von Nick Giambruno
Warren Buffett bezeichnete Derivate einmal als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“.
Er übertrieb nicht, sondern warnte, dass diese komplexen Finanzinstrumente im Falle eines Scheiterns massive, weitreichende Schäden für die Weltwirtschaft anrichten könnten. Buffetts größte Sorge war, dass ein plötzlicher, unerwarteter Marktschock eine gefährliche Kettenreaktion im Finanzsystem auslösen könnte, genährt durch versteckte Risiken und die komplexen Verflechtungen, die Derivate schaffen.
Diese Instrumente verbinden Großbanken, Hedgefonds und Unternehmen in einem komplizierten Netz von Wetten auf künftige Preise von Öl, Zinsen, Währungen und mehr.
Beispielsweise nutzen Fluggesellschaften und Energieunternehmen routinemäßig ölgebundene Derivate, um sich abzusichern oder zu spekulieren. Steigen die Ölpreise unerwartet, müssen Gegenparteien auf der Verliererseite – oft große Finanzinstitute – enorme Auszahlungen leisten. Das wiederum kann Nachschussforderungen, Liquiditätsengpässe und Zwangsverkäufe von Vermögenswerten auslösen.
Da viele dieser Kontrakte intransparent sind, weiß niemand genau, wer wie stark gefährdet ist. Diese Ungewissheit kann Panik auslösen, wenn alle gleichzeitig aussteigen wollen.
Verluste bleiben selten isoliert. Ein Ausfall in einem Teil des Systems gefährdet andere, insbesondere wenn eine große Bank betroffen ist. So entsteht schnell ein Dominoeffekt – genau der Szenario-Typ, den Buffett meinte.
Weil Derivate so eng miteinander verknüpft sind und es um riesige Summen geht, kann der Schaden rasch unkontrollierbar wachsen – ähnlich einer Serie von Explosionen.
Warum jetzt darüber reden?
Weil der jüngste Krieg zwischen Israel, den USA und dem Iran nicht vorbei ist. Eine schwerere Konfrontation zwischen den USA und dem Iran scheint unvermeidlich – und würde mit Sicherheit den Öl- und Gasfluss aus dem Persischen Golf stören.
Die Straße von Hormuz – der wichtigste Energiekorridor der Welt – ist ein schmaler Seeweg, der den Persischen Golf mit dem offenen Meer verbindet. Es gibt keine alternative Route.
Fünf der zehn größten Erdölproduzenten – Saudi-Arabien, Iran, Irak, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait – liegen am Persischen Golf, ebenso wie Katar, der größte LNG-Exporteur der Welt. Täglich werden etwa 20 Millionen Barrel Öl (20 % der Weltproduktion, rund 1,4 Mrd. USD/Tag) sowie 20 % der weltweiten LNG-Exporte durch diese Meerenge verschifft.

An ihrer engsten Stelle ist die Straße von Hormuz nur 3,2 Kilometer breit.

Eine Unterbrechung wäre eine ausgewachsene Energiekrise: Die Preise würden explodieren, die Finanzmärkte ins Chaos stürzen.
Dank seiner geostrategischen Lage und Erfahrung mit asymmetrischer Kriegsführung kann der Iran die Meerenge schließen – und es gäbe kaum Gegenmaßnahmen. Pentagon-Kriegsspiele zeigen: In einem großen Krieg könnte die US-Marine die Passage nicht offenhalten. Der Iran könnte zudem Öl-Infrastruktur in der gesamten Golfregion zerstören.
Seit 1979 versuchen die USA, die iranische Regierung zu stürzen, doch die Kontrolle über die Meerenge wirkte abschreckend. Nun könnte diese Abschreckung bröckeln.
Historische Ölkrisen im Vergleich
- 1973: 5 Mio. Barrel (9 % des Angebots) fielen weg → Ölpreis vervierfachte sich.
- 1979: 4 Mio. Barrel (6 % des Angebots) weg → Ölpreis verdreifachte sich.
- 1990: 4,3 Mio. Barrel (7 % des Angebots) weg → Ölpreis mehr als verdoppelte sich.
Eine Sperrung der Straße von Hormuz würde sofort 20 Mio. Barrel (20 % des Angebots) vom Markt nehmen – der größte Angebotsschock aller Zeiten. Öl könnte auf über 275 USD/Barrel steigen – und das wäre konservativ geschätzt.

Folgen für die Finanzmärkte
Die Zentralbanken können Liquidität bereitstellen, aber kein Öl produzieren. Ein solcher physischer Versorgungsschock wäre durch Geldpolitik nicht zu beheben. Selbst eine gesteigerte Produktion in den USA und Russland könnte das Defizit nicht schnell ausgleichen.
Der Preisschock würde die Derivatemärkte massiv treffen: Futures, Optionen, Swaps – überall Verluste, Nachschussforderungen, Liquiditätsengpässe und potenzielle Zahlungsausfälle. Große Banken wären unmittelbar betroffen.
Das könnte eine Kaskade globaler Zahlungsausfälle auslösen, schlimmer als 2008.
Fazit
Eine Blockade der Straße von Hormuz ist ein glaubwürdiger Auslöser für eine weltweite Wirtschaftskrise. Irans wahre „nukleare Option“ ist kein Sprengkopf, sondern eine finanzielle Massenvernichtungswaffe: die Blockade dieser Passage, ein explodierender Ölpreis und eine Derivaten-Kettenreaktion, die das Herz des globalen Finanzsystems trifft.