27. Dezember 2025

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Deutschlands High-Tech-Agenda: Gefangen in der Subventionsschleife

 

Von Thomas Kolbe

Deutschland fällt in den Zukunftsbereichen der Wirtschaft zurück. Ob künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Biotech oder Quantentechnologie – die USA und China machen die Schlagzeilen. Eine High-Tech-Agenda der Bundesregierung soll diese Lücke schließen.

Am Mittwoch präsentierten Kanzler Friedrich Merz und Forschungsministerin Dorothee Bär in Berlin die High-Tech-Agenda der Bundesregierung. Im Zentrum der Initiative steht ein staatlicher Subventionsfonds, der künftig vorselektierte Hochtechnologieprojekte wie künstliche Intelligenz anschieben soll.

Natürlich – wie könnte es anders sein – stehen grüne Projekte, klimaneutrale Ansätze in den Bereichen Quantentechnologie, Mobilität und anderen sogenannten Zukunftsfeldern im Vordergrund des politischen Engagements.

Subventionstopf und Steuerung

Der Technologiefonds soll bis 2029 bis zu zwei Milliarden Euro bereitstellen. „Wir wollen den technologischen Rückstand zu den USA aufholen“, forderte Kanzler Merz – mit mehr Wettbewerb, weniger Bürokratie und technologieoffenen Verfahren, so der Kanzler.

Diese Wettbewerbslücke ist inzwischen so groß, dass internationale Investoren Europa auf ihrer strategischen Landkarte kaum noch finden.

Die Tech-Initiative wird, wie immer, von politischen Schlagwörtern begleitet, wie der notwendigen Bürokratieabbau und schnellen Genehmigungsverfahren.

Das klingt charmant, es klingt bürgerfreundlich und vor allem suggeriert es ein Interesse am Florieren des Mittelstands – ein medialer Evergreen.

Doch unter der glatten Präsentationsoberfläche verbirgt sich dasselbe alte Spielbuch: Ein Problem wurde identifiziert, ein maßgeschneiderter Subventionstopf mit frischen Krediten gefüllt – stets ausgerichtet an der politisch-ideologischen Linie der Klimaregulierung. Verständnis für marktwirtschaftliche Dynamiken, offene Märkte oder Technologieneutralität? Fehlanzeige.

Selbst Merz‘ wiederholtes Lippenbekenntnis zu Wettbewerbsfähigkeit und Marktwirtschaft ändert nichts: Die Bundesregierung ignoriert den realen Kapitalmarkt, bis Deutschland endgültig vom internationalen High-Tech-Radar verschwunden ist.

Wettbewerbsfähigkeit als komplexes Problem

Die Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaft ist eine heikle Angelegenheit. Manchmal ist es der Fachkräftemangel, manchmal fehlendes Investitionskapital. Dann wieder lasten Vorschriften, steuerliche Belastungen oder mangelnder Zugang zu Ressourcen auf der Performance der Unternehmen. Im Falle Deutschlands scheint tatsächlich jede dieser Bedingungen erfüllt zu sein.

Hochqualifizierte junge Deutsche verlassen in Scharen das Land. Ausländische Direktinvestitionen fließen woanders hin. China droht, den Ressourcenhahn zuzudrehen – und über die kafkaeske Regulierungswerk, die überquellende Bürokratie und die stetig steigenden Belastungen für Unternehmen und Arbeitnehmer haben wir regelmäßig berichtet.

Deutschland müsste im Wettbewerbsumfeld ganz klein als Anbieter von Nischenprodukten anfangen. Um das Problem ins Verhältnis zu setzen: Der Graben zwischen Deutschlands Wirtschaft und den USA in den Bereichen künstliche Intelligenz und boomende Rechenzentren ist enorm.

Allein in diesem Jahr pumpt Microsoft 80 Milliarden Dollar in seine KI-Rechenzentren, Google folgt mit 75 Milliarden, Meta mit 65 Milliarden. Die gesamte Branche in den USA investiert Jahr für Jahr weit über eine halbe Billion Dollar in ihre Hochtechnologie-Infrastruktur – angetrieben durch den marktwirtschaftlichen Prozess einer weitgehend deregulierten Wirtschaft.

Hier liegt das Erfolgsgeheimnis. Europas politische Experimente – sei es Zensur oder die angedrohte Besteuerung US-amerikanischer Digitalplattformen, wie jüngst von Kulturminister Wolfram Weimar gefordert – werden nichts an der Wettbewerbssituation deutscher Firmen ändern.

Innovation entsteht nicht durch politische Subventionspakete, Regulierung oder fiskalische Schikane, sondern durch massive, konsistente Investitionen der Privatwirtschaft in freien Märkten, die Hochtechnologie zu einem Standortvorteil machen.

Deutschland abgeschlagen

Wie weit der deutsche Wirtschaftsstandort zurückliegt, zeigt das Beispiel der Deutschen Telekom: Zusammen mit dem US-Unternehmen NVIDIA investiert sie „nur“ eine Milliarde Euro in ein KI-Rechenzentrum in München. Dem steht Intel gegenüber, das eine Subvention von zehn Milliarden Euro ablehnte und sich gegen einen Standort für die Chipproduktion in Magdeburg entschied.

Eine Fallstudie der wirklichen Probleme des Standorts: zu hohe Energiekosten, erdrückende Regulierung, fiskalisch unattraktiv. Hier wird deutlich, dass politische Subventionspakete allein die Lücke zu den globalen Vorreitern nicht schließen können. Sie sind sogar kontraproduktiv, weil sie politisch-selektiv den Wettbewerb schwächen und Kapital binden.

Wenn man international wettbewerbsfähig sein will, braucht man marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen, die Unternehmen nicht abschrecken, sondern anziehen.

In falscher Gesellschaft

Die Klage aus der Wirtschaft im Land klingt immer gleich: Dem Standort fehlt es massiv an Wettbewerbsfähigkeit. Die Kritik der deutschen Konzerne – weil man hierzulande Kanzler und Minister noch regelmäßig im Dialog trifft – scheint zumindest in der Diagnosearbeit Früchte zu tragen. Sowohl der Kanzler als auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche betonten letzte Woche unisono die Wettbewerbslücke, die sich zwischen der deutschen Wirtschaft und den führenden Standorten – allen voran den USA und China – aufgetan hat.

Zu teuer, zu überreguliert, zu langsam, resümierte Friedrich Merz gestern in seiner Berliner Rede. So kann es nicht weitergehen. Verwaltungsaufgaben, Genehmigungsverfahren, allgemeine bürokratische Prozesse müssen schlanker werden. Insgesamt müsse ein anderes Wettbewerbsklima herrschen, sagte der Kanzler.

Im Prinzip ist es bei der Politik immer das gleiche Problem. Es ist medienwirksamer, die große Industrie anzusprechen. Hier bündelt man die Kräfte gemeinsamer Medienarbeit, bekannte Namen, vertraute Gesichter. Das verkauft sich gut. Die strukturellen Probleme sehen wir im Mittelstand. Hier sind die Probleme, die die groteske Regulierungswerk von Brüssel und Berlin produziert, Tag für Tag spürbar.

Hier führt es zu Verzerrungen und erheblichen Belastungen in der Kostenstruktur, wenn ein Exportgeschäft durch ein Lieferkettengesetz oder die europäische Entwaldungsverordnung belastet wird. Großkonzerne haben ihre eigene Verwaltungsabteilung und sind in fact indirekte Nutznießer der Regulierungsarbeit, weil sie lästige Konkurrenz unterdrücken.

Politik auf dem Holzweg

Und so erleben wir die Wiederholung des Immergleichen: Entsetzte Empörung über die wirtschaftliche Schwäche Deutschlands, vollmundige Reformankündigungen zur Beruhigung der Öffentlichkeit, nur um sofort wieder zum Alltagsgeschäft überzugehen und den Kurs beizubehalten.

Nicht von der Hand zu weisen ist, dass von der fröhlich angekündigten Initiative zum Bürokratieabbau – die die deutsche Wirtschaft um bis zu 16 Milliarden Euro oder 25 % der bürokratischen Belastungen pro Jahr entlasten sollte – nichts übrig geblieben ist. Merz wollte acht Prozent des öffentlichen Dienstes einsparen, um den Staatshaushalt zu entlasten – ein schöner Traum und eine typische Merz-Zahl: vollmundige Ankündigungen, die dann, in der Hoffnung, dass bald andere Themen sie zudecken, in der Woge des täglichen Pressespektakels verpuffen.

Aber aus all den Auftritten des Kanzlers, seines Finanzministers Lars Klingbeil und der Wirtschaftsministerin schimmert dennoch eine letzte Hoffnung durch. Das große Schuldenpaket, getarnt unter dem Euphemismus des „Sondervermögens“, soll nun die große Wende bringen.

Wie Lars Klingbeil vor einer Woche in New York während des UN-Kongresses sagte: Für Unternehmen öffnet sich ein einzigartiges Zeitfenster – ermöglicht durch das massive Engagement des Staates in den kommenden Jahren. Die Rechnung ist einfach: Subventionen, Preisgarantien, Hilfen für die explodierenden Energiekosten sollen einzelne Unternehmensbilanzen aufbessern.

Merz hätte sich mit dem Management von Intel intensiv über den deutschen Standort austauschen sollen. Was muss schief laufen, damit ein Unternehmen – trotz interner Probleme – eine Subvention von zehn Milliarden Euro ablehnt, die etwa ein Drittel der Gesamtinvestition getragen hätte, und stattdessen den US-Standort vorzieht?

Solange die Politik auf diese Frage keine inhaltliche Antwort geben kann, wird sich nichts am Niedergang Deutschlands und am Untergang der Europäischen Union ändern.

 

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