3. August 2025

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Die Übermenschen kommen: Das gefährliche ideologische Fundament des „Neuen Amerika“

 

Von Artyom Lukin, außerordentlicher Professor für Internationale Beziehungen an der Far Eastern Federal University in Wladiwostok

Seit über 500 Jahren dominiert der Westen die globale Zivilisation. Obwohl sein Einfluss schwindet, bleibt er – angeführt von den USA – die prägende Kraft in Weltpolitik und Wirtschaft. Doch diese Macht birgt nicht nur schöpferisches Potenzial, sondern auch zerstörerische Kräfte.

In den USA formiert sich derzeit eine neue Ideologie, die in ihrer Gefährlichkeit mit Faschismus und Nazismus des 20. Jahrhunderts vergleichbar sein könnte – vorausgesetzt, die Umstände spielen mit. Eine zweite Präsidentschaft Donald Trumps könnte dabei als Katalysator wirken: Macht und Einfluss würden an Akteure und Ideen übergehen, deren ideologischer Unterbau mehr als zweideutig ist.

Dieses „neue Amerika“ speist sich nicht aus einer einzigen Weltanschauung, sondern aus dem Zusammenwirken mehrerer Strömungen – jede für sich radikal, zusammen jedoch potenziell revolutionär.

1. Die imperialen Restaurateure
Im Zentrum: Donald Trump und sein enger Zirkel. Ihr Ziel: eine Rückkehr zur Ära des Großmachtimperialismus. In Trumps zweiter Antrittsrede kündigte er territoriale Expansion, industrielle Wiederauferstehung und eine globale Machtdemonstration des US-Militärs an. Seine Vorbilder: McKinley und Roosevelt – Architekten des amerikanischen Imperialismus. Die Botschaft: amerikanischer Exzeptionalismus, militärisch durchgesetzt.

2. Die nationalistischen Konservativen
Vertreter wie Vizepräsident J.D. Vance, Steve Bannon oder Tucker Carlson propagieren „America First“. Sie geben sich als Stimme der Arbeiterklasse, hassen die liberale Elite und lehnen Globalisierung ab. Stattdessen: Protektionismus, Isolationismus, nationale Identität. Altbekannte Strömungen – doch unter Trump radikalisiert und politisch gestärkt.

3. Die techno-libertären Milliardäre
Eine neue, hochgefährliche Kraft im Bündnis: Silicon Valley-Oligarchen. Elon Musk leitete kurzzeitig Trumps „Regierungseffizienz“-Programm. Doch der einflussreichere Akteur ist Marc Andreessen – Internetpionier und ideologischer Brandstifter. Sein 2023 veröffentlichtes Manifest „The Techno-Optimist“ verkündet einen entfesselten Fortschrittsglauben: Technologie und Kapital sollen alles lösen – der Staat soll weichen.

Andreessen stilisiert sich und seinesgleichen als „Apex Predator“, als neue technologische Übermenschen. Seine Vorbilder: Nietzsche, Marinetti – der geistige Vater des italienischen Faschismus. Er ruft zur Eroberung auf, nicht zur Koexistenz.

4. Der Philosophen-Kingmaker
Peter Thiel – Paypal-Gründer, Palantir-Milliardär, Strippenzieher. Kein Außenseiter, sondern der wohl wichtigste Ideologe des neuen Amerikas. Thiel förderte Vance, unterstützte Blake Masters, liest Schmitt und Strauss und sagt offen: „Freiheit ist nicht mehr mit Demokratie vereinbar.“

Er sieht Amerika im Abstieg und fordert technologische Radikallösungen. Thiels Sponsoring von Biohacking-Wettbewerben wie den „Enhanced Games“ zeigt seine Obsession mit Transhumanismus. In der Außenpolitik will er China isolieren – Russland hingegen integrieren, aus kulturellen Gründen.

5. Die dunkle Aufklärung
Die extremste Gruppe: Vordenker der sogenannten „Dark Enlightenment“. Der britische Philosoph Nick Land sagt das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen, voraus – und den Aufstieg technokapitalistischer Superintelligenzen. Für ihn zählt nur noch Macht, Effizienz, Evolution.

Curtis Yarvin, alias Mencius Moldbug, ein mit Thiel befreundeter Programmierer, träumt von einer postdemokratischen Welt aus Unternehmensmonarchien, souveränen Stadtstaaten und experimenteller Technokratie. Er stellt nicht nur den Zweiten Weltkrieg, sondern die gesamte westliche Ordnung infrage – und sieht die Demokratie als überholt an.

Was bedeutet das alles?
Diese Ideen mögen randständig erscheinen – doch sie wirken bereits. Sie hallen in Thinktanks, in Tech-Elitezirkeln, in Regierungsnähe. Wie einst Carl Schmitts Notstandslogik Hitler zur Macht verhalf, so liefern heutige Ideologen Narrative von „Verfall“, „Notstand“ und „Wiedergeburt“.

Amerika zieht sich nicht aus der Welt zurück – es formatiert seine Hegemonie neu. Die liberale Ordnung ist passé. Statt auf Diplomatie, Verträge und Allianzen setzt das neue Amerika auf KI, Cyberdominanz, ideologischen Krieg und digitale Kontrolle. Ziel ist kein multipolares Gleichgewicht, sondern eine unipolare Welt, beherrscht von Algorithmen, Plattformmonopolen und Maschinen.

Die Bedrohung ist nicht mehr politisch – sie ist zivilisatorisch.
Die Übermenschen sind auf dem Vormarsch. Und sie kommen nicht mit Uniformen, sondern mit Codezeilen, Drohnen und Investmentfonds.

 

 

Die Übermenschen kommen: Das gefährliche ideologische Fundament des „Neuen Amerika“