuster erkennen und Personen zuverlässig über mehrere Kameras hinweg verfolgen – selbst wenn sie sich umziehen, das Licht wechselt oder die Kameraqualität gering ist.
Was klingt wie ein Werkzeug zur Verbrechensbekämpfung, ist in Wahrheit ein massives Einfallstor in eine Welt der allgegenwärtigen, unbemerkten Totalüberwachung.
Gesetze umgehen per Algorithmus
Viele US-Städte und Bundesstaaten haben mittlerweile Gesetze erlassen, die den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware durch die Polizei einschränken oder ganz verbieten. „Track“ jedoch umgeht diese Beschränkungen auf raffinierte Weise: Es wird argumentiert, dass keine biometrischen Daten verwendet werden – also liege kein Verstoß gegen geltendes Recht vor.
Diese juristische Grauzone macht es für Behörden besonders attraktiv: Überwachung ohne politischen Widerstand, ohne Öffentlichkeit – aber mit nahezu identischer Wirksamkeit.
Vom Ausnahmefall zur Normalität
Bereits jetzt nutzen zahlreiche Polizeibehörden sowie das US-Justiz- und Heimatschutzministerium Veritone-Produkte. In Zukunft soll „Track“ in Echtzeit auf Livestreams zugreifen können. Damit ließen sich Menschen im öffentlichen Raum permanent und lückenlos beobachten – nicht nur Verdächtige, sondern jeder.
Was passiert mit den gesammelten Daten? Wie lange werden sie gespeichert? Wer kann darauf zugreifen? Die Antworten bleiben vage – und genau das ist Teil des Problems.
Die Aushöhlung der Privatsphäre in neuen Gewändern
„Track“ ist keine harmlose Alternative zur Gesichtserkennung. Es ist ihr funktionales Äquivalent – nur flexibler, weniger sichtbar und schwieriger juristisch angreifbar. Es zersetzt das Prinzip der informationellen Selbstbestimmung, auf dem moderne Demokratien basieren.
Wenn Kleidung, Bewegungsmuster und Alltagsgegenstände ausreichen, um eine Person zu identifizieren, dann gibt es im öffentlichen Raum keine Anonymität mehr. Jeder wird zur wandelnden Akte.
Fazit: Technologische Maskerade statt demokratischer Kontrolle
Die stille Einführung von „Track“ ist ein Weckruf. Sie zeigt, dass die Überwachungstechnologie nicht zurückweicht – sie passt sich nur an. Anstatt demokratische Schranken zu respektieren, wird die Technik so gestaltet, dass sie sie umgeht. Ohne Öffentlichkeit, ohne Kontrolle, ohne klare Regeln.
Die Frage ist nicht mehr, ob wir überwacht werden – sondern wie unbemerkt es inzwischen geschieht. Wenn wir nicht wollen, dass der öffentliche Raum zum digitalen Panoptikum wird, müssen wir jetzt handeln. Denn die Technologie hat gelernt, uns auch ohne Gesicht zu sehen.
.
.
Überwachung ohne Gesicht – Wie neue KI-Systeme jeden Menschen identifizieren können