6. September 2025

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Financial Sense: Wie Stablecoins die globale Machtverteilung neu gestalten

Financial Sense: Wie Stablecoins die globale Machtverteilung neu gestalten

04.09.2025
Einleitung: Stablecoins, Staatskunst und die neue Dollar-Megastruktur

Wenn die meisten Menschen an digitales Geld denken, denken sie an Bitcoin oder digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) wie den digitalen Yuan in China. Aber unter der Oberfläche findet eine stillere Revolution statt – eine, die die globale Währungsmacht neu gestaltet. Im Zentrum dieser Transformation steht das, was Izabella Kaminska, Gründerin von The Blind Spot, als „Redollarisierung“ bezeichnet: die Wiederbelebung der monetären Dominanz der USA durch den Aufstieg der Stablecoins.

Diese digitalen Token, die an Fiatwährungen gekoppelt sind und über öffentliche Blockchains gehandelt werden, entwickeln sich zu einem unverzichtbaren Instrument der Finanzpolitik. Wie Kaminska erklärt, sind Stablecoins nicht nur eine technologische Verbesserung – sie definieren neu, wer die globalen Geldströme, Schulden und den wirtschaftlichen Einfluss kontrolliert.

In dieser neuen Ära nutzen die USA Stablecoins, um die Nachfrage nach US-Staatsanleihen zurückzuholen, ihre fiskalpolitische Basis zu stärken und den Status des Dollar als Weltreservewährung zu festigen. Die daraus resultierende „Dollar-Megastruktur“, die durch Blockchain und regulatorische Veränderungen wie den Genius Act angetrieben wird, stellt eine mächtige Form der digitalen Staatskunst dar.

Kaminskas Bericht gibt der Debatte eine neue Perspektive: Bei Stablecoins geht es um weit mehr als nur Effizienz oder Innovation – es geht um Macht, Souveränität und die zukünftige Weltordnung. In den folgenden Abschnitten werden Kaminskas Hauptargumente aufgeschlüsselt und die historischen Wurzeln von Stablecoins, der Niedergang von CBDCs, die regulatorische Wende und – am wichtigsten – das geopolitische Schachspiel, das sich derzeit durch die Einführung von Stablecoins abzeichnet, untersucht.

Stablecoins: Alter Wein in neuen digitalen Flaschen

Auf den ersten Blick mögen Stablecoins wie eine technologische Neuheit erscheinen – kryptografische Token, die an Fiatwährungen gekoppelt sind und über öffentliche Blockchains gehandelt werden. Kaminska widerlegt jedoch schnell die Vorstellung, dass Stablecoins ein völlig neues Phänomen sind. „Stablecoins sind faszinierend“, sagt sie, betont aber, dass ihre Struktur „eine beständige Struktur ist, die wir in der Finanzwelt immer wieder sehen“.

Sie zieht eine direkte Linie von Stablecoins zurück zu Geldmarktfonds, traditionellen E-Commerce-Zahlungssystemen wie PayPal und sogar Currency-Board-Systemen – die alle in der einen oder anderen Form „das konventionelle zweistufige Finanzsystem umgehen“. Dieses wiederkehrende Muster, erklärt Kaminska, besteht darin, dass „Schattenbankmechanismen“ entstehen, um Lücken im bestehenden System zu füllen, und Alternativen bieten, die manchmal mit dem Mainstream-Bankwesen konkurrieren und es manchmal bedrohen.

Das Neue an Stablecoins ist jedoch ihr „echtes Alleinstellungsmerkmal“ – die Möglichkeit, Transaktionen direkt über öffentliche Blockchains abzuwickeln und damit die traditionellen Bankkanäle zu umgehen. Doch auch hier sieht sie Parallelen zur Vergangenheit: „Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die Eurodollar-Märkte entwickelt haben… Transaktionen außerhalb des US-Bankensystems.“ Die Lehre daraus? Finanzinnovationen erfinden oft alte Ideen in neuen technologischen Formen neu.

CBDCs: Vom Hype zur Zurückhaltung

Wenn Stablecoins auf dem Vormarsch sind, wie sieht es dann mit den digitalen Währungen der Zentralbanken aus, den viel diskutierten digitalen Dollar, Euro und Yuan? Kaminska ist sich sicher: „CBDCs haben einen schlechten Ruf. Niemand will mehr darüber sprechen – außer den Europäern.“ Nur die EZB, so bemerkt sie, wirbt noch für den digitalen Euro, während andere Zentralbanken von der Idee Abstand genommen haben.

Dies ist eine deutliche Kehrtwende gegenüber der Situation vor wenigen Jahren, als unter den Zentralbankern „eine solche Begeisterung für CBDCs herrschte“. Der Reiz lag auf der Hand: eine bahnbrechende Technologie, mehr Kontrolle und eine direkte Verbindung zwischen Zentralbanken und Bürgern. Doch die Nachteile wurden schnell deutlich:

• Disintermediation privater Banken: CBDCs drohten, das zweistufige Bankensystem zu kippen und zu viel Macht in der Zentrale zu konzentrieren.

• Überwachungsängste: Die Möglichkeit einer staatlichen Überwachung jeder Transaktion alarmierte sowohl Datenschützer als auch die breite Öffentlichkeit.

• Kulturelle Unvereinbarkeit: Länder wie Großbritannien, die auf eine Geschichte des dezentralisierten Bankwesens zurückblicken, empfanden die Idee von CBDCs für Privatkunden als besonders unattraktiv.

China hat es mit seiner von oben nach unten gerichteten Marktstruktur geschafft, einen digitalen Yuan einzuführen, aber selbst dort „verläuft die Einführung nur langsam, und es besteht eine allgemeine Vorliebe für bestehende E-Geld-Anbieter wie Alipay und WeChat“. Ähnliche Enttäuschungen gab es auch in Nigeria und auf den Bahamas.

Kaminska vermutet, dass CBDCs in vielen westlichen Ländern weniger ein echtes Ziel als vielmehr eine strategische Drohung waren – „ein Druckmittel, um die Banken zu Innovationen und zur Einführung der Tokenisierung zu zwingen“. Mit ihren Worten: „Es sieht langsam so aus, als wäre es eine psychologische Operation gewesen, um die Banken vollständig in den Innovationsmodus zu versetzen.“ Nun, wie sie betont, „erkennt die Zentralbankengemeinschaft langsam, dass es einfach nicht die Nachfrage nach CBDCs geben würde“.

Der regulatorische Wendepunkt: Der GENIUS Act und die Legitimität von Stablecoins

Während CBDCs ins Stocken geraten sind, haben Stablecoins einen Aufschwung erlebt, insbesondere in den USA. Eine wichtige Entwicklung ist die kürzlich erfolgte Verabschiedung des GENIUS Act, der eine 100%ige Reserveunterlegung für alle Stablecoins vorschreibt, die auf dem US-Markt ausgegeben oder gehandelt werden. Kaminska sieht darin einen Wendepunkt:

„Schlimmer noch, es kommen US-Stablecoins hinzu, die bereits existieren und die niemand mit einer öffentlichen Bilanz finanzieren musste, und die Ihre CBDC komplett zerstören. Ich meine, das wäre schrecklich.“

Der GENIUS-Act (Guiding and Establishing National Innovation for U.S. Stablecoins) zielt darauf ab, „die Onshore-Emission zu normalisieren“ und sicherzustellen, dass Stablecoins vollständig durch sichere Vermögenswerte – hauptsächlich US-Staatsanleihen – gedeckt sind. Dies schützt nicht nur die Nutzer, sondern stellt auch sicher, dass das Wachstum von Stablecoins direkt die US-Staatsanleihemärkte unterstützt.

Die Besorgnis Europas ist spürbar. Wie Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, eingeräumt hat, gibt es echte Befürchtungen, dass Dollar-Stablecoins „Ersparnisse aus dem Euro-System abziehen“ könnten. Da dollarbasierte Stablecoins mittlerweile den größten Teil des Marktes ausmachen, hat sich die Debatte darauf verlagert, wie andere Währungsräume konkurrieren können.

Redollarisierung und Staatskunst: Die Geopolitik des digitalen Geldes

Kaminskas vielleicht originellste und weitreichendste Analyse ist ihre These, dass Stablecoins mittlerweile ein Instrument der Finanzpolitik sind – ein Mechanismus zur „Redollarisierung“ und zur Stärkung der wirtschaftlichen Macht der USA. Sie weist darauf hin, dass alle Wege – CBDCs, Stablecoins oder tokenisierte Vermögenswerte – zu einem engeren Bankmodell führen: „Unabhängig davon, wie der Übergang aussieht, ist ein engeres Bankwesen das Ergebnis.“ Das bedeutet eine stärkere Besicherung, eine weniger elastische Geldschöpfung und eine Prämie für die sichersten Sicherheiten: Staatsanleihen.