23. Oktober 2025

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Deutschland drohen Verluste, Polen profitiert vom neuen EU-Energieentscheid.

 

Andrew Korybko

Polens Rolle bei der Versorgung Mittel- und Osteuropas mit zusätzlichem US-Flüssiggas (LNG) dürfte den Einfluss Deutschlands in dieser Region schwächen und Polens Wiederaufstieg zu einer verlorenen Großmacht beschleunigen.

Der Europäische Rat hat beschlossen, dass der Import von russischem Gas ab dem kommenden Jahr in der gesamten EU verboten wird – allerdings mit unterschiedlich langen Übergangsfristen für Länder mit kurz- und langfristigen Verträgen, von denen die längste bis zum 1. Januar 2028 dauern wird. Der Rat hatte zuvor zugegeben, dass Pipelinegas und LNG zusammen im vergangenen Jahr etwas weniger als ein Fünftel der Importe des Blocks ausmachten. Erwähnenswert ist auch, dass die EU weiterhin russisches Öl importiert – teils indirekt –, was sich ebenfalls als skandalös erwiesen hat.

Nichtsdestotrotz wird der Plan der EU, das verbleibende Fünftel ihrer Gasimporte aus Russland zu beenden, ihre Wirtschaft weiter schwächen, da diese Mengen durch teureres US-LNG ersetzt werden. Das wird vorhersehbarerweise dazu führen, dass die Kosten an die Verbraucher weitergegeben werden. Diese Entwicklung war ebenfalls völlig absehbar, da die EU sich im Rahmen ihres unausgewogenen Handelsabkommens vom vergangenen Sommer verpflichtet hat, bis 2028 US-Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen – ein Abkommen, das hier bereits als Schritt zur größten Vasallisierung Europas durch die USA bezeichnet wurde.

Deutschland wird von dieser Entwicklung innenpolitisch wie geostrategisch am stärksten betroffen sein.
Innenpolitisch könnte der weitere Rückgang des Lebensstandards – ausgelöst durch die Weitergabe der höheren LNG-Kosten an die Bevölkerung – den Aufstieg der AfD beschleunigen, was zu erheblichen politischen Veränderungen führen könnte, sollte sie jemals eine Regierung bilden können. Selbst wenn sie von der Macht ferngehalten wird, könnte eine derart offensichtliche Einmischung der Eliten die politische Polarisierung und gesellschaftlichen Spannungen weiter verschärfen.

In geostrategischer Hinsicht steht Polen, das mit Deutschland um den Einfluss in Mittel- und Osteuropa (MOE) konkurriert, in den Startlöchern, eine Schlüsselrolle bei der Versorgung von Tschechien und der Slowakei mit US-LNG über das Terminal in Świnoujście und das geplante in Danzig zu übernehmen. Auch die Ukraine soll beliefert werden. Diese Länder liegen innerhalb der Einflusszone, die Polen im Rahmen der Wiederherstellung seines Großmachtstatus anstrebt. Tschechien und die Slowakei sind zudem zusammen mit Polen Teil der Visegrád-Gruppe.

Auch Ungarn gehört dieser an und könnte über Polen oder das kroatische Krk-Terminal mit US-LNG versorgt werden, dessen Ausbau eines der Prioritätsprojekte der Drei-Meere-Initiative (3SI) ist – gegründet 2015 von Polen und Kroatien, heute jedoch maßgeblich von Warschau geführt. Während Deutschland aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke und seiner Führungsrolle in der EU weiterhin größeren Einfluss auf Mittel- und Osteuropa ausübt, nimmt Polens Einfluss stetig zu – vor allem durch seine künftige Rolle als Versorger mit US-LNG, was diese Länder eines Tages politisch von Berlin lösen könnte.

Die Energiegeopolitik spielt eine zentrale Rolle in der Geostrategie, weshalb die Auswirkungen dieses Trends nicht unterschätzt werden sollten, sofern er sich weiter fortsetzt. Sollte dies der Fall sein, wäre der übergeordnete Trend ein wahrscheinlicher Rückgang des deutschen Einflusses in Mittel- und Osteuropa – ein Prozess, der durch Deutschlands freiwillige Teilnahme am US-geführten Sanktionsregime gegen Russland und anschließend durch den Terroranschlag auf Nord Stream ausgelöst und unumkehrbar gemacht wurde. Im Rückblick könnte man diese Ereignisse als den Beginn einer neuen regionalen Ordnung in Mittel- und Osteuropa betrachten.

Während Deutschland glaubte, Russland eine strategische Niederlage zufügen zu können, war es in Wirklichkeit die USA, die Deutschland eine strategische Niederlage zufügten – indem sie die Umstände schufen, unter denen die Wirtschaft ihres einzigen westlichen Konkurrenten geschwächt wurde.
Gemeinsam mit Polen, dessen von anglo-amerikanischen Kräften unterstützter Wiederaufstieg zur Großmacht einen geopolitischen Keil zwischen Deutschland und Russland treibt, rekonstruieren die USA Europa zu ihren Gunsten – auf Kosten Deutschlands –, um die Eindämmung Russlands nach dem Ukraine-Konflikt dauerhaft zu sichern.

 

Deutschland drohen Verluste, Polen profitiert vom neuen EU-Energieentscheid.