Von Patrick Wood
Der Populismus scheint weltweit im Aufwind: Von ländlichen Regionen über digitale Räume bis hin zu politischen Versammlungen erhebt sich eine Bewegung, die vorgibt, die Nation aus den Klauen korrupter Eliten, transnationaler Bürokratien und zerfallender liberaler Demokratien zurückzuerobern. Doch bei näherem Hinsehen offenbart sich ein anderes Bild.
Was sich als Aufstand des Volkes ausgibt, wird in Wirklichkeit oft von Figuren und Ideologien angetrieben, die die Grundprinzipien des Populismus verachten – individuelle Freiheit, lokale Selbstbestimmung, Rechtsstaatlichkeit und verfassungsmäßige Begrenzung der Macht.
Die treibende Kraft hinter diesem Täuschungsmanöver ist der Technopopulismus – eine Mutation des klassischen Populismus, ausgebrütet im ideologischen Reaktor der Dunklen Aufklärung, wo Denker wie Curtis Yarvin (alias Mencius Moldbug) die Demokratie nicht als Schutz der Freiheit, sondern als gescheitertes Experiment betrachten, das durch algorithmisches Regieren und exekutive Herrschaft ersetzt werden müsse.
In diesem verzerrten Spiegelbild sind Populisten nicht länger Verteidiger der Freiheit – sie dienen einer neuen, datenbasierten herrschenden Klasse als Fußsoldaten.
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Der Köder: Populistische Rhetorik, libertäre Ästhetik
Der Technopopulismus entstand in den Netzwerken des Silicon Valley und in den Blogs der sogenannten NRx-Bewegung (Neoreaction), fand aber ein globales Publikum, indem er sich populistischer Sprache bediente: Anti-Eliten-Rhetorik, Forderungen nach „Ordnung“ und „Kompetenz“, Lobgesänge auf „freie Märkte“ und „freie Rede“.
Peter Thiel, Elon Musk und Balaji Srinivasan kleiden sich rhetorisch in populistisches Gewand, während sie zugleich Visionen propagieren, in denen „Freiheit“ als Unterwerfung unter optimierte, technologisch gesteuerte Systeme neu definiert wird – wo Code zum Gesetz wird und die klassische politische Autorität durch technologische Infrastruktur ersetzt wird.
Yarvin lehnt die Demokratie offen ab und fordert einen Monarchen mit CEO-Funktion. Thiel lobte das „postdemokratische“ Singapur als Vorbild. Srinivasan träumt davon, Nationalstaaten durch Netzwerkstaaten zu ersetzen, die über Plattformen und biometrische Zugangsschlüssel funktionieren.
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Die Umkehr: Von Freiheit zu Ordnung
Klassischer Populismus – ob in Amerika, Ungarn oder Indien – basiert auf der Überzeugung, dass das Volk souverän ist, und seine Freiheit durch begrenzte Regierung, unveräußerliche Rechte und Rechtsstaatlichkeit gesichert bleibt. Er widersetzt sich zentraler Kontrolle.
Technopopulismus kehrt dieses Prinzip um: Souveränität gilt als ineffizient, Rechte als flexibel, Rechtsstaatlichkeit als verzichtbar – sofern Algorithmen die Dinge besser regeln können.
Technopopulisten versprechen ein neues „goldenes Zeitalter“ – aber nur, wenn wir die alte Architektur der Freiheit opfern. Autokratische Herrschaft wird nicht mehr als Makel, sondern als funktionale Effizienz gefeiert – solange sie technologisch modernisiert daherkommt.
Es geht nicht um die Wiederherstellung der Freiheit, sondern um einen sanften Putsch der digitalen Elite, getarnt als Volksaufstand.
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Netzwerkstaaten: Die technokratischen Utopien der Rechten
Deutlicher als bei den sogenannten Netzwerkstaaten zeigt sich die Täuschung kaum.
Von Balaji Srinivasan propagiert und durch Thiels Kapital finanziert, entstehen hier digitale „Startup-Staaten“, die sich politische Anerkennung erhoffen und klassische Regierungen ablösen sollen. Projekte wie Próspera (Honduras) oder Praxis sind keine basisdemokratischen Bewegungen – sie sind venture-finanzierte Governance-Experimente, in denen nicht gewählte Gründer Top-down-Strukturen aufbauen – kurz: Technokratien.
Sie versprechen Bürokratiefreiheit – liefern aber private Souveränität, gesteuert von nicht gewählten Tech-Milliardären, fernab demokratischer Rechenschaftspflicht, oft auf Kosten der lokalen Bevölkerung.
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Die Parallele zwischen Globalisten und Anti-Globalisten
Während populistische Bewegungen die liberale Weltordnung angreifen, übernehmen sie – oft unbewusst – genau deren technokratisches Spiegelbild.
Denn sowohl die globalen Technokraten (UN, EU, WEF) als auch die technopopulistischen Anti-Globalisten (Thiel-Netzwerk, Dark Enlightenment, etc.) teilen zentrale Überzeugungen:
- Die Zukunft gehört digitalen Systemen
- Die verfassungsmäßige Demokratie ist überholt
- Effizienz steht über Rechten
- Regieren soll nicht diskutiert, sondern „optimiert“ werden
Am Ende verlieren die einfachen Menschen. Ihnen wird zwar suggeriert, sie hätten Mitsprache – doch ihr Verhalten wird durch smarte Netze, CO₂-Zähler oder Blockchain-Governance gesteuert. Egal ob es „nachhaltige Entwicklung“ oder „digitale Selbstbestimmung“ heißt – das Ergebnis bleibt dasselbe: technokratische Kontrolle in neuem Gewand.
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Die Ironie des „Freedom Stack“
Im Softwarejargon bezeichnet „Full Stack“ die Verbindung von Benutzeroberfläche und Datenstruktur. Im Techpopulismus wird daraus der „Freedom Stack“ – der in Wahrheit ein Slavery Stack ist.
Die vielleicht bitterste Ironie: Viele freiheitsliebende Bürger helfen – unwissentlich – dabei, ihre eigenen Ketten zu schmieden. Sie tauschen staatliche Kontrolle gegen die allwissende Steuerung durch privatwirtschaftliche Algorithmen.
Technopopulismus verkauft Gehorsam als Freiheit:
„Du bist frei – solange du den Algorithmus nicht triffst.“
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Fazit: Die Rebellion, die keine war
Die Dunkle Aufklärung kritisiert nicht nur die Demokratie – sie hat die Energie populistischer Bewegungen gekapert und in ein Projekt gelenkt, das populistische Rhetorik bewahrt, aber technokratische Machtstrukturen installiert.
Das Ergebnis: Eine entkernte Widerstandsbewegung, die Freiheitsflaggen schwenkt, während sie in eine digitalisierte, korporatistische Zukunft marschiert.
Die Populisten holen sich die Republik nicht zurück –
sie erschaffen ihren Ersatz.
Solange dieser Betrug nicht erkannt wird, wird die Technokratie weiter aufsteigen –
verkleidet in jenem Freiheitsmantel, den sie zerstören will.
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