Derzeit sorgt ein seltsames Himmelsobjekt für Aufsehen: 3I/ATLAS – ein interstellarer Besucher, der sich mit atemberaubender Geschwindigkeit durch unser Sonnensystem bewegt. Für die meisten Astronomen handelt es sich um einen Kometen. Für den streitbaren Harvard-Astrophysiker Avi Loeb ist es jedoch möglicherweise mehr: ein künstlich gesteuertes Objekt, womöglich von einer außerirdischen Intelligenz. Was ist dran an der Theorie? Und wie gefährlich ist 3I/ATLAS wirklich?
Entdeckt wurde das Objekt am 1. Juli 2025 vom ATLAS-Teleskop in Chile – daher auch sein Name. Mit einer geschätzten Größe von bis zu 20 Kilometern Durchmesser ist es dabei recht groß. Es rast mit über 60 Kilometern pro Sekunde durch das All und befindet sich auf einem hyperbolischen Kurs – also einer Bahn, die das Sonnensystem nicht umkreist, sondern einmal durchquert. Damit ist 3I/ATLAS erst das dritte interstellare Objekt, das je beobachtet wurde – nach dem bizarr geformten ʻOumuamua (2017) und dem Kometen Borisov (2019). Besonders auffällig ist: 3I/ATLAS bewegt sich in einer sogenannten retrograden Umlaufbahn, also gegen die Drehrichtung der Planeten im Sonnensystem. Zudem liegt seine Bahn ungewöhnlich nahe an der Ebene, in der sich Erde, Venus und Mars bewegen. Diese Kombination bringt selbst erfahrene Forscher zum Staunen – und ist der Ausgangspunkt für Loebs provokante These.
Der Astrophysiker Avi Loeb ist kein Unbekannter, wenn es um kontroverse Theorien geht. Schon 2021 sorgte er mit der Behauptung für Schlagzeilen, Oumuamua könne ein technisches Artefakt außerirdischer Herkunft gewesen sein. Nun stellt er erneut die Frage: Könnte auch 3I/ATLAS künstlich sein? Loeb verweist auf mehrere Faktoren. Zum einen die Größe des Objekts: Interstellare “Besucher” dieser Dimension sind extrem selten.
Zum anderen seine exakte Flugbahn: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein natürlicher Körper zufällig so ausgerichtet ist, dass er gleich mehrere Planetenbahnen kreuzt, beziffert Loeb auf nur 0,2 Prozent. Er spekuliert, 3I/ATLAS könnte ein von einer fremden Intelligenz gesteuertes Objekt sein, das gezielt Daten über unser inneres Sonnensystem sammelt – oder sogar absichtlich die Sonne als Deckung nutzt, um sich einer genaueren Beobachtung zu entziehen. In einem Essay geht Loeb noch weiter: Er schlägt vor, die Raumsonde „Juno“, die derzeit den Jupiter umkreist, in Richtung 3I/ATLAS umzulenken. Das Ziel: eine Nahbegegnung mit dem Objekt im Frühjahr 2026. Ob die NASA diesem kühnen Vorschlag folgen wird, ist jedoch mehr als fraglich.
Die Reaktion aus der astronomischen Fachwelt fällt überwiegend abweisend aus. Viele Experten sehen in Loebs Hypothese vor allem ein PR-Manöver. Ihre Einschätzung: 3I/ATLAS verhalte sich einfach wie ein klassischer Komet. Er zeigt eine Koma – eine gasförmige Hülle aus verdampfendem Eis – und einen Staubschweif, wie man ihn bei Kometen erwartet. Es gebe keinerlei Hinweise auf technologische Strukturen oder ungewöhnliche Emissionen. Auch der retrograde Kurs sei bei interstellaren Objekten nicht ungewöhnlich – schließlich stammen sie aus völlig anderen Bereichen der Milchstraße. Kritiker werfen Loeb vor, aus außergewöhnlichen, aber erklärbaren Beobachtungen unnötig Sensationen zu konstruieren.
Trotz aller höchst unterschiedlicher Theorien stellt 3I/ATLAS nach dem derzeitigen Kenntnisstand keine Bedrohung für die Erde dar. Sein sonnennächster Punkt liegt bei etwa 1,35 Astronomischen Einheiten (etwa 200 Millionen Kilometer) – und auch die Erde wird er in sicherem Abstand passieren. Die Wissenschaftler werden das Objekt im Herbst weiter beobachten, bevor es hinter der Sonne verschwindet und dann im Dezember 2025 erneut sichtbar wird.
Die Daten, die dabei gesammelt werden, könnten interessante Hinweise auf die Entstehungsgeschichte solcher Himmelskörper liefern – und vielleicht sogar Aufschluss darüber geben, wie häufig derartige interstellare Objekte in unser Sonnensystem eindringen. Denn so selten sie auch scheinen: Ihre Entdeckung ist nur möglich, wenn sie relativ nah an uns vorbeifliegen. In Wahrheit könnte der interstellare Raum voll mit solchen Objekten sein – unbemerkt, still, und manchmal vielleicht doch nicht ganz so harmlos, wie wir hoffen.
Der rätselhafte Fall von 3I/ATLAS – Komet oder Alien-Technologie?