Donald Trump würde Jeffrey Epstein am liebsten schnell vergessen. Für seine Anhänger aber ist Epstein das Symbol der Verderbtheit des Establishments. Sie glauben: Amerika kann sich nur erneuern, wenn mit diesem „Übel“ aufgeräumt wird.
Das zeigte sich kürzlich im US-Repräsentantenhaus. Sprecher Mike Johnson verkündete überraschend, die Sommerpause vorzuziehen – offenbar, um einer Abstimmung über „größere Transparenz“ in den Ermittlungen gegen Epstein zu entgehen. Dabei hatte vor kurzem besonders das Trump-Lager auf „Wahrheit über Epstein“ gedrängt: Trump, sein Sohn, Vizepräsident J.D. Vance, Justizministerin Pam Bondi – alle forderten lautstark Aufklärung. Bondi sagte damals: „Ich werde das niemals auf sich beruhen lassen.“ Sie behauptete, auf einem Berg von Beweisen zu sitzen – bis sie diesen Monat plötzlich sagte, es gebe keine Beweise, der Fall sei abgehakt. Trump erklärte lapidar: „Worum geht es denn? Es gibt so viele wichtigere Dinge.“
Das führt wieder zur Frage: Wie intensiv war Trumps Verhältnis zu Epstein? Aktuell sagt Trump, Transparenzforderung sei ein Trick der Demokraten, ihn zu diskreditieren. Trump und Bondi beteuern, es gebe „keine Epstein-Liste“. Unabhängige Epstein-Forscher wie Ryan Dawson, Darryl Cooper, Chris Hedges und Julie Brown bestätigen: So eine klassische „Liste“ der „Kunden“ gibt es nicht. Aber es existieren umfangreiche Videoaufnahmen und andere Beweise. Viel wichtiger: Alles, was mit Epstein zusammenhängt, muss gründlich untersucht werden.
Der Fall Epstein ist keine gewöhnliche Affäre – darin sind sich alle ernsthaften Beobachter einig. Für viele symbolisiert die Geschichte das größere gesellschaftliche Problem: Epstein steht für das „Böse“ im Zentrum der herrschenden Klasse, das ausgerottet werden müsse, damit Amerikas Erneuerung möglich ist. Es geht dabei, argumentieren besonders Trump-Anhänger, nicht nur um Trumps Präsidentschaft, sondern um Amerikas Zukunft.
Das klingt übertrieben, doch wer sich mit Epsteins Biografie beschäftigt, stößt auf ein Netzwerk einflussreicher Bekannter. Die erste öffentliche Station in Epsteins Leben: 1974, ohne abgeschlossenes Studium, wird er Lehrer an der Dalton School in New York – unter Schulleiter Donald Barr, Ex-OSS-Agent und Vater von Bill Barr, der unter Trump Justizminister wurde und später Epsteins offiziellen Selbstmord bestätigte – noch vor Ermittlungsergebnissen.
Nach seinem Rauswurf an der Dalton School bekommt Epstein einen Job bei Bear Stearns, einer der größten Wall-Street-Banken. Dort hilft er Kunden bei der „Steuervermeidung“, wird aber nach vier Jahren gefeuert. Gemeinsam mit Waffenhändler Douglas Leese gründet er seine „Beratungsfirma“, mit nur einem Kunden: Adnan Khashoggi, legendärer Waffenhändler, der in der Iran-Contra-Affäre eine Schlüsselrolle spielt. Epstein lernt zu dieser Zeit auch Robert Maxwell kennen, Vater von Ghislaine Maxwell. Der gebürtige Tscheche Maxwell war Medienmogul, Mossad-Agent und starb unter mysteriösen Umständen 1991 auf Teneriffa.
Epstein wird in den 1990ern schwer reich. Er besitzt Immobilien in mehreren US-Bundesstaaten, Paris, zwei Pazifikinseln und mehrere Privatjets. Bis heute ist unklar, wie er wirklich zu seinem Vermögen kam. Öffentlich nannte er sich „Vermögensverwalter“, seine Tätigkeit belegten Ermittler aber nie. Bekannter ist sein 800-Millionen-Dollar-Betrug mit der Towers Financial Corporation, wofür aber nur sein Geschäftspartner Steve Hoffenberg ins Gefängnis geht.
Eine zentrale Person in Epsteins Netzwerk ist der Milliardär Les Wexner, Eigentümer von Marken wie Abercrombie & Fitch, Victoria’s Secret und größter Textilunternehmer Amerikas. Er gibt Epstein die uneingeschränkte Verfügung über sein Vermögen. Schon damals, in den 1990ern, beschweren sich Victoria’s-Secret-Models über Übergriffe Epsteins. Viele Fälle werden außergerichtlich und diskret beigelegt.
Ein weiterer wichtiger Bezug: Jean-Luc Brunel, französischer Modelagent, gründet mit Epsteins Geld Modelagenturen und soll Epstein mit jungen Frauen versorgt haben – 2022 wie Epstein tot in der Zelle, offiziell Suizid.
Nach 2000 fliegt Epstein Prominente auf seine Privatinsel Little Saint James zu Sexpartys mit Minderjährigen. Die Villa ist videoüberwacht. Aus Flugprotokollen sticht Bill Clinton hervor, der mindestens 26-mal mit Epstein flog. Clinton bestreitet je Missbrauch begangen zu haben; die Logs zeigen keine Flüge direkt zu Epsteins Insel.
2006 gerät Epstein ins Visier der Polizei in Florida. Mindestens 40 Zeuginnen belasten ihn und Ghislaine Maxwell in West Palm Beach schwer. Dennoch erhält Epstein einen „dealen“ Strafnachlass mit minimaler Haftzeit, vereinbart vom Bezirksstaatsanwalt Alexander Acosta, später Trumps Arbeitsminister. Epstein sitzt nur 13 Monate, darf tagsüber frei herumgehen. Währenddessen geht der Missbrauch in anderen Villen weiter.
Auch nach der Haft gibt es prominente Kontakte: Zwischen 2013 und 2017 besucht etwa Israels Ex-Ministerpräsident Ehud Barak regelmäßig Epstein. Die Verbindung zu Israel und Mossad ist immer wieder Gegenstand von Spekulationen, einige ehemalige Nachrichtenoffiziere behaupten, Epstein habe Informationen für Erpressungen im Auftrag Israels gesammelt. Konkrete Beweise fehlen; prominente Israelis dementieren klar.
Für viele Kritiker wie Pulitzer-Preisträger Chris Hedges ist der Fall Epstein ein Abbild des moralischen Bankrotts der US-Elite. Reporter wie Julie Brown decken auf, dass Epstein von Transhumanismus und makabren Experimenten besessen war. Er habe sich einfrieren und möglichst viele Nachkommen zeugen wollen. Hedges urteilt: „Die Epstein-Geschichte gibt einen Blick auf den moralischen Verfall, Hedonismus und die Gier einer herrschenden Klasse – und das verbindet Demokraten, Republikaner und Milliardäre.“ Epstein habe nicht nur Mädchen und Frauen missbraucht, sondern in gewisser Weise die gesamte Gesellschaft.