Wem gehört Deutschland? Die offizielle Antwort klingt banal: den Deutschen. Die Realität ist ein anderes Bild – eines, in dem alte Adelsfamilien, internationale Finanzgiganten und politische Eliten das Land kontrollieren, während der Normalbürger oft nur Zuschauer ist. Hinter der Frage nach Eigentum steckt weit mehr als Grundbuch- oder Bilanzzahlen. Es geht um Macht und um den schleichenden Verlust demokratischer Kontrolle.
Von Guido Grandt
Viele der 84 Millionen Bürger dieses Landes, davon rund 60 Millionen wahlberechtigt, haben das Gefühl, dass politische Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen werden. Wahlen ändern daran wenig. Wer glaubt, dass ein Kreuzchen alle paar Jahre Einfluss bedeutet, übersieht: Die eigentlichen Entscheidungen fallen längst in Aufsichtsräten, Anwaltskanzleien, Lobbytreffen und anderswo – nicht im Parlament.
Deutschland gleicht einem riesigen Teich, in dem nur wenige unter den Seerosen im Sonnenlicht schwimmen, während der Rest im trüben Schlamm wühlt.
Und zwangsläufig stellt sich die Frage: Wem gehört Deutschland eigentlich? Wirklich den „Deutschen“ mit ihrem Privatvermögen von über 9 Billionen Euro? Genauer 9.050 Milliarden Euro?
„Besitz“ und „Eigentum“ sind zwei Paar Stiefel
Zuerst einmal gilt zu klären, wo die Unterschiede zwischen „Besitz“ und „Eigentum“ liegen. Schließlich ist das auch eine zentrale und wichtige Frage im Zivilrecht. Dabei ist der Unterschied grundlegend:
Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft, also die physische Gewalt über eine Sache.
- Wer hat die Sache tatsächlich in der Hand? Das ist der Besitzer.
- Besitz sagt nichts über die rechtliche Berechtigung aus. Beispielsweise ein Dieb, der ein gestohlenes Fahrrad fährt, ist der Besitzer des Fahrrads. Ein Mieter, der in einer Wohnung lebt, ist der Besitzer der Wohnung.
- Man spricht von unmittelbarem Besitz, wenn man die Sache direkt hat (z. B. das Smartphone in der Hand).
- Man spricht von mittelbarem Besitz, wenn man die tatsächliche Gewalt über die Sache durch einen anderen ausübt (z. B. der Vermieter einer Wohnung hat mittelbaren Besitz, der Mieter unmittelbaren Besitz).
Eigentum ist die rechtliche Herrschaft über eine Sache.
- Wem gehört die Sache rechtlich? Das ist der Eigentümer.
- Der Eigentümer hat das umfassendste Recht an einer Sache. Er darf sie besitzen, nutzen, verbrauchen, verkaufen, vererben und kann andere von der Nutzung ausschließen.
- Eigentum wird in der Regel durch einen Rechtsakt erworben (z. B. Kaufvertrag, Schenkung, Erbschaft) und muss oft durch Übergabe der Sache (bei beweglichen Sachen) oder durch Eintragung ins Grundbuch (bei Grundstücken) übertragen werden.
- Der Eigentümer kann sein Eigentum vom Besitzer zurückfordern, wenn der Besitzer nicht das Recht hat, die Sache zu behalten (z. B. der Besitzer ist ein Dieb oder ein Mieter, dessen Vertrag abgelaufen ist).
Einfaches Beispiel:
Stellen Sie sich vor, Sie leihen einem Freund ein Buch.
- Besitzer: Ihr Freund ist der Besitzer des Buches, weil er es tatsächlich in seiner Hand hat und die physische Gewalt darüber ausübt.
- Eigentümer: Sie sind der Eigentümer des Buches, weil Sie es rechtmäßig gekauft und die umfassenden Rechte daran haben. Ihr Freund muss es Ihnen auf Ihre Aufforderung hin zurückgeben.
Zusammengefasst:
Merkmal | Besitz | Eigentum |
Grundlage: | Tatsächliche Gewalt über eine Sache | Rechtliche Gewalt über eine Sache |
Frage: | Wer hat es? | Wem gehört es? |
Beispiel: | Der Dieb, der das Fahrrad fährt. | Der rechtmäßige Käufer des Fahrrads. |
Charakter: | Faktischer Zustand | Rechtlicher Status |
Nachdem wir diese elementare Frage geklärt haben, können wir uns tatsächlich der eigentlichen Ausgangsfrage nähern, „wem“ Deutschland wirklich gehört.
Der Boden unter unseren Füßen – in wessen Händen liegt er wirklich?
In Deutschland gibt es 357.580 Quadratkilometer Grund und Boden. Und so wird er genutzt (prozentual gerundet):
- 50 % Landwirtschaftsfläche – teils in der Hand großer Agrarkonzerne, teils in Besitz weniger Familien.
- 30 % Wald. Die eine Hälfte gehört dem Staat als großem Waldbesitzer. Den größten Anteil davon besitzen die Bundesländer (Bayern an erster Stelle). Hinzu kommen die Kirchen, Kommunen und Universitäten. Die andere Hälfte des deutschen Waldes ist in Privatbesitz, dominiert von Adelsdynastien wie Thurn und Taxis.
- 5 % Straßen und Schienen
- 5 % Moore, Sümpfe, Sport-, Freizeit- und Erholungsflächen.
- 4 % für Häuser und Wohnungen – mit stetig steigenden Bodenpreisen, die Einheimische aus Städten verdrängen.
- 2 % Gewässer.
- 2 % Industrie und Gewerbe.
Diese Besitzverhältnisse sind das Ergebnis jahrhundertelanger Privatisierung, die aus gemeinschaftlichem Besitz („Allmende“) private Reichtümer gemacht hat – immer zugunsten weniger.
Rohstoffe und Ressourcen – offiziell Gemeingut, praktisch Goldmine für wenige
Ob Lithium, Uran, Kohle, Erdgas, Kobalt, Graphit oder Kupfer – die Bodenschätze gehören den Eigentümern des Landes, in dem sie liegen. Was nach nationaler Souveränität klingt, bedeutet in der Praxis: Wer das Land besitzt, kontrolliert die Ressourcen.
Über die Nutzung der Rohstoffe in der Nord- und Ostsee verfügen die jeweiligen Anrainerstaaten im Rahmen der „Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)“.
Grundwasser und Luft sind zwar formal „Gemeingüter“, doch ihre Nutzung ist streng reguliert – und wo Regulierungen sind, öffnen sich Türen für Lobbyinteressen und exklusive Nutzungsrechte.
Die Macht des Kapitals – Deutschland in ausländischer Hand
Der Blick auf den DAX offenbart eine unbequeme Wahrheit:
- Nur gut ein Drittel der 40 größten börsennotierten DAX-Titel wird direkt von deutschen Anlegern gehalten.
- Die Schlüsselmacht beim führenden deutschen Aktienindex liegt bei US-Investoren wie BlackRock (100 Milliarden Dollar im DAX), Vanguard oder der Capital Group.
- Auch der norwegische Staatsfonds mischt mit – ein ausländischer Staat, der Dividenden aus deutschen Unternehmen kassiert.
Die strategische Kontrolle vieler Schlüsselindustrien liegt also längst nicht mehr in Deutschland – und damit auch nicht mehr in den Händen deutscher Bürger. Das Sagen im DAX haben Investoren aus Übersee. Und das bereits seit geraumer Zeit.
Vermögen – Ungleiche Verteilung
Vermögen in Deutschland ist fast ausnahmslos mit dem Eigentum an großen Unternehmen verbunden. Das jedenfalls zeigt ein Blick auf die Liste der reichsten Deutschen, die fast ausschließlich von Unternehmerfamilien dominiert wird.
Dadurch ist die Verteilung des Nettovermögens extrem ungleich: Rund 54 % des gesamten Vermögens entfallen auf das reichste Zehntel der Bevölkerung. Die ärmere Hälfte der Deutschen besitzt zusammen nur etwa 3 %.
Bei den Wohlhabendsten wächst das Vermögen zudem deutlich schneller, da sie überproportional in renditestarke Anlagen wie Aktien und Investmentfonds investieren. Oder in hochwertige Immobilien, deren Wert kontinuierlich steigt.
Wohnraum – Vom Grundrecht zum Spekulationsobjekt
Deutschland ist europaweites Schlusslicht bei der Eigentumsquote:
- Nur 47 % leben im Eigentum, 53 % zur Miete.
- In Ländern wie Rumänien, Kroatien oder der Slowakei sind es über 90 %.
Der Grund? Historische Strukturen aus Kaiserreich, Industrialisierung und Nachkriegszeit haben ein Mietermodell verfestigt, das heute ein Eldorado für Immobilieninvestoren ist – darunter internationale Fonds, die ganze Straßenzüge aufkaufen.
Die Republik der Vermögenskonzentration
Bei der Antwort auf die Frage also, wem Deutschland wirklich gehört, muss zunächst festgestellt werden, dass es diesbezüglich um Macht, Einfluss und das Selbstverständnis einer Gesellschaft geht.
Dabei sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Eigentum – ob Grund und Boden, Kapital oder Wohnraum – ist in Deutschland in hohem Maße konzentriert. Zugleich gärt ein tief verwurzeltes Unbehagen gegenüber dieser Ordnung: Viele fühlen sich ausgeschlossen, nicht beteiligt, ausgeliefert an undurchsichtige Strukturen.
Die stille Machtverschiebung – und warum sie kaum einer bemerkt
Diese Konzentration von Boden, Kapital und Wohnraum bedeutet nicht nur wirtschaftliche Ungleichheit – sie verändert das Machtgefüge einer ganzen Nation.
- Gesetze werden oft im Sinne von Großbesitzern und Konzernen gestaltet.
- Medienkonzerne gehören selbst zu wirtschaftlichen Machtblöcken und berichten selektiv.
- Lobbyismus sorgt dafür, dass wirtschaftliche Interessen nicht als das erscheinen, was sie sind: eine stille, aber kontinuierliche Übernahme.
Warum das brisanter ist als je zuvor
In einer Welt, in der geopolitische Spannungen zunehmen und wirtschaftliche Abhängigkeiten als Druckmittel genutzt werden, bedeutet der Verlust von Eigentum an ausländische Investoren auch den Verlust politischer Handlungsfreiheit.
Wer den Boden, die Ressourcen und die Unternehmen kontrolliert, kontrolliert die Zukunft.
Die Eigentumsfrage ist also bei weitem nicht nur eine Statistikdebatte – sie ist der Schlüssel zur Frage, wer in den nächsten Jahrzehnten über Deutschlands Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bestimmt.
Letztlich aber gehört Deutschland zum großen Teil nicht mehr den Deutschen – und das ist politisch gewollt.
Guido Grandt (geb. 1963) ist investigativer Journalist, Publizist, TV-Redakteur und freier Produzent. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf Recherchen zu organisierter Kriminalität, Geheimgesellschaften sowie auf brisanten Themen aus Politik, Wirtschaft, Finanzen, Militär und Sicherheit. Darüber hinaus widmet er sich der Aufdeckung verborgener oder tabuisierter Hintergründe zeitgeschichtlicher Ereignisse. Guido Grandt veröffentlichte bisher über 40 Sachbücher und verfasste rund 6.000 Artikel.
- Sein kostenloser Blog: https://www.guidograndt.de/
- Seine Bücher: Guido Grandt bei Amazon
Quellen:
- https://publikationen.bundesbank.de/publikationen-de/berichte-studien/monatsberichte/monatsbericht-april-2025-954594?article=vermoegen-und-finanzen-privater-haushalte-in-deutschland-ergebnisse-der-vermoegensbefragung-2023–954598
- https://www.uni-potsdam.de/de/rechtskunde-online/rechtsgebiete/zivilrecht/eigentum-und-besitz
- https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Flaechennutzung/Tabellen/bodenflaeche-insgesamt.html
- https://www.bundeswaldinventur.de
- https://www.wald-prinz.de/waldbesitzer-wem-gehort-der-wald/665
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 854 ff. BGB; §§ 903 ff. BGB
- https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/ILC_LVHO02__custom_3462892/bookmark/table?lang=en&bookmarkId=bf0879f1-9638-4868-8d59-5800871c15aa
- https://publikationen.bundesbank.de/publikationen-de/berichte-studien/monatsberichte/monatsbericht-april-2025-954594?article=vermoegen-und-finanzen-privater-haushalte-in-deutschland-ergebnisse-der-vermoegensbefragung-2023–954598
- https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/714692/milliardaere-forbes-liste-immer-mehr-superreiche-wie-reiche-trotz-krisen-profitieren
- https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/714128/blackrock-die-unsichtbare-macht-eines-finanzgiganten
- https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/715688/boden-macht-kapital-wem-deutschland-heute-tatsaechlich-gehoert?utm_content=link_23&utm_medium=email&utm_campaign=dwn_telegramm&utm_source=mid3603&f_tid=ImP7ANDIBRN8vKhYQbyvbw