Die jüngsten Aussagen von Fedpol-Chefin Eva Wildi-Cortés haben eine neue Stufe der Debatte über Rechtsstaat und Bürgerrechte eröffnet. In einem Interview stellte sie die Einführung einer Beweislastumkehr bei Geldwäscherei in Aussicht. Was auf den ersten Blick wie ein pragmatischer Ansatz zur Bekämpfung organisierter Kriminalität wirkt, könnte – in Verbindung mit der geplanten digitalen Identität für alle Bürger – zum Fundament eines autoritären Kontrollstaates werden.
Beweislastumkehr: Schuld, bis die Unschuld bewiesen ist
Die Unschuldsvermutung ist eine der tragenden Säulen jedes Rechtsstaates. Doch Fedpol will dieses Prinzip offenbar aufweichen: Künftig soll nicht mehr der Staat beweisen müssen, dass Geld aus illegalen Quellen stammt – der Bürger selbst muss nachweisen, dass seine Mittel sauber sind. Gelingt das nicht, droht die Konfiszierung.
Ein Modell, das in Ländern wie Italien schon existiert, könnte damit auch in der Schweiz Realität werden. Doch die Gefahr ist klar: Wer keine lückenlose Dokumentation seiner Einkünfte vorlegen kann – ob es sich um Bargeld, ein Geschenk oder eine Erbschaft handelt – gerät automatisch ins Visier.
Digitale ID als Überwachungsinstrument
Noch brisanter wird die Situation, wenn die geplante digitale Identität in dieses System eingebettet wird. Unter dem Deckmantel von Effizienz und Modernisierung soll jeder Bürger „freiwillig“ eine Digital-ID erhalten, die sämtliche Lebensbereiche verknüpft: Bankkonten, Gesundheitsdaten, Versicherungen, Reisen, Behördenkontakte.
Mit einer Beweislastumkehr im Finanzbereich könnte die Digital-ID zum universellen Fahndungswerkzeug mutieren:
- Jede Transaktion ist mit der ID verknüpft und für Behörden nachvollziehbar.
- Algorithmen markieren automatisch „verdächtige Muster“ – etwa häufige Bargeldabhebungen, Überweisungen ins Ausland oder Spenden an „unerwünschte“ Organisationen.
- Im Verdachtsfall könnten Konten sofort gesperrt oder Leistungen blockiert werden, bis der Bürger seine Unschuld nachweist.
Bürger unter Generalverdacht
Damit verwandelt sich die Beweislastumkehr in Kombination mit der Digital-ID in eine permanente Umkehr der Rechtslogik: Jeder Bürger ist verdächtig, solange er nicht das Gegenteil beweist.
- Der Beweisnotstand trifft besonders jene ohne perfekten Papier- oder Datennachweis.
- Politischer Missbrauch wird möglich: Wer unbequem ist, kann leichter mit dem Vorwurf „Geldwäsche“ oder „finanzieller Unregelmäßigkeiten“ mundtot gemacht werden.
- Der Bürger wird nicht mehr als freies Individuum behandelt, sondern als potenzielle Gefahr für das System.
„Freiwillig“ – aber ohne Alternative
Offiziell heißt es, die Digital-ID sei „freiwillig“. Doch in der Praxis wird sie durch schleichende Pflicht ersetzt: Zugang zu staatlichen Diensten, Reisen, Gesundheitsversorgung, Bankkonten – all das wird zunehmend nur noch über die ID funktionieren. Wer sie nicht hat, wird zum digitalen Außenseiter.
Mit Beweislastumkehr im Gepäck bedeutet das: Der Staat hält den Generalschlüssel zur finanziellen Existenz in der Hand.
Fazit: Der gefährliche Dammbruch
Die Kombination aus Beweislastumkehr und Digital-ID ist mehr als ein technisches Detail der Kriminalitätsbekämpfung. Sie markiert einen gefährlichen Dammbruch:
- Die Unschuldsvermutung wird de facto abgeschafft.
- Die digitale Identität wird zum Kontrollinstrument.
- Der Bürger verliert seine finanzielle und persönliche Autonomie.
Es geht nicht nur um Geldwäsche, sondern um die Frage, wie frei eine Gesellschaft noch sein kann, wenn jeder Schritt digital registriert und jeder Kontostand potenziell kriminalisiert wird.