11. August 2025

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Palantir auf dem Vormarsch: Deutsche Polizei baut Überwachungssoftware trotz Verfassungsbedenken aus

 

Deutsche Polizei weitet Einsatz von Palantir-Software aus – Verfassungsgrenzen drohen zur Farce zu werden

Die Deutsche Welle berichtete jüngst, dass immer mehr Bundesländer auf die umstrittene Überwachungssoftware Gotham des US-Unternehmens Palantir setzen oder deren Einsatz planen. Während Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen bereits aktiv damit arbeiten, steht Baden-Württemberg kurz vor der Einführung. Sogar der Bund – also BKA und Bundespolizei – schließt eine Beschaffung nicht aus.

Offiziell verspricht die Software, riesige Datenmengen in Sekunden zu verknüpfen und so schneller Täterprofile zu erstellen. In Bayern etwa firmiert das System als „VeRA“ und wurde laut Innenministerium seit Mai 2025 in rund hundert Fällen genutzt – darunter beim Angriff auf das israelische Konsulat in München im September 2024.

Verfassungsrechtliche Bedenken werden ignoriert
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2023 deutliche Grenzen gezogen: Eine präventive, automatisierte Datenanalyse ohne identifizierbare Gefahr ist verfassungswidrig. Nur bei konkreten, belegbaren Bedrohungslagen darf eine solche Software überhaupt eingesetzt werden – und auch dann nur unter strengen Voraussetzungen. Diese Vorgaben zwangen Hessen und Hamburg damals, ihre Polizeigesetze neu zu fassen. In Nordrhein-Westfalen ist aktuell eine Verfassungsbeschwerde anhängig.

Doch die Realität zeigt ein anderes Bild: Während die Politik betont, man halte sich an die Karlsruher Leitplanken, weiten die Länder die Nutzung schrittweise aus. Kritiker wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der Chaos Computer Club (CCC) warnen, dass intransparente „Data-Mining“-Verfahren längst im Alltagsbetrieb angekommen sind – oft ohne dass Betroffene je erfahren, dass sie durchleuchtet wurden.

Black Box aus den USA – und die Frage der digitalen Souveränität
Besonders brisant: Palantir ist ein US-Unternehmen mit engen Verbindungen zu Militär und Geheimdiensten. Zwar betonen die Länder, die Daten würden in Deutschland gespeichert, doch Kritiker verweisen darauf, dass ein vollständiger Schutz vor Abfluss in die USA praktisch nicht garantiert werden kann. Damit kollidiert der Einsatz direkt mit den Versprechen der Ampel-Koalition, digitale Souveränität auszubauen und Abhängigkeiten von ausländischen Tech-Konzernen zu reduzieren.

Vom Terrorabwehr-Instrument zum Allzweck-Werkzeug?
Ursprünglich als High-Tech-Waffe gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität angepriesen, mehren sich Berichte, dass Palantirs Systeme auch bei vergleichsweise geringen Delikten genutzt werden. Damit droht die Zweckbindung – eine zentrale verfassungsrechtliche Anforderung – zur Makulatur zu verkommen.

Das eigentliche Risiko
Mit jedem zusätzlichen Bundesland, das auf Gotham setzt, verschiebt sich die Grenze des rechtlich und politisch Akzeptierten. Statt die vom Bundesverfassungsgericht gezogenen roten Linien zu respektieren, scheint der Trend in Richtung Normalisierung flächendeckender, automatisierter Personenrasterungen zu gehen – betrieben von einer intransparenten, proprietären US-Black-Box.

Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt oder zumindest durch radikale Transparenz- und Kontrollmechanismen gebremst wird, könnte Palantir in Deutschland binnen weniger Jahre das werden, was in den USA längst Realität ist: ein unsichtbarer, aber allgegenwärtiger Überwachungsapparat, dessen Datenmacht kaum mehr politisch kontrollierbar ist.

 

 

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