Social Scoring in der Schweiz – vom Staat finanziert, mit brisanter Zukunftsperspektive
Das Thema Social Scoring – die digitale Bewertung von Bürgern anhand ihres Verhaltens – wird in der Schweiz derzeit nicht nur theoretisch diskutiert. Mit einer umfassenden Studie untersucht das Kompetenzzentrum TA-SWISS mögliche Risiken und Chancen. Brisant: Finanziert wird das Projekt direkt vom Staat – und es wirft Fragen auf, ob solche Technologien künftig mit der geplanten e-ID verknüpft werden könnten.
Wer finanziert TA-SWISS – und warum?
TA-SWISS ist ein Zentrum für Technologiefolgenabschätzung, das bei den Schweizer Akademien der Wissenschaften angesiedelt ist. Die Finanzierung erfolgt über das Bundesamt für Bildung, Forschung und Innovation (SERI), also aus Bundesmitteln. Die Akademien leiten einen Teil ihres staatlichen Grundbeitrags direkt an TA-SWISS weiter (Quelle).
Der offizielle Auftrag: Politik und Öffentlichkeit frühzeitig über Chancen und Risiken neuer Technologien informieren. Die Social-Scoring-Studie soll Entscheidungsträgern als Grundlage dienen, um mögliche gesetzliche Rahmenbedingungen zu diskutieren, bevor entsprechende Systeme Realität werden.
Warum interessiert sich der Staat für Social Scoring?
Laut TA-SWISS ist Social Scoring kein rein fernöstliches Phänomen. Auch in Demokratien existieren bereits Ansätze, Bürger anhand von Datenanalysen zu bewerten – etwa durch Bonitätsprüfungen, Versicherungsmodelle oder algorithmische Risikoeinschätzungen.
Die staatlich finanzierte Untersuchung soll „objektive Grundlagen für den gesellschaftlichen Diskurs“ schaffen. Kritiker sehen darin jedoch auch die Gefahr, dass solche Studien politisch den Boden für spätere Umsetzungen bereiten – insbesondere, wenn die Infrastruktur für digitale Identitäten bereits existiert (Quelle).
Mögliche Folgen: Vom Datenschutzverlust zur digitalen Kontrolle
Die Studie selbst weist auf internationale Beispiele hin – vornehmlich auf das chinesische Sozialkreditsystem – und analysiert mögliche westliche Varianten. Potenzielle Folgen:
- Verlust der Privatsphäre: Persönliche Daten aus verschiedenen Lebensbereichen könnten zentral erfasst und ausgewertet werden.
- Digitale Verhaltenslenkung: Belohnung oder Bestrafung bestimmter Handlungen könnte subtil in das tägliche Leben einfließen.
- Schleichende Einführung: Erste Anwendungen könnten harmlos wirken (z. B. für Kreditscoring oder Verkehrsverhalten), aber später zu umfassender Überwachung führen.
Der Schweizer Datenschutzbeauftragte hat bereits davor gewarnt, dass technologische Systeme oft schrittweise ausgeweitet werden und spätere Einschränkungen dann politisch kaum noch durchsetzbar sind (Quelle).
Welche Rolle könnte die e-ID spielen?
Die geplante staatliche e-ID soll als sichere digitale Identität dienen – offiziell für Behördengänge, Gesundheitsdienste oder Online-Verträge. Doch genau diese Funktion macht sie technisch kompatibel mit Social-Scoring-Systemen:
- Eindeutige Zuordnung: Jede Aktion eines Bürgers könnte über die e-ID eindeutig einer Person zugeordnet werden.
- Datenintegration: Gesundheitsdaten, Steuerinformationen, Bewegungsprofile und Online-Verhalten könnten unter einem zentralen Profil zusammengeführt werden.
- Internationaler Druck: In einem global vernetzten digitalen Raum könnten internationale Standards dazu führen, dass die e-ID auch für Verhaltensbewertungen nutzbar wird.
TA-SWISS betont zwar, dass Social Scoring in der Schweiz derzeit nicht geplant sei – doch Kritiker verweisen darauf, dass die technische Infrastruktur der e-ID die zentrale Voraussetzung für ein solches System schaffen würde (Quelle).
Fazit: Zwischen Aufklärung und Weichenstellung
Offiziell dient die staatliche Finanzierung der TA-SWISS-Studie dazu, Transparenz zu schaffen und politische Vorsorge zu ermöglichen. Doch in einer Zeit, in der digitale Identitätssysteme wie die e-ID politisch forciert werden, stellt sich die Frage:
Wird hier nur analysiert – oder auch der Grundstein für eine potenziell umfassende digitale Bürgerbewertung gelegt?
Brisant: Staat fördert Social-Scoring-Forschung – wird die e-ID das Werkzeug zur Umsetzung?