Bestechung, Kinderarbeit, Tierquälerei, Abholzung: Was man über den größten industriellen Fleischproduzenten der Welt wissen sollte
Der brasilianische Fleischriese JBS wird seit Jahren mit Korruption, Arbeitsrechtsverletzungen, Rinderwäsche und der Abholzung des Amazonas in Verbindung gebracht. Trotzdem wird das Unternehmen in diesem Monat an den COP30-Klimaverhandlungen im brasilianischen Belém teilnehmen – wo es wohl seine „grünen“ Referenzen anpreisen wird. Das sorgt für Empörung darüber, dass große Umweltverschmutzer als Partner im Klimaschutz hofiert werden.
Von The Bureau of Investigative Journalism / Andrew Wasley
Ein globaler Gigant mit blutiger Vergangenheit
„Dies ist der Beginn eines aufregenden neuen Kapitels für JBS“, sagte Gilberto Tomazoni, CEO des größten Fleischunternehmens der Welt, als die Firma im Juni an der New Yorker Börse debütierte.
Der Moment krönte einen erstaunlichen Aufstieg: Aus einem kleinen Schlachtereibetrieb wurde ein Konzern, der täglich Zehntausende Rinder tötet – trotz zahlloser, teils wörtlicher Prozesse und Skandale.
Gegründet 1953 in der Stadt Anápolis durch José Batista Sobrinho – aus dessen Initialen der Firmenname JBS stammt – beschäftigt das Unternehmen heute fast 250.000 Mitarbeiter in 20 Ländern. Zu den bekanntesten Marken gehören Seara, Just Bare und Pilgrim’s Pride.
Doch hinter den bekannten Logos verbergen sich zahlreiche dunkle Kapitel.
JBS erhielt eine der höchsten Geldstrafen der Unternehmensgeschichte nach einem Korruptionsskandal, der den damaligen Präsidenten Brasiliens erschütterte.
Dem Konzern werden Arbeitsrechtsverstöße, Kinderarbeit, der Verkauf verseuchten Fleisches und eine massive Beteiligung an der Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes vorgeworfen – einer der wichtigsten ökologischen Puffer gegen die Klimakrise.
Trotz dieser Skandalserie wird JBS bei der COP30 mit internationalem Publikum auftreten und dort seine angeblich nachhaltigen Initiativen präsentieren.
Dies wirft die Frage auf: Was muss ein Unternehmen eigentlich tun, um von den globalen Klimaverhandlungen ausgeschlossen zu werden?
Rinderwäsche: Vom „schmutzigen“ zum „sauberen“ Hof
Seit Jahren berichtet The Bureau of Investigative Journalism über JBS. Bereits 2019 deckte eine erste große Recherche auf, wie das Fleisch des Konzerns zur Zerstörung weiter Teile des Amazonas beiträgt.
Ein Facebook-Post des Lkw-Fahrers Alessandro Ale brachte den Skandal ins Rollen: Er zeigte stolz Fotos seines Transports von 250 Rindern quer durch den südlichen Amazonas – auf seinem Lkw prangte das JBS-Logo.
Die GPS-Daten seiner Route belegten erstmals, dass JBS in sogenannte „Rinderwäsche“ verwickelt war: Tiere, die auf illegal gerodeten („schmutzigen“) Farmen aufgewachsen waren, wurden zu „sauberen“ Höfen gebracht, um dort offiziell geschlachtet zu werden.
Damals behauptete JBS, man habe den Vorfall untersucht und keine Verstöße festgestellt. Das Unternehmen kaufe nicht von Farmen, die in „Unregelmäßigkeiten“ verwickelt seien, und befinde sich „an der Spitze der Bemühungen gegen Rinderwäsche“.
Fünf Jahre später steht JBS erneut im Fokus: Eine aktuelle Greenpeace-Untersuchung zeigt, dass Rinderwäsche bis heute stattfindet – teilweise mit Fleisch, das von Farmen stammt, die illegal auf indigenem Land wirtschaften.
JBS bestreitet die Vorwürfe und erklärte, Greenpeace habe keinen Beweis geliefert, dass das betreffende Fleisch in die Schlachthöfe gelangt sei. Die betreffende Farm sei blockiert worden.
Der Skandal, der Brasilien erschütterte
Der wohl größte Korruptionsfall der Firmengeschichte erschütterte Brasilien 2017.
Die „Operation Bullish“ ergab, dass JBS-Besitzer staatliche Beamte bestochen hatten, um Hunderte Millionen Dollar an zinsgünstigen Krediten von einer staatlichen Bank zu erhalten.
Mit dem Rücken zur Wand legten die Brüder Joesley und Wesley Batista den Ermittlern einen Trumpf vor: Eine heimlich aufgenommene Tonaufnahme des damaligen Präsidenten Michel Temer, der angeblich Schweigegeldzahlungen an einen inhaftierten Politiker anordnete.
Die Enthüllung führte zu landesweiten Protesten und Forderungen nach Temers Amtsenthebung. Die Brüder, deren Muttergesellschaft J&F Investimentos die Geschäfte von JBS führte, entgingen der Haft.
Ermittler fanden auch Aufnahmen eines Temer-Vertrauten mit einem Koffer voller Bargeld – rund 150.000 US-Dollar –, die angeblich von einem JBS-Manager übergeben wurden. In Zeugenaussagen wurde offengelegt, dass das Unternehmen mehr als 1.800 Politiker bestochen und rund 250 Millionen US-Dollar verteilt hatte. JBS erhielt eine Strafe von 3,2 Milliarden US-Dollar.
Nach Bekanntwerden der Affäre stürzte der brasilianische Aktienmarkt um fast 9 % ab – der schlimmste Einbruch seit neun Jahren. Der Tag ging als „Joesley Day“ in die Finanzgeschichte ein.
Verdorbenes Fleisch und Misshandlungen
Kurz vor dem „Joesley Day“ war eine JBS-Tochterfirma in den „schmutziges Fleisch“-Skandal verwickelt. Ermittler warfen ihr vor, Inspektoren bestochen zu haben, um verdorbenes Fleisch in Umlauf zu bringen.
Produkte sollen mit Chemikalien behandelt und mit Wasser aufgespritzt worden sein, um Gewicht zu erhöhen.
Eine spätere TBIJ-Recherche zeigte, dass tausende Tonnen mit Salmonellen belastetes Hühnerfleisch, darunter Lieferungen von JBS, nach Europa exportiert wurden – auch nach Großbritannien. Teilweise gelangte Fleisch, das an der EU-Grenze abgewiesen wurde, zurück auf den brasilianischen Markt.
JBS erklärte, die Untersuchung habe „nicht den Qualitätsstandard der Produkte infrage gestellt“.
Im selben Jahr wurde JBS beschuldigt, Rindfleisch von einer Farm gekauft zu haben, auf der Arbeiter unter sklavenähnlichen Bedingungen gehalten wurden – ohne Trinkwasser, Toiletten oder Schutzräume. JBS trennte sich nach den Razzien von dem Lieferanten.
Tierschützer dokumentierten zudem Misshandlungen in US-Betrieben: Schläge auf Hühner und Schweine, brutale Eingriffe an Ferkeln. JBS reagierte mit Lieferstopps und internen Untersuchungen.
Freunde in hohen Positionen
Trotz der Skandalflut bleibt JBS politisch bestens vernetzt. 2023 begleiteten Spitzenmanager den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva auf einer Handelsreise nach China, wohin ein Viertel der JBS-Exporte geht.
Nach Lulas Besuch in Vietnam kündigte JBS Investitionen von 100 Millionen US-Dollar in zwei neue Großfabriken an. Wenige Monate zuvor hatte der Konzern 2,5 Milliarden US-Dollar für sechs neue Schlachthöfe in Nigeria bereitgestellt.
Trotzdem reißen die Ermittlungen nicht ab: In den USA wird JBS wegen Irreführung über „grüne“ Versprechen von der Generalstaatsanwältin von New York, Letitia James, verklagt.
Zudem musste das Unternehmen 4 Millionen US-Dollar zahlen, um Kinderarbeit in US-Schlachthöfen zu verhindern, nachdem die Arbeitsbehörde Kinder bei gefährlichen Nachtschichten entdeckt hatte.
Im Februar folgte eine weitere Strafe: 83,5 Millionen US-Dollar wegen Preisabsprachen im Rindfleischmarkt.
Ein grünes Image trotz roter Zahlen
Eine frühere TBIJ-Recherche zeigte, dass innerhalb von sechs Jahren über 800 Millionen Bäume im Amazonas gefällt wurden – teils im Zusammenhang mit der Fleischproduktion von JBS.
Trotz der Warnungen wird JBS bei der COP30 erneut auftreten – als „Partner“ im Kampf gegen die Klimakrise.
Während die brasilianische Regierung sinkende Abholzungsraten meldet, bleiben Regenwälder und Savannen massiv bedroht. Dass ausgerechnet der weltgrößte Fleischproduzent dort über Nachhaltigkeit spricht, sehen viele als bittere Ironie.
Die Delegierten in Belém werden hören, wie JBS den Klimawandel bekämpfen will.
Man wird es ihnen nicht verdenken können, wenn sie das mit einer großen Portion Skepsis tun.
*
Ursprünglich veröffentlicht vom The Bureau of Investigative Journalism.
Andrew Wasley ist preisgekrönter Investigativjournalist mit Schwerpunkt auf Landwirtschaft und Ernährung. Er ist Mitbegründer der Agentur Ecostorm und war Chefredakteur des Magazins „The Ecologist“ (2010–2012).
