3. August 2025

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Tödliche US-Drohnenangriffe aus Ramstein: Deutsche Regierungsstellen nicken ab

 

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 führen die USA ihren „Krieg gegen den Terror“ mit weltweiten Militäraktionen, die auch den Einsatz von bewaffneten Drohnen umfassen. Trotz anhaltender internationaler Kritik und einer alarmierenden Zahl ziviler Opfer bleiben diese Einsätze weitgehend unbehelligt – und das mitunter dank deutschem „Stillhalten“. Denn über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein wird ein zentraler Knotenpunkt für die Steuerung von Drohneneinsätzen betrieben. Die Bundesregierung verlässt sich dabei auf vage Zusicherungen der USA, ohne konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung des Völkerrechts sicherzustellen. Ein Skandal erster Güte.

Von Guido Grandt

Das Bundesverfassungsgericht hat am 15. Juli 2025 eine Klage gegen die US-Drohneneinsätze im Jemen abgewiesen, bei denen der US-Luftwaffenstützpunkt (Air Base) Ramstein in Rheinland-Pfalz mit US-Technik und Einrichtungen genutzt wurde und weiterhin wird.

Die Kläger, zwei jemenitische Staatsangehörige, wollten erreichen, dass Deutschland gegenüber den USA auf die Einhaltung des Völkerrechts dringen sollte, nachdem ihre Verwandten 2012 bei einem Drohneneinsatz getötet wurden.

Das Gericht entschied, dass Deutschland zwar grundsätzlich eine Schutzpflicht gegenüber Menschen im Ausland haben könnte, diese jedoch nur dann greift, wenn ein ausreichender Bezug zur Staatsgewalt der Bundesrepublik und eine ernsthafte Gefahr der systematischen Verletzung des Völkerrechts bestehen.

In diesem Fall sah das Gericht diese Voraussetzungen nicht erfüllt, da die US-amerikanischen Einsätze über Ramstein keine solchen systematischen Völkerrechtsverletzungen darstellen würden.

 

USA erlauben sich „freie Hand“ im „Krieg gegen den Terror“

Seit dem 11. September 2001 (9/11) nutzen die USA die „Authorization for Use of Military Force“ (AUMF), die dem US-Präsidenten erlaubt, Gewalt gegen Organisationen oder Staaten anzuwenden, die mit den Terroranschlägen in Verbindung stehen.

Diese Resolution dient als Grundlage für die Einsätze der USA gegen Gruppen wie die Taliban, Al-Qaida und deren „assoziierte Kräfte“ (wie AQAP) weltweit.

 

Zahlen von Drohnen-Opfer-Toten werden heruntergerechnet

Die USA begannen im Jahr 2002 mit Drohneneinsätzen, insbesondere im Jemen, und intensivierten diese seit 2009. Die genauen Zahlen der getöteten Zivilisten und legitimen Ziele variieren jedoch.

Den Angaben der US-Regierung nach wurden von 2009 bis 2015 „lediglich“ zwischen 64 und 116 Zivilisten und über 2.300 militärische Ziele getötet. Andere Organisationen vermuten allerdings eine weitaus höhere Zahl.

Einer Analyse des Bureau of Investigative Journalism nach gab es durch US-Drohneneinsätze in Ländern wie Pakistan, Afghanistan, Jemen und Somalia bis zu 1.551 zivile Opfer.  Eine umfassende Untersuchung von Airwars schätzt, dass seit den Anschlägen vom 11. September 2001 zwischen 22.000 und 48.000 Zivilisten durch US-Luftangriffe ums Leben kamen.

Viele dieser Daten stammen aus unabhängigen Recherchen und sind nicht immer vollständig verifiziert.

 

US-Selbstverteidigungsrecht und Drohnenkrieg

Die USA berufen sich auf ihr Selbstverteidigungsrecht und ausgerechnet auch auf das humanitäre Völkerrecht, um die Rechtmäßigkeit ihrer Drohneneinsätze zu stützen. Die Amerikaner argumentieren, dass diese in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten über nationale Grenzen hinweg ebenso gerechtfertigt seien, basierend auf den Genfer Konventionen und den Normen des internationalen Rechts.

Tatsächlich ist der Einsatz neuer Waffentechnologien wie etwa durch Drohnen, gemäß den Prinzipien des internationalen Rechts des bewaffneten Konflikts erlaubt, solange dieser den Regeln der Zielauswahl entspricht.

Legitime Ziele sind Mitglieder bewaffneter Gruppen, die sich in einem bewaffneten Konflikt mit den USA befinden. Die Zielauswahl muss zwischen militärischen Zielen und Zivilisten unterscheiden und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wahren. Das bedeutet, Angriffe dürfen keine unverhältnismäßigen zivilen Opfer oder Schäden verursachen.

Vor einem Angriff müssen Maßnahmen getroffen werden, um zivile Verluste zu minimieren. Darüber hinaus muss jeder militärische Einsatz einem legitimen militärischen Zweck dienen und einem sorgfältigen Prüfprozess unterzogen werden, der den Schutz von Zivilisten gewährleistet.

Doch all das ist nur Makulatur!

 

„Kollateralschäden“ durch US-Drohnen

Die Praxis der gezielten Tötungen und der Einsatz bewaffneter Drohnen werden in mehreren Berichten von UN-Sonderberichterstattern behandelt. Insbesondere im Jemen gab es eine Zunahme der Drohneneinsätze der USA, die häufig zu zivilen Kollateralschäden führten.

Beispielsweise 2011 der Angriff auf eine Polizeistation, bei dem bis zu 50 Menschen, darunter viele Zivilisten, getötet wurden. Oder ein weiterer 2013 auf einen Hochzeitskonvoi, bei dem mehrere Zivilisten starben. In einigen Fällen wurden solche getötet, ohne dass sie als klare militärische Ziele identifiziert werden konnten.

Die UN-Sonderberichterstatter kritisierten den Mangel an Transparenz bei der Zahl der zivilen Opfer und den Kriterien zur Auswahl der Ziele. Es wurde festgestellt, dass Unklarheiten darüber bestehen, ob nur hochrangige Militante oder auch niedrigere Akteure als legitime Ziele angesehen werden.

Ein weiteres Problem stellen sogenannte „Signature Strikes“ dar. Dabei werden Personen aufgrund von Verhaltensmustern ohne genaue Identifikation angegriffen. Das ist jedoch potenziell völkerrechtswidrig, wenn diese nicht als legitime militärische Ziele qualifiziert werden können.

Die Sonderberichterstatter empfahlen, die Einsätze öffentlich zu begründen, und forderten stärkere Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung.

 

US-Drohnenkrieg und das „humanitäre Völkerrecht“

Kritik an den Einsätzen bewaffneter Drohnen kam von verschiedenen internationalen Organisationen. Der UN-Menschenrechtsrat etwa drückte seine Besorgnis über die zivilen Opfer und die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung aus und forderte Transparenz sowie unabhängige Untersuchungen bei Verdacht auf Verstöße gegen das Völkerrecht.

Das Europäische Parlament und die Parlamentarische Versammlung des Europarats betonten ebenfalls die Notwendigkeit von mehr Transparenz und klaren Verfahren für die Autorisierung solcher Einsätze, um Kollateralschäden zu minimieren.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) stellte fest, dass die von der US-Regierung vertretene Annahme eines globalen nicht internationalen bewaffneten Konflikts isoliert geblieben sei.

Auch der Menschenrechtsausschuss des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte äußerte Besorgnis über die Einhaltung des humanitären Völkerrechts bei den Drohneneinsätzen.

 

Ramstein – Das „Herz” des Drohnenkrieges

Die Air Base Ramstein in Rheinland-Pfalz wurde 1953 eröffnet und ist heute ein wichtiger US-Luftwaffenstützpunkt in Deutschland. Die Rechtsstellung der dort stationierten Truppen basiert auf dem NATO-Truppenstatut und einem Zusatzabkommen von 1963.

2010 und 2011 informierten die US-Streitkräfte das Bundesverteidigungsministerium über den Bau einer Relaisstation für die Steuerung von bewaffneten Drohnen. Seitdem spielt Ramstein auch eine zentrale Rolle im US-Drohnenprogramm.

Daten und Steuerbefehle für Drohnenoperationen werden über Satellitenverbindungen von den USA nach Ramstein übertragen und von dort aus weitergeleitet. Ohne diese Infrastruktur wären viele US-Drohneneinsätze, insbesondere in Afrika, dem Nahen Osten und Asien, technisch unmöglich.

Die genaue Zahl dieser US-Missionen, die über die US-Air Base Ramstein durchgeführt wurden und weiterhin werden, ist öffentlich nicht dokumentiert.

 

Geolokalisierung mit System „Gilgamesh“

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International enthüllte bereits im April 2018: „Der Luftwaffenstützpunkt Ramstein ist ein wichtiger Stützpunkt der US-Luftwaffe im Südwesten Deutschlands, der eine entscheidende Rolle im US-Drohnenprogramm spielt und im Zentrum eines komplexen Netzwerks von Einrichtungen in den USA und der ganzen Welt liegt.

Ramstein beherbergt außerdem ein Geolokalisierungssystem namens GILGAMESH, das für das US-Drohnenprogramm von entscheidender Bedeutung sein soll. GILGAMESH verwandelt ein an der Unterseite einer Drohne befestigtes Gerät in einen gefälschten Handyempfänger. Dadurch wird das Handysignal einer Zielperson ohne deren Wissen mit dem Gerät verbunden. Dadurch kann der genaue Standort einer Person bestimmt werden.“

Und weiter: „Laut Dokumenten des Whistleblowers und ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden übergibt der deutsche Auslandsgeheimdienst regelmäßig ‚massive Mengen an Verbindungsdaten‘ an die USA. Dazu gehören Telefonnummern, E-Mail-Adressen und IP-Verbindungen – allesamt könnten sie zur Ortung von Zielen für Drohnenangriffe genutzt werden.“

Und damit kommen wir wohl zur Frage einer „Mitbeteiligung“ der Bundesregierung an den entsprechenden Angriffen.

 

Beteiligt sich Deutschland (indirekt) an US-Drohnen-Tötungen?

Um genau darauf eine Antwort zu finden, wurde 2014 ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Allerdings, um zu klären, ob von Deutschland aus Telekommunikationsüberwachung oder gezielte Drohnentötungen durchgeführt wurden. Denn ein Zeuge gab an, dass Drohnenangriffe aus den USA gesteuert, jedoch über Ramstein geleitet wurden.

2016 bestätigte die US-Regierung, dass Ramstein eine Rolle bei der Weiterleitung von Drohnensignalen spielten, allerdings keine Drohnen direkt von dort gelenkt werden würden.

Konkret: Der Datenstrom zur Fernsteuerung der Drohnen würde in Echtzeit aus den USA über eine Satelliten-Relaisstation in Ramstein geleitet. Diese fungierte als notwendiges Bindeglied zwischen den Drohnenpiloten in den USA und den Drohnen im jeweiligen Einsatzgebiet, etwa im Jemen.

Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Funktion der Air Base Ramstein nicht nur die Weiterleitung von Daten betrifft, sondern auch die Auswertung von Informationen einschließt.

Jedenfalls stellte der Abschlussbericht des Ausschusses fest, dass der US-Luftwaffenstützpunkt eine wesentliche Rolle bei der Drohnentechnologie spiele, jedoch keine Beweise für völkerrechtswidriges Verhalten der USA oder Verstöße gegen deutsches Recht erbracht werden könne!

 

„Zusicherung“ der USA und „Glauben“ an US-Rechtsstaatlichkeit

Die USA „sicherten“ zu, deutsches Recht zu achten. Dementsprechend wurde keine allgemeine Verantwortung Deutschlands für Drohneneinsätze in Verbindung mit Ramstein festgestellt.

Die Bundesregierung erklärte zudem in ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen, dass sie im „engen Austausch“ mit ihren US-amerikanischen Partnern zu den Einsätzen von unbemannten Luftfahrzeugen und der Rolle des US-Luftwaffenstützpunkts Ramstein stehen würde.

Sie stützte ihren „Glauben“ an die „Zusicherungen“ der USA, dass deren Aktivitäten auf US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit dem geltenden Recht erfolgt wären. Und zwar mit der „Annahme“, dass die USA als Rechtsstaat traditionell das humanitäre Völkerrecht achten und dessen Einhaltung gewährleisten würden.

Die Bundesregierung gab zudem an, dass sie regelmäßig völkerrechtliche Fragen, einschließlich der Rechtmäßigkeit von US-Drohneneinsätzen, mit ihren Partnern „diskutiere“ und diesen „Dialog“ fortsetzen werde.

Auch im Oktober 2022 bestätigte die Bundesregierung, dass sie weiterhin in einem kontinuierlichen Dialog mit den USA über Drohneneinsätze und die Rolle von Ramstein stehe. Die US-Seite „versicherte“, dass die US-Streitkräfte in Deutschland geltendes Recht, und das Völkerrecht achten würden.

Paradoxerweise betonten hiesige Politiker aber, dass sie nicht in die Planung oder Durchführung von US-Drohnenmissionen eingebunden seien.

 

„Unbehelligt und ohne Kontrolle“ – US-Drohnenkrieg auf deutschem Boden

Die Bundesregierung verlässt sich also auf ihren „Glauben“, auf „Zusicherungen“ und „Annahmen“ sowie auf „Dialog“ und „Diskussionen“, dass die USA keine völkerrechtswidrigen Drohneneinsätze von deutschem Boden aus durchführen. Dabei ist sie nicht einmal in die Planung oder Umsetzung dieser Einsätze eingebunden!

Letztlich bedeutet das, dass die USA in Deutschland nahezu unbehelligt ihren globalen Drohnenkrieg fortsetzen kann, solange die deutschen Politiker weiterhin auf „Zusicherungen“ vertrauen und eifrig „diskutieren“. Ein Skandal!

Sogar das Oberverwaltungsgericht stellte fest, dass die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung, wie etwa der Dialog mit den USA, unzureichend, seien. Es wurde verlangt, dass diese aktiv an der Völkerrechtskonformität der Drohneneinsätze arbeite und konkret auf die USA einwirke, um die Nutzung von deutschen Liegenschaften für völkerrechtswidrige Einsätze zu verhindern. Schließlich wurden gewichtige Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die von den USA durchgeführten Drohneneinsätze beispielsweise im Jemen nicht immer mit den völkerrechtlichen Vorgaben übereinstimmten. Dies könne zu weiteren völkerrechtswidrigen Einsätzen führen.

Die USA würden ihren Kampf gegen terroristische Gruppen als einen potenziell weltweiten bewaffneten Konflikt ansehen, was nicht mit den Leitlinien des humanitären Völkerrechts vereinbar sei. Insbesondere berge die Annahme eines globalen Krieges gegen Al-Qaida und deren Verbündete das Risiko von Verstößen gegen das Unterscheidungsgebot, das direkte Angriffe auf Zivilisten verbiete.

 

Höhere Gerichtsinstanz erteilt den USA einen „Freibrief“

Allerdings entschied in dieser Sache am 25. November 2020 das Bundesverwaltungsgericht zugunsten der Bundesrepublik Deutschland und stellte sich damit gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.

Es widersprach dessen Einschätzung, die Bundesregierung hätte die Frage der Völkerrechtskonformität der Drohneneinsätze unter Nutzung der Air Base Ramstein nicht ausreichend geprüft. Angeführt wurde unter anderem das Grundgesetz, in dem eine „Förderung der internationalen Zusammenarbeit“ verankert ist. Zudem könnten wichtige außen-, bündnis- und verteidigungspolitische Interessen gegen ein solches Vorgehen sprechen.

Weiterhin habe die Bundesregierung eine Zusicherung der USA eingeholt, dass unbemannte Luftfahrzeuge für Antiterroreinsätze weder von Ramstein aus gestartet noch gesteuert würden. Und, dass die USA bei ihren Aktivitäten in Ramstein – sowie in ganz Deutschland – deutsches Recht achten. Diese allgemeine Zusicherung sei ebenfalls nicht völlig unzulänglich.

 

Deutschland muss „Drohnenkrieg“ von Ramstein aus wegen „bündnispolitischer“ Belange hinnehmen

Darüber hinaus habe die Bundesregierung keine weiteren Schritte wie die Kündigung der völkerrechtlichen Grundlagen für die Nutzung der Air Base Ramstein in Betracht ziehen müssen.

Eine einseitige Beendigung der völkervertraglichen Grundlagen hätte – unabhängig von der rechtlichen Frage – massive nachteilige Auswirkungen auf die außen-, bündnis- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Sowie auf die grundrechtlichen Schutzansprüche der in Deutschland lebenden Bevölkerung. Daher müsse die Bundesregierung diese Maßnahme unter den aktuellen Umständen nicht in ihre Erwägungen einbeziehen.

Ebenso sei es nicht angezeigt, die regelmäßige Zusicherung der USA, bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einzuhalten, als unbeachtlich anzusehen. Die Beachtung des humanitären Völkerrechts als solches werde von den USA nicht infrage gestellt, auch wenn sich die Interpretation des Völkerrechts seitens der Amerikaner nicht in allen Punkten mit derjenigen der Bundesrepublik decke.

Zudem sei Deutschland darauf angewiesen, in der internationalen Gemeinschaft als berechenbarer und verlässlicher Partner wahrgenommen zu werden. Die außenpolitische Handlungs- und Bündnisfähigkeit sei daher ein wichtiges Verfassungsgut, das nicht mit einer dauerhaften und umfassenden Überwachungspflicht gegenüber dem Handeln in Deutschland stationierter Truppen verbündeter Staaten in Konflikt stehen dürfe. Diese Zielsetzung erfordere eine Abwägung zwischen den Schutzpflichten und der Sicherstellung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit.

Aus dieser Betrachtung ergibt sich, dass Deutschland in der internationalen Politik wohl schweigen muss, wenn es um die Kritik an seinen engsten Bündnispartnern geht. Die Notwendigkeit, als verlässlicher Partner wahrgenommen zu werden und die außenpolitische Handlungsfähigkeit zu wahren, erfordert eine vorsichtige Balance. Der Schutzanspruch für die eigenen Bürger muss dabei gegen die außenpolitische Verantwortung abgewogen werden, was bedeutet, dass Deutschland, aus Rücksicht auf seine Bündnisverpflichtungen und geopolitischen Interessen, nicht immer offen gegen die Handlungen verbündeter Staaten wie der USA Stellung beziehen kann. Auch das wird dem hiesigen Bürger verschwiegen!

 

Sogar eine „hohe Zahl ziviler Opfer“ wird von der deutschen Gerichtsbarkeit hingenommen

Des Weiteren heißt es, ergebe sich nicht hinreichend deutlich aus den Berichten kritischer Stellen oder Stellungnahmen internationaler Organe (z.B. UN-Sonderberichterstatter oder den Resolutionen des Menschenrechtsrats, des Europäischen Parlaments und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats), dass eine ernsthafte Gefahr systematischer Verletzungen des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf Leben durch die USA bestehe.

Die hohe Zahl ziviler Opfer allein könne nicht automatisch auf eine ernsthafte Gefahr systematischer Verstöße gegen das einschlägige Völkerrecht hinweisen. Das bloße Töten von geschützten Zivilpersonen während Drohneneinsätzen sei in einem nicht internationalen Konflikt kein ausreichendes Indiz für Völkerrechtswidrigkeit, solange keine klaren Hinweise auf Verstöße gegen den Unterscheidungsgrundsatz, das Vorsorgeprinzip oder das Exzessverbot vorliegen würden.

Aus dieser Argumentation lässt sich schließen, dass die USA in ihrem „Krieg gegen den Terror“ weitgehend ungehindert agieren können. Solange es keine klaren Beweise für Verstöße gegen grundlegende völkerrechtliche Prinzipien wie den Unterscheidungsgrundsatz oder das Exzessverbot gibt, können sie weiter ohne nennenswerte Einschränkungen töten – selbst wenn dabei Tausende von Zivilisten ums Leben kommen.

Und Deutschland schweigt, solange keine eindeutigen rechtlichen Verstöße nachgewiesen werden!

 

Das Rote Kreuz widerspricht

Obwohl in vielen Berichten die Besorgnis über die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch die Amerikaner deutlich wird, stützen sich diese Bedenken hauptsächlich auf eine Unstimmigkeit zwischen den Kriterien des Roten Kreuzes und den USA. Und zwar hinsichtlich der Abgrenzung legitimer militärischer Ziele von geschützten Zivilisten sowie auf die fehlende Transparenz der angewandten Kriterien.

Diese unterschiedlichen Auffassungen begründen jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit, dass systematische Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch die USA zu befürchten seien. So das Bundesverwaltungsgericht.

 

USA hebeln durch ihr „Selbstverteidigungsrecht“ das humanitäre Völkerrecht aus

Der Einsatz bewaffneter Drohnen zu sogenannten gezielten Tötungen ist weltweit ein umstrittenes Thema, das sowohl international als auch innerhalb der USA heftig diskutiert wird.

Die Kritik richtet sich insbesondere gegen die weitreichende Auslegung des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf Selbstverteidigung durch die US-Amerikaner. Diese Auffassungen betreffen zum einen die räumliche Ausdehnung des bewaffneten Konflikts und den Anwendungsbereich dessen. Sie beziehen sich auch auf die Bestimmung, wer als gerechtfertigtes militärisches Ziel gilt sowie den Einsatz von Drohnen außerhalb konkreter Gefechtssituationen.

Eine derartige Auslegung kann dazu führen, dass die Zahl der legitimen militärischen Ziele steigt und folglich auch die Gefahr für Zivilpersonen wächst, als sogenannte „zivile Kollateralschäden“ verletzt oder getötet zu werden.

Es gibt weiterhin erhebliche Diskrepanzen in der Bewertung der Opferzahlen zwischen US-Behörden und Nichtregierungsorganisationen, was die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und den Auswirkungen der Einsätze weiter befeuert.

 

Deutschland soll untersuchen, ob Ramstein Völkerrecht einhält

Die internationale Kritik an den Drohneneinsätzen führte schließlich dazu, dass der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen Deutschland aufforderte, die Rolle der US-Militärbasis Ramstein zu untersuchen und sicherzustellen, dass das humanitäre Völkerrecht eingehalten wird.

Dazu heißt es jedoch: Auch wenn es zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA unterschiedliche Auffassungen über die Reichweite gemeinsamer völkerrechtlicher Verpflichtungen gebe, bleibe das Vertrauen zwischen den Bündnispartnern in die Rechtmäßigkeit des Handelns des jeweils anderen grundsätzlich bestehen.

Und das, obwohl zigtausende unschuldiger Zivilisten durch Drohneneinsätze ums Leben kamen – und weiterhin wohl auch kommen.

 

Tödliche US-Drohnenangriffe aus Ramstein: Deutsche Regierungsstellen nicken ab