Frankreich setzte Klagen, NROs und private Kontakte ein, um Twitter zu einer globalen Zensur zu zwingen, die über das französische Recht hinausgeht.
Cindy Harper
Grayscale portrait of Macron speaking at a podium with two microphones and gesturing with his right hand, set against a textured blue-white-red background that features large distressed speech-bubble shapes.
Während die europäischen Staats- und Regierungschefs unter dem Deckmantel der Handelspolitik darauf drängen, globale Sprachregelungen zu gestalten, enthüllen neue interne Unterlagen, dass die französische Regierung im Stillen ein System zur weltweiten Durchsetzung der Zensur aufgebaut hat.
Durchgesickerte interne Mitteilungen von Twitter, jetzt bekannt als X, enthüllen eine ausgeklügelte Kampagne, die von Präsident Emmanuel Macron angeführt und von staatlich ausgerichteten Organisationen unterstützt wurde, um die Plattform unter Druck zu setzen, damit sie Sprache weit über das hinaus unterdrückt, was das französische Gesetz verlangt.
Während die französische Führung öffentlich Werte wie die freie Meinungsäußerung propagierte, forderte sie insgeheim ein hartes Durchgreifen gegen politische Inhalte, anonyme Nutzer und alles, was von den von der Regierung genehmigten Narrativen abwich.
Die neuesten TWITTER FILES – FRANCE, veröffentlicht von Public, dokumentieren, wie Paris das moderne Zensur-durch-Stellvertreter-Modell erfand: Klagen, koordinierter NGO-Druck und persönliche Kontakte auf höchster Ebene formten ein globales Moderationsregime nach französischem Vorbild.
Einer der aufschlussreichsten Momente in den Dokumenten stammt aus dem Oktober 2020, als Twitters Public Policy Director in Frankreich eine ungewöhnliche Hartnäckigkeit des Élysée-Palastes notierte:
„Präsident Macrons Team hat mich (schon wieder!) nach Jacks [Dorsey] Nummer gefragt, weil der Präsident ihm einige unterstützende Worte zu unseren neuen Richtlinien und Funktionen zur Wahl-Integrität simsen will.“
Das Problem: Dorsey gab seine Nummer selbst an Staatsoberhäupter nicht heraus. Mitarbeiter erinnerten Macron daran, dass eine Direktnachricht geeigneter wäre – auch wenn er Twitter nicht persönlich nutzte. Alternativen wie Signal, Telegram oder iMessage wurden diskutiert.
„Macron schickt nur Textnachrichten an Personen, mit denen er eng arbeitet, wie Angela Merkel“, schrieb ein Twitter-Manager.
Dieses Bemühen um direkte Kommunikationskanäle fiel zusammen mit einer sich abzeichnenden Klage.
Zur gleichen Zeit, als Macrons Büro Dorseys Nummer suchte, wurde Twitter von vier französischen NGOs verklagt – SOS Racisme, SOS Homophobie, UEJF und J’accuse –, die behaupteten, das Unternehmen gehe nicht entschieden genug gegen Hassrede vor.
Intern sah Twitter die Sache anders:
„In diesem Fall geht es vor allem darum, Twitter in der Presse als gefährlichen Akteur darzustellen“, schrieb Karen Colangelo, Associate Director of Litigation.
Die NGOs beriefen sich zwar auf ihre Unabhängigkeit, doch alle wurden direkt oder indirekt staatlich und durch EU-Mittel finanziert. SOS Racisme ist etwa Partner in einem EU-Programm, die UEJF wird von der Europäischen Union Jüdischer Studenten unterstützt, SOS Homophobie von der französischen Regierung und EU-LGBTQ-Initiativen. Keine Organisation reagierte auf Anfragen.
Bei Mediationsgesprächen forderten die NGOs: schnellere Löschungen, proaktive Moderation und härtere Beschränkungen anonymer Nutzer. Colangelo berichtete intern:
„Sie sind besorgt darüber, dass wir anonyme Tweets zulassen – sie glauben, dies ermögliche Tätern, sich Strafen zu entziehen.“
Twitter überprüfte daraufhin mehrere markierte Accounts erneut und signalisierte trotz schwacher Rechtsgrundlage Bereitschaft zur Zusammenarbeit.
Führungskräfte erkannten jedoch ein größeres Spiel:
„Die Klage kam unmittelbar vor der finalen Lesung des Avia-Gesetzes“, hieß es in einer E-Mail. „Es überrascht nicht, dass sie nun wieder vor Gericht gehen, kurz bevor die Hassrede-Verordnung zurückkehrt.“
Was nach einem Zivilprozess aussah, war Teil einer umfassenden politischen Kampagne: Macrons Team, staatlich finanzierte NGOs und verbündete Politiker drängten Twitter, seine Politik global zu verschärfen.
Von Pleven bis VIGINUM
Der Ursprung liegt im Pleven-Gesetz von 1972, das NGOs befugte, Strafverfahren wegen „Sprachdelikten“ einzuleiten. Aus einem Anti-Rassismus-Instrument wurde so ein Werkzeug politischer Kontrolle.
2012 war Frankreich weltweit führend bei Zensurforderungen an Twitter. Nach 2016, im Zuge von Brexit und Gelbwesten, stufte die Elite Online-Dissens als Sicherheitsbedrohung ein. Macrons Antwort:
- Neue Gesetze gegen Deepfakes
- Pflicht zur „Erkennung von Fehlinformationen“
- 24-Stunden-Löschregel für gemeldete Inhalte
- Gründung der digitalen Überwachungsagentur VIGINUM
Nicht nur in Frankreich – US-Plattformen sollten global folgen oder mit Konsequenzen rechnen.
Twitter zwischen Klagen und Deals
2021 versuchte Twitter, die Klage beizulegen, indem es Daten anbot, falls NGOs das Verfahren fallen ließen. Doch deren Gegenangebot sei „inakzeptabel“ gewesen, schrieb Colangelo. Auch nach einem Dorsey-Brief zur Bekämpfung von Hassreden scheiterte die Schlichtung. Twitter erwartete eine öffentliche Kampagne, als „nicht kooperativ“ dargestellt zu werden.
Ein weiteres Beispiel: der Fall der Miss-France-Kandidatin April Benayoum. Ihr Anwalt verglich die Situation mit 1942 und Hitler. Obwohl viele Argumente abgewiesen wurden, musste Twitter interne Daten herausgeben; der Fall endete vertraulich.
Auch strafrechtlich geriet Twitter ins Visier: Frankreich klagte den damaligen Twitter-Frankreich-Chef Damien Viel an, weil Beiträge Polizisten mit Nazi-Kollaborateuren verglichen. Obwohl die Moderation aus Irland gesteuert wurde, drohten Verfahren und sogar Razzien.
2025 schließlich leiteten Behörden Ermittlungen gegen Elon Musks X wegen „ausländischer Einmischung und Datenkriminalität“ ein.
Gleichzeitig wurde Oppositionsführerin Marine Le Pen wegen Veruntreuung verurteilt und von der Kandidatur ausgeschlossen – während ähnliche Vorwürfe gegen den Premier fallengelassen wurden.
Die Botschaft: Wer das Establishment herausfordert – ob Plattform oder Politiker –, riskiert juristische Angriffe.
Das alles ist nur ein Teil von Frankreichs großem Zensurprojekt. Die vollständigen Details finden sich bei Public. Es lohnt sich, den Artikel in Gänze zu lesen.