11. Juli 2025

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Transparenz als Täuschung: EU-Register entlarvt Macht der Konzerne in Brüssel

 

Wer regiert eigentlich die EU? Eine kritische Betrachtung zum Transparenzregister und der Macht des Lobbyismus

Ein Blick auf die aktuelle Statistik zu den im Europäischen Transparenzregister erfassten Organisationen wirft ein Schlaglicht auf ein oft übersehenes Machtzentrum der Europäischen Union: den Lobbyismus.

Laut Statista hat sich die Zahl der registrierten Organisationen seit 2012 mehr als verdoppelt. Auf den ersten Blick könnte man darin ein Zeichen gestiegener Transparenz und demokratischer Partizipation sehen. Doch die Realität sieht deutlich düsterer aus.

Statistik: Anzahl registrierter Organisationen im Europäischen Transparenzregister der EU im Zeitraum 2012 bis 2024 | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei StatistaDas Transparenzregister der EU – eingeführt, um den Einfluss von Interessenvertretern auf EU-Institutionen nachvollziehbarer zu machen – entwickelt sich immer mehr zum Beleg für ein strukturelles Machtgefälle. Denn registriert wird vor allem, wer es sich leisten kann: Internationale Großkonzerne, Lobbyagenturen, Interessenverbände der Industrie. Währenddessen bleiben kleinere zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs in der Sichtbarkeit und im Einfluss oft deutlich zurück. Es herrscht eine massive Ressourcenungleichheit – sowohl bei der personellen Präsenz in Brüssel als auch bei der finanziellen Ausstattung.

Dass allein die Anzahl der eingetragenen Organisationen steigt, sagt noch nichts über die Qualität demokratischer Kontrolle aus. Im Gegenteil: Die wachsende Zahl der Lobbyeinträge legt offen, wie stark sich die politische Entscheidungsfindung in der EU zu einem Marktplatz der Einflussnahme entwickelt hat. Unternehmen wie Google, Meta, Microsoft oder Pfizer betreiben mit millionenschweren Budgets systematische Einflussarbeit – teils durch direkte Kontakte, teils über Tarnorganisationen, Thinktanks oder Netzwerke. Wer regelmäßig in Brüssel präsent ist, erhält leichter Zugang zu Kommissionsmitgliedern und kann Gesetzesvorhaben in ihrem Sinne formen – lange bevor sie im Parlament landen.

Der Slogan „Kein Gesetz ohne Lobbyist“ hat sich in Brüssel längst als Realität etabliert. Über 30.000 registrierte Lobbyisten – davon allein Tausende mit Dauerzugang zu den EU-Institutionen – wirken hinter den Kulissen. Die Europäische Kommission verfasst Gesetzesvorlagen oft in enger Abstimmung mit „Stakeholdern“, wobei die Stimme eines Industrieverbandes mehr Gewicht zu haben scheint als die von Umwelt- oder Verbraucherschutzorganisationen.

Was wie ein geordnetes System der Mitbestimmung erscheint, ist in Wahrheit ein feingliedriges Netzwerk aus gegenseitigen Gefälligkeiten, Abhängigkeiten und institutionalisierter Einflussnahme. Der Begriff „Transparenzregister“ suggeriert Offenheit – tatsächlich dient er oft nur als Fassade für ein komplexes Lobby-Kartell, das demokratische Kontrolle systematisch unterläuft.

Zugleich fehlen der EU wirkungsvolle Mechanismen zur Sanktionierung illegaler oder manipulativer Lobbypraktiken. Verstöße gegen Ethikregeln bleiben meist folgenlos, Parteispenden und Drehtürkarrieren zwischen Politik und Wirtschaft werden nur selten überprüft. Der vielbeschworene „Kampf gegen Korruption“ verkommt angesichts dieser Verhältnisse zur hohlen Phrase.

Wer regiert also die EU? Formal gewählte Institutionen wie das Parlament? Die Kommission mit ihren supranationalen Befugnissen? Oder nicht doch längst eine informelle Koalition aus Lobbyverbänden, Konzernen und technokratischer Verwaltung, die unter dem Radar der Öffentlichkeit ihre Interessen durchsetzt?

Die Statistik zum Transparenzregister dokumentiert nicht nur wachsende Teilnahme – sie entlarvt ein strukturelles Demokratiedefizit. Solange der politische Prozess in Brüssel vor allem von jenen dominiert wird, die sich professionelle Interessenvertretung leisten können, bleibt die EU ein Projekt der Eliten – fernab realer Bürgerbeteiligung. Wer diese Realität ernsthaft ändern will, muss sich nicht mit kosmetischer Transparenz zufriedengeben, sondern echte Machtstrukturen offenlegen – und sie demokratisch begrenzen.

 

Transparenz als Täuschung: EU-Register entlarvt Macht der Konzerne in Brüssel