Systematisch wird die Ukraine unter dem Kriegsdruck ökonomisch umgebaut: Westliche Konzerne, Fonds und Geber drängen in Agrar- und Rohstoffsektoren – Wiederaufbaugelder und Investitionsprogramme drohen zur Eintrittskarte für einen großangelegten Ausverkauf zu werden. Das Land wurde längst zur Beute globaler Kapitalinteressen. Und zwar schon vor, während und sicher auch nach dem Krieg.
Von Guido Grandt
Längst schon hat die Filetierung, der Land- und Ressourcenraub der kriegsgebeutelten Ukraine begonnen. Denn das Land ist weitaus mehr, als ein geopolitisches Schlachtfeld. Es ist ein landwirtschaftlicher Riese.
So reich ist die Ukraine an Ressourcen
Nach Russland ist die Ukraine das flächenmäßig zweitgrößte Land Europas. Dabei macht ihr Boden den Unterschied: Die berühmte „Schwarze Erde“ – ein nährstoffreicher Humusboden, der hohe landwirtschaftliche Erträge erwirtschaftet – bedeckt rund 56 % der Landesfläche.
Das entspricht mehr als 32 Millionen Hektar Ackerland, zirka einem Drittel der Ackerfläche der EU, und macht etwa 30 % der weltweiten Schwarzerde-Vorkommen aus.
Vor Ausbruch des Krieges gehörte die Ukraine zu den globalen Schwergewichten in der Agrarproduktion. Sie war drittgrößter Maisexporteur und fünftgrößter Weizenexporteur der Welt und lieferte bedeutende Anteile von Gerste, Sonnenblumenöl, Raps und Zuckerrüben.
Jährlich wurden etwa 60 Millionen Tonnen Getreide produziert, über 50 % davon gingen in den Export. Die Rekordernte lag 2019 bei rund 75 Mio. Tonnen. 2020 wurden ungefähr 64,34 Mio. Tonnen erzielt (zum Vergleich: Deutschland zirka 43,27 Mio. t).
Seit dem russischen Einmarsch 2022 verschlechterten sich Anbau- und Vertriebsbedingungen jedoch massiv. Nach mehr als drei Jahren Krieg ist unklar, wie widerstandsfähig Ernte, Produktion und Lieferketten künftig noch sein werden – die Kornkammer Europas steht unter enormem Druck.
Neben Schwarzer Erde und Getreide besitzt die Ukraine weitere umfangreiche Bodenschätze, wie etwa Steinkohle, Eisenerz, Lithium, Graphit, Mangan, Kalium, Braunkohle, Erdöl und Erdgas.
Schon 2014 begann der „Ausverkauf“ der Ukraine
Im Gefolge des Machtwechsels in Kiew setzte still und nachhaltig eine Neuordnung der Führung des Landes ein: Seit 2014 wanderten zahlreiche Schlüsselposten in Politik und Wirtschaft an Personen mit engen Verbindungen zu westlichen Institutionen und Netzwerken.
Parallel dazu wurde die ökonomische Ausrichtung des Landes schrittweise an westliche Reformvorgaben gebunden.
Das von dem damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko unterzeichnete Assoziierungsabkommen mit der EU – ein Vertrag, den sein russlandfreundlicher Vorgänger Viktor Janukowitsch abgelehnt hatte – wurde begleitet von westlichen Finanzhilfen, die an strukturelle Auflagen geknüpft waren.
Diese Bedingungen förderten eine schnelle Marktliberalisierung: Die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, hob infolge des Reformdrucks das bis dahin gültige Verbot großflächiger Landverkäufe auf und öffnete so den Bodenmarkt für ausländische Investoren und große Agrarkonzerne. Oder anders ausgedrückt: Die Büchse der Pandora!
Zusammengefasst: Politische Neuvernetzung Richtung Westen, außenwirtschaftliche Konditionalität und legislativer Druck schufen die rechtlichen und ökonomischen Voraussetzungen dafür, dass internationale Agrarkonzerne künftig Zugang zu ukrainischem Ackerland erhielten.
Westliche Geldgeber zwangen der Ukraine „Reformprogramme“ auf
Der Ökonom Frédéric Mousseau, Direktor am Oakland Institute in Kalifornien, einer Denkfabrik für Nahrungssicherheit und Landaneignung, schrieb bereits 2015 diesbezüglich:
„Nach der Machtübernahme durch die prowestliche Regierung leitete der IWF als Vorbedingung für die Kreditvergabe ein Reformprogramm ein, das auf die Förderung von Privatinvestitionen im Lande abzielte. Das Maßnahmenpaket beinhaltete auch die Reform der öffentlichen Wasser- und Stromversorgung und die Beseitigung dessen, was die Weltbank als ‚strukturelle Ursachen‘ der derzeitigen ukrainischen Wirtschaftskrise bezeichnet hat: die hohen Kosten für Unternehmen, die in dem Land Geschäfte machen.“
Und: „Der ukrainische Agrarsektor gehört zu den vorrangigen Zielen ausländischer Privatinvestitionen und wird vom IWF und von der Weltbank deshalb als prioritär reformbedürftig eingestuft. Beide Finanzinstitutionen loben die Bereitschaft der neuen Regierung, ihren Empfehlungen zu folgen.“
Leichterer Konzern-Zugriff auf Ackerflächen
Kurzum: Die 2014 eingeleitete Agrarreform ebnete den Weg für einen leichteren Zugriff auf Ackerflächen, eine Lockerung von Regulierungen und Kontrollen im Lebensmittel- und Pflanzenbau sowie für Steuer- und Zollsenkungen zugunsten großer – vor allem auch ausländischer – Konzerne.
Darunter saudische und US-amerikanische Unternehmen, wie etwa Cargill, ADM, BlackRock, Oaktree Capital Management und Bunge Limited.
Somit erlangten diese über weite Teile des ukrainischen Ackerlandes die Kontrolle.
Zwang zu „Genprodukten“
Frédéric Mousseau bringt jedoch noch einen weiteren wichtigen Aspekt ans Licht der Öffentlichkeit, der weitgehend verschwiegen wird:
„Obwohl die Ukraine die Herstellung von genetisch verändertem Saatgut nicht erlaubt, enthält das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU, an dem sich der Konflikt entzündet hatte, der zur Absetzung von Janukowitsch führte, in Artikel 404 eine Klausel, in der sich beide Vertragspartner verpflichten, ‚die Anwendung der Biotechnologie innerhalb des Landes auszuweiten‘ – ein ‚Türöffner‘, wie ihn sich die großen Agro- und Saatgutkonzerne wie Monsanto wünschen, um ihre Genprodukte auf den europäischen Markt zu bringen.“
Die Ukraine schon lange am Tropf westlicher Geldgeber
Tatsächlich stand die Ukraine bereits 2014 in der Zeit des Maidan-Putsches vor dem wirtschaftlichen Abgrund, abhängig von Finanzhilfen der EU und des IWF.
Dementsprechend drängten diese aufgrund des Drucks der internationalen Geldgeber auf eine Liberalisierung des Bodenmarkts – also der Aufhebung des Verbots für Landverkäufe an Ausländer – sowie auf die Abschaffung des Exportverbots für Rundholz.
Der „Goldschatz“ der Ukraine – 12 Billionen Dollar kritische Mineralien
Um die Milliardenausgaben der USA für den Ukraine-Krieg wieder hereinzuholen ist nun US-Präsident Donald Trump an den dortigen Bodenschätzen interessiert.
Bereits am 10. Juni 2024 erklärte der republikanische US-Senator Lindsey Graham, für den die Ukraine eine regelrechte „Goldmine“ ist, dazu:
„Sie sitzen auf zehn bis zwölf Billionen Dollar an kritischen Mineralien in der Ukraine. Ich möchte Putin dieses Geld und diese Vermögenswerte nicht geben, um sie mit China zu teilen.“
Letztlich geht es um die Neugestaltung des Landes. Allerdings nach einem marktwirtschaftlichen Modell, das westliches Kapital bevorzugt. Nur so können die Geldgeber und Investoren ihre Profite aus dem Krieg ziehen.
BlackRock will eine „neue“ Ukraine schaffen
Larry Fink, Chef des Vermögensverwalters BlackRock, brachte diese Absicht pointiert auf den Punkt: „Wir werden eine neue Ukraine schaffen.“
BlackRock – nicht nur ein Großaktionär zahlreicher US-Industrien, sondern auch durch Beteiligungen mit dem Agrarsektor verknüpft – drängte schon früh auf einen weitgehenden Marktzutritt westlichen Kapitals und auf Deregulierungen, die Privatisierungen erleichtern.
Kritiker warnen, dass der jüngste Zugriff BlackRocks auf Teile des ukrainischen Wiederaufbaufonds den Konzern in die Lage versetzen könnte, im Falle finanzieller Engpässe staatliche Unternehmen und Vermögenswerte zu sichern. Und so den Ausverkauf zu beschleunigen.
Wiederaufbau der Ukraine bedeutet weitere Ausbeutung des Landes
Anuradha Mittal, Direktorin des Oakland Institute, resümierte klar: „Die Pläne für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg zielen auf die Öffnung der Landwirtschaft für ausländische Interessen ab.“
Ende 2023 gehörten bereits Millionen Hektar fruchtbares Ackerland einem Dutzend großer Agrarunternehmen. Dabei waren und sind neun der zehn größten Investoren im Ausland registriert, wie etwa die Bayer-Tochter Monsanto, der Chemiekonzern Dupont und der Handelsriese Cargill. Mit 450.000 Hektar Pachtfläche gilt der US-Pensionsfonds NCH als mächtigster Geldanleger. Der Public Investment Fund (PIF) aus Saudi-Arabien lässt Jahr für Jahr ebenfalls fast 300.000 Hektar Schwarzerde-Böden abernten.
In der diesbezüglichen Studie des Oakland Institute heißt es weiter: Zudem hätten sich einheimische Agrarunternehmen – „immer noch weitgehend von Oligarchen kontrolliert –, westlichen Banken und Investmentfonds geöffnet, die nun einen Teil ihrer Anteile kontrollieren.“ Darunter Kopernik, BNP oder Vanguard.
Zudem seien die meisten Großgrundbesitzer der Ukraine massiv bei westlichen Fonds und Institutionen verschuldet. Vor allem bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie der Weltbank.
Die „Kleinen“ werden die „großen“ Verlierer sein
Das verheißt nichts anderes, als dass die halbe Ukraine nach dem Krieg ausländischen Konzernen gehören wird. Möglich gemacht durch ein Gesetz vom Juli 2021, das die Etablierung eines freien Marktes für Agrarböden beinhaltet.
Die ukrainischen Kleinbauern, die jetzt schon im Feld sterben, während die Agrarriesen die Ernte einfahren, werden weiterhin die großen Verlierer sein.
Olena Borodina von der ukrainischen Akademie der Wissenschaften bringt es auf den Punkt: „Heute kämpfen und sterben Tausende von jungen Bauern im Krieg. Sie haben alles verloren. Gleichzeitig schreitet der Verkauf von Grund und Boden zügig voran.“
Gegen die Interessen der einheimischen Bevölkerung
Die immense Staatsverschuldung der Ukraine wird wohl auch zukünftig von den Geldgebern als Druckmittel benutzt, um den Wiederaufbau in Richtung weiterer Privatisierungen und Liberalisierungen in verschiedenen Sektoren, darunter auch die Landwirtschaft, voranzutreiben.
Die großzügige Unterstützung der Ukraine durch den Westen beinhaltet nichts anderes, als lukrative Gegengeschäfte. Und diese werden gegen die Interessen der ukrainischen Bevölkerung gerichtet sein.
Der Westen macht den großen Reibach – Der Ausverkauf der Ukraine