Telefondurchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl erreichen Rekordhöhe.
Ob Bürger oder nicht, Ihre Texte sind am Terminal Freiwild. Hier erfahren Sie, wie Sie sich schützen können.
Willkommen in den USA
Sie sind in den Vereinigten Staaten gelandet, haben Jetlag und überlegen vielleicht noch, ob Sie Ihr Ladegerät in der Sitztasche vergessen haben.
Noch bevor Sie die Toiletten am JFK betreten, hat ein lächelnder Beamter der Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) vielleicht eine kleine Bitte: Ihr Telefon. Natürlich nicht, um Ihnen bei der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit zu helfen – sondern um es durchzublättern.
Und sie blättern.
Zwischen April und Juni 2025 durchsuchten CBP-Agenten die digitalen Schubladen von 14.899 Reisenden – ein neuer Rekord in der langjährigen TSA-Theaterproduktion „Sicherheit zuerst, Rechte später“.
Die CBP sagt, das sei alles ganz normal. Auf ihrer Website flüstern sie beschwichtigend, dass nur „weniger als 0,01 Prozent“ der Reisenden jemals eine solche Suche erleben.
Das soll beruhigen. So wie wenn die Steuerbehörde sagt, dass sie „weniger als 1 Prozent“ prüft. Es ist also angeblich in Ordnung, wenn die CBP Ihr Venmo-Konto durchkämmt, nur um herauszufinden, dass Sie sich mal eine Pizza mit einem Freiberufler teilten, der später einen Artikel gegen Steuern schrieb.
Überwachungswettlauf
Was an der US-Grenze geschieht, ist ein regelrechter Überwachungswettlauf – mit der Subtilität eines TSA-Beamten, der Ihre Zahnpasta in den Müll wirft.
- Die CBP braucht keinen Durchsuchungsbefehl.
- Sie braucht keinen Verdacht.
- Alles, was sie braucht, ist Ihre Anwesenheit – und die Autorität eines Uniformträgers, der sagt: „Es wird einfacher, wenn Sie kooperieren.“
Und wer glaubt, der US-Pass gewähre Immunität, irrt. „Internationale Reisende“ bedeutet für die CBP: alle. US-Bürger, Visa-Inhaber, der Franzose mit Jazz-Blog oder die kanadische Familie auf dem Weg nach Epcot.
Basis- und „fortgeschrittene“ Durchsuchungen
Nach den neuesten Statistiken waren 13.824 der Durchsuchungen einfache manuelle Scans: ein Grenzbeamter scrollt durch Ihr Telefon und gibt vielleicht vor, Signal zu kennen.
Doch 1.075 Durchsuchungen waren „fortgeschritten“: digitale Forensik. Hier wird das Gerät an Maschinen wie Cellebrite UFED angeschlossen, um Daten zu extrahieren, von denen Sie gar nicht wussten, dass sie existieren.
Die Regierung behauptet, solche Eingriffe seien selten. In Wahrheit fehlen nur noch die restlichen Spielzeuge. Beschaffungsdokumente zeigen: Die CBP kauft neue Tools, die „versteckte Sprache“ in Textnachrichten oder verdächtige Emojis erkennen sollen.
Kurz: KI soll künftig Ihre Kommunikation dechiffrieren.
Langer Trend
2015: 8.503 Durchsuchungen.
2018: 33.296.
2024: 46.362.
Die Kurve zeigt klar nach oben.
Agenten dürfen Ihren Passcode verlangen. Verweigern Sie, kann Ihr Gerät beschlagnahmt und tagelang festgehalten werden. Für ausländische Besucher heißt das: Inhaftierung oder direkte Ausweisung.
Die CBP möchte Geräte „in einem Zustand vorgelegt bekommen, der die Untersuchung ermöglicht“ – sprich: ungesperrt. Face ID hilft nicht.
Was ist mit dem Vierten Verfassungszusatz?
Der vierte Verfassungszusatz ist eindeutig: keine Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss und wahrscheinlichen Grund.
Doch an der Grenze gilt die „Border Search Exception“ – ein Relikt aus der Zeit von Koffern und Zahnbürsten. Sie erlaubt Kontrollen ohne richterliche Aufsicht.
Mit Smartphones entstand so ein konstitutionelles schwarzes Loch: Ihr iPhone enthält heute mehr Daten als die Library of Congress der 1990er Jahre – E-Mails, Notizen, Standortdaten.
Viele fordern seit Jahren: Handys sind kein Gepäck, sondern eine Erweiterung des Gehirns. Doch die CBP hält an ihrem Schlupfloch fest.
Kategorien der Schnüffel-Operationen
- Basissuche: Ein Blick ins entsperrte Telefon. Ohne Befehl, ohne Verdacht.
- Erweiterte Durchsuchung: Vollständige forensische Extraktion. Die Behörde behauptet, sie brauche dafür „begründeten Verdacht“. Doch was gilt schon als Verdacht? Ein Meme gegen ICE, eine Spende an die falsche Wohltätigkeitsorganisation oder ein WhatsApp-Chat in einer Fremdsprache.
Wenn Sie betroffen sind
Ihr Telefon wurde beschlagnahmt? Sie werden bei jeder Landung „zufällig ausgewählt“? Niemand erklärt Ihnen warum?
Ihr Werkzeugkasten:
- Formular 6051D (Custody Receipt) – danach fragen.
- Beschwerde bei DHS TRIP einreichen.
- Beschwerde bei der CBP selbst.
- Beschwerde bei DHS (Bürgerrechte).
- Kontakt zum Generalinspektor aufnehmen.
- Kongressabgeordnete einschalten – die einzige Sprache, die die Behörde versteht.
- FOIA-Antrag stellen – oder via Muckrock auslagern.
Wie Sie sich vorbereiten
Wenn Sie Journalist, Whistleblower oder mit sensiblen Daten reisen, bedenken Sie: Ihr Gerät ist das kompromittierendste Objekt, das Sie besitzen.
Vor der Reise:
☐ Backup extern, nicht auf dem Gerät.
☐ Alles verschlüsseln (BitLocker, FileVault).
☐ Langes, zufälliges Passwort – nicht in „Notizen“.
☐ Weniger Geräte mitnehmen.
☐ Alles löschen, was riskant ist. Papierkorb leeren.
☐ Von Cloud- und Konten abmelden.
☐ Reisegerät oder Brenner nutzen.
☐ Politische Posts vor Abflug vermeiden.
☐ Keine sensiblen Dokumente mitnehmen.
☐ Passwort-Manager nutzen (später neu installieren).
☐ Verschwinden-Modus für Nachrichten aktivieren.
☐ Kollegen informieren.
Am Reisetag:
☐ Geräte ausschalten (Verschlüsselung aktiv).
☐ Flugmodus einschalten.
☐ Kontakt zum Anwalt griffbereit (schriftlich).
☐ Nach Landung sofort melden.
Rechtliche Realität
- US-Bürger: Dürfen verweigern, aber Gerät wird evtl. beschlagnahmt, Kopie erstellt, spätere Schikanen folgen.
- Green-Card-Inhaber: „Sollten“ einreisen dürfen, aber mit möglichen Komplikationen.
- Visa-/ESTA-Besucher: Weigerung = Einreise verweigert.
Fazit
An der Grenze gibt es keine informierte Zustimmung. Sie unterschreiben nichts, Ihnen werden keine Rechte vorgelesen. Stattdessen wird stillschweigend angenommen, dass Sie Teil eines Prozesses sind, der die verfassungsmäßigen Grenzen im Namen der Sicherheit umschreibt.
Dieser Prozess wird zunehmend automatisiert. Jeder Reisende wird behandelt wie ein Verdächtiger, bis er sich als kooperativ erweist.
Die Last, Ihr digitales Leben zu schützen, liegt bei Ihnen.
Das Gesetz wird nicht rechtzeitig reagieren. Die Behörden entschuldigen sich nicht, wenn Ihr Gerät in einem forensischen Scanner landet. Planen Sie entsprechend – oder riskieren Sie, alles offenzulegen, nur um durch die Passkontrolle zu kommen.