30. Juni 2025

ddbnews.org

Neuigkeiten / Berichte / Informationen

Digitale Ernte – BlackRock, Vanguard, State Street: Aktionäre im Schatten

 

Colin Todhunter

Sie verkaufen kein Saatgut, besitzen keine Traktoren, betreiben keine Lagerhäuser und transportieren kein Getreide – und doch gehören BlackRock, Vanguard und State Street zu den mächtigsten Akteuren der globalen Landwirtschaft. Gemeinsam kontrollieren diese drei Vermögensverwalter über 26 Billionen US-Dollar an Vermögenswerten – mehr als das Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten und Indiens zusammen. Sie sind Anteilseigner fast aller großen Agrarkonzerne: Bayer, Cargill, ADM, Nestlé, Deere & Co. und viele mehr. Sie konkurrieren nicht – sie besitzen gemeinsam. Und durch dieses Miteigentum üben sie Macht aus.

Das ist kein Kapitalismus im Sinne freien Wettbewerbs. Das ist Kapitalismus als stille Koordination.

Diese Firmen müssen keine politische Agenda verkünden – sie gestalten die Strukturen, in denen politische Entscheidungen getroffen werden. Ihr Einfluss ist nicht laut oder plakativ, sondern strukturell: über Vorstandsetagen, Aktionärsbeschlüsse und Kapitalströme. Und er bleibt der Öffentlichkeit weitgehend verborgen.

Doch seine Folgen sind überall spürbar.

Laut dem Bericht „Food Barons 2022“ der ETC Group halten BlackRock, Vanguard und State Street dominierende Anteile entlang der gesamten Lebensmittelkette – von Saatgut und Chemikalien bis hin zu Supermärkten und Logistikplattformen. In vielen Bereichen sind sie die drei größten Anteilseigner der jeweiligen Unternehmen. Das bedeutet: Der „Wettbewerb“ zwischen Bayer und Syngenta oder zwischen Nestlé und PepsiCo ist oft nur ein Schauspiel. Die wirkliche Macht sitzt im Hintergrund.

Dabei betreiben diese Akteure kein Mikromanagement. Müssen sie auch nicht. Ihre Macht liegt in der Abstimmung – darin, zu definieren, was als Wert gilt, was als Risiko und was als akzeptables Verhalten. Dieses Verhalten wird zunehmend durch ESG-Kriterien geprägt: Umwelt, Soziales, Unternehmensführung.

Doch ESG ist kein moralischer Kompass. Es ist ein Risikorahmen.

In den letzten Jahren haben sich BlackRock und Co. als klimabewusste Investoren inszeniert. Sie sprechen von „Netto-Null“, „Übergangsfinanzierung“ und „nachhaltiger Landwirtschaft“. Doch das Ziel ist nicht die Dekarbonisierung des Ernährungssystems – es geht darum, Portfolios abzusichern.

Dieselben Unternehmen, die in fossile Brennstoffe investieren, finanzieren auch CO₂-Kompensationsprojekte. Dieselben, die industrielle Landwirtschaft fördern, unterstützen „klimafreundliche“ Saatguttechnologien. Das ist keine Transformation – das ist Absicherung.

Und in Indien zeigt sich, wohin das führt.

Großinvestoren finanzieren Landleasing-Plattformen, Agrar-Fintech-Start-ups und CO₂-Zertifikate-Aggregatoren, die versprechen, den „Wert“ von Ackerland zu „heben“. Doch dieser „Wert“ bedeutet oft, dass Bauern in neue Abhängigkeiten geraten – von digitalen Ratings, regulatorischer Compliance und spekulativen Märkten, die sie nicht kontrollieren können.

Das ist keine Investition – das ist Ausbeutung mit grünem Etikett.

Der gefährlichste Wandel in der Landwirtschaft ist heute kein technologischer, sondern ein finanzieller. Land ist nicht mehr nur Ort der Nahrungsproduktion – es ist eine Anlageklasse, eine Absicherung gegen Inflation, ein Ort der Datensammlung und CO₂-Spekulation.

In diesem Modell ist der Bauer kein Produzent mehr – sondern Pächter in der Bilanz eines anderen.

Und diese Bilanz ist global.

BlackRock muss das Land nicht selbst besitzen. Es reicht, wenn es das Unternehmen besitzt, das das Unternehmen besitzt, das das Land verpachtet. Über komplexe Investmentstrukturen wird Ackerland gebündelt, verbrieft und gehandelt – oft, ohne dass die dort lebenden Menschen es wissen.

Das ist Einhegung ohne Zäune. Kontrolle ohne Regierung.

Diese Vermögensverwalter geben sich gern als passive Investoren. Sie behaupten, nur dem Markt zu folgen, nicht aktiv zu steuern. Doch wer 5–10 % aller großen Unternehmen einer Branche besitzt, ist nicht Beobachter – er ist der Markt.

Und wer über Aktionärsbeschlüsse abstimmt, Vorstandsmitglieder bestimmt und Vergütungen festlegt, ist nicht passiv – sondern steuernd.

Im Jahr 2023 stimmten BlackRock und Vanguard gegen Anträge, die Agrarkonzerne zur Offenlegung ihrer Auswirkungen auf Entwaldung und Landrechte verpflichten sollten. Die Begründung: zu „präskriptiv“. In Wahrheit verteidigten sie damit die Freiheit, unbeobachtet zu handeln.

Was BlackRock, Vanguard und State Street so gefährlich macht, ist nicht Bosheit. Es ist Struktur. Sie müssen sich nicht absprechen – ihre Anreize sind ohnehin aufeinander abgestimmt. Ihre Werkzeuge sind abstrakt, ihre Macht zeigt sich in Abwesenheit: von Regulierung, Transparenz, Rechenschaft.

Sie sind nicht die Bösewichte der Geschichte. Sie sind die Architektur.

Und genau das macht sie so schwer angreifbar.

Ernährungssouveränität bedeutet heute nicht nur Kontrolle über Saatgut oder Land. Es geht um Macht. Und Macht ist heute finanziell – sie fließt durch Indizes, Benchmarks und Kapitalströme. Sie entscheidet, welche Pflanzen angebaut werden, welche Firmen überleben und welche Zukunft gefördert wird.

Ganz ohne den Boden jemals zu berühren.

 

 

Digitale Ernte – BlackRock, Vanguard, State Street: Aktionäre im Schatten