Von Tanvi Ratna über The Epoch Times
Als die europäischen Staats- und Regierungschefs letzte Woche im Oval Office zusammenkamen – Macron, von der Leyen, Starmer, Merz – machte das Foto schnell die Runde. Präsident Trump saß hinter dem Resolute Desk, flankiert von Persönlichkeiten von jenseits des Atlantiks. Die Körperhaltung, die Optik, der Rahmen – alles schien ein bekanntes Narrativ zu bestätigen: Washington führt, Europa folgt.
Doch das wahre Gleichgewicht des Einflusses wird nicht in Bildern festgehalten. Es liegt in leiseren Mechanismen, den Systemen unter der Oberfläche, die die Verhandlungen zunehmend bestimmen. Im Zentrum dieser unsichtbaren Machtstruktur steht eine wenig beachtete Institution mit Sitz in Belgien: SWIFT.
Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt ist die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication zu einem entscheidenden Hebel geworden. Obwohl sie oft fälschlicherweise als bloße Nachrichtenplattform angesehen wird, ist sie heute ein strategisches Instrument, das die Möglichkeit bietet zu überprüfen, einzufrieren und auszuschließen.
Und in diesem Krieg hat sich der Ausschluss von SWIFT als wirtschaftlich folgenschwerer erwiesen als jeder einzelne Verlust auf dem Schlachtfeld.
Rosselkhozbank als Schlüsselfall
Ein Fall verdeutlicht, was auf dem Spiel steht: die russische Rosselkhozbank.
Sie spielt eine zentrale Rolle in der ländlichen Wirtschaft Russlands, was den meisten außerhalb der Finanzwelt nicht bewusst ist. Sie finanziert etwa 15 Prozent des Agrarsektors des Landes, einschließlich der Ausfuhr von Düngemitteln und der Verschiffung von Getreide.
Moskau hat die Wiederanbindung an SWIFT immer wieder zur Bedingung für die Ausweitung von Getreidegeschäften im Schwarzmeerraum gemacht – ein klares Signal, wie wichtig der Zugang für die Aufrechterhaltung auch nicht-militärischer Wirtschaftsströme ist.
Doch der Zugang bleibt beschnitten. Ohne SWIFT kann die Rosselkhozbank grenzüberschreitende Zahlungen nicht zuverlässig abwickeln.
Alternativen wie das russische SPFS sind begrenzt, mit Sanktionsrisiken behaftet und werden selbst von einigen engen Partnern Moskaus gemieden. Chinesische und türkische Finanzinstitute zeigen sich zunehmend misstrauisch. Die OFAC-Prüfung macht die Teilnahme kostspielig. In der Praxis müssen russische Exporte ohne SWIFT auf Umwege ausweichen, die mit Unsicherheit und Verzögerungen verbunden sind.
Washingtons Flexibilität vs. Europas Prinzipien
Seit dem Gipfeltreffen zwischen Trump und Putin in Alaska hat das Weiße Haus die Idee einer gezielten Erleichterung ins Spiel gebracht – Prozessbefreiungen, die an Fortschritte in humanitären Fragen, im Rohstoffhandel oder sogar an einen Waffenstillstandsfahrplan geknüpft sind.
Dieser Ansatz spiegelt eine umfassendere Strategie wider: selektive Sanktionserleichterungen als Druckmittel, nicht als Zugeständnis.
Doch Europa ist da anderer Meinung. Bei einem Treffen in Paris Anfang des Jahres bekräftigten die Staats- und Regierungschefs der EU ihren Standpunkt: Kein Zugang zu SWIFT für russische Banken, solange sie sich nicht vollständig aus den besetzten ukrainischen Gebieten zurückziehen.
Für Brüssel ist das nicht nur Verhandlungstaktik, sondern ein Prinzip. Die EU-Kommission bekräftigte dies und erklärte den Rückzug Russlands zur „nicht verhandelbaren Vorbedingung“ für eine finanzielle Wiedereingliederung.
Diese Divergenz ist signifikant: Während Washington Sanktionen als flexibles Instrument betrachtet, sieht Brüssel sie als unumstößlich.
Und im Falle von SWIFT hat Brüssel den administrativen Schlüssel in der Hand. Trotz des amerikanischen Einflusses untersteht SWIFT der Rechtsprechung der EU. Entscheidungen über Mitgliedschaft, Wiederanbindung und Einhaltung der Vorschriften werden von Belgien getroffen, nicht von Washington.
Rosselkhozbank als Präzedenzfall
Für den Kreml ist die Rosselkhozbank mehr als eine Bank – sie ist ein Keil. Wenn ein Institut aus humanitären Gründen wieder angeschlossen werden kann, öffnet sich die Tür für andere: Gazprombank, Sberbank. Jede Wiederanbindung wäre ein Präzedenzfall, jede Ausnahme eine potenzielle Aushöhlung der Sanktionsmauer.
Russlands Strategie ist klar: Getreideexporte werden an Bankenzugang geknüpft, Waffenstillstandsvorschläge an Transaktionsrouten. Indem Moskau finanzielle Konnektivität als humanitäre Notwendigkeit darstellt, verwandelt es operative Anforderungen in ein Druckmittel für Verhandlungen.
Zerreißprobe für die Einheit
Die transatlantische Kluft ist real. Die Trump-Administration bevorzugt Flexibilität, um Zugeständnisse zu erzwingen, während europäische Institutionen auf strikte Konditionalität bestehen.
Dieser Unterschied ist nicht nur rhetorisch. EU-Sanktionen müssen alle sechs Monate einstimmig erneuert werden. Ungarn droht weiter mit Veto. Einige europäische Hauptstädte befürchten, dass der innere Zusammenhalt bröckeln könnte, wenn Washington stärker auf Flexibilität drängt.
Leise Stimmen warnen: Die Einheit der Sanktionen ist keine Selbstverständlichkeit – sie ist an Bedingungen geknüpft und endlich.
Staatskunst durch Infrastruktur
Das Paradoxe: Die USA führen die NATO-Streitkräfte, die Diplomatie und stellen den Großteil der Finanzhilfe für die Ukraine. Doch Europa besitzt mit SWIFT die nachhaltigere Macht über Russlands wirtschaftlichen Wiedereintritt.
Es ist Staatskunst durch Infrastruktur – nicht durch Waffen, sondern durch Systeme.
Deshalb hat die scheinbar nebensächliche Frage der Rosselkhozbank strategisches Gewicht. Sie ist ein Test:
- Bleibt die Sanktionspolitik intakt oder beginnt sie zu bröckeln?
- Ist die transatlantische Einheit belastbar oder nur bedingt haltbar?
- Kann Europas Prinzipienfestigkeit Washingtons Flexibilitätsdrang standhalten?
Trumps Foto mit den europäischen Staats- und Regierungschefs mag die Schlagzeilen beherrschen. Doch die Entscheidungen, die das Endspiel des Krieges bestimmen, könnten in Brüssel fallen – nicht in Washington.
Die Macht hinter dem Bild: Warum SWIFT, nicht Sanktionen, das Endspiel um die Ukraine bestimmen kann