28. Juli 2025

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Altersverifikation in Großbritannien ist jetzt in Kraft, löst Chaos, Website-Sperren und VPN-Welle aus

 

Mit dem Inkrafttreten des „Online Safety Act“ am 25. Juli 2025 hat Großbritannien ein neues Zeitalter der digitalen Kontrolle eingeläutet. Was unter dem Deckmantel des Kinderschutzes eingeführt wurde, erweist sich für Millionen Nutzer als Frontalangriff auf Privatsphäre, Meinungsfreiheit und offenen Zugang zum Internet. Die verpflichtende Altersverifikation auf Plattformen wie Pornoseiten, sozialen Netzwerken, Games und sogar Foren stößt auf breite Ablehnung – und ruft nun massiven zivilgesellschaftlichen Widerstand hervor.

Das Gesetz verpflichtet Anbieter dazu, das Alter ihrer Nutzer durch Identitätsnachweise zu überprüfen. Ob Gesichtsscan, Ausweiskopie oder Bankverbindung – wer seine Daten nicht preisgibt, verliert den Zugang. Offiziell soll so verhindert werden, dass Minderjährige auf „gefährliche Inhalte“ zugreifen. Doch die technische Umsetzung ist nicht nur unsicher, sondern unverhältnismäßig. Plattformen haften für Verstöße mit drastischen Bußgeldern, was viele dazu bringt, britische Nutzer vollständig zu blockieren. Viele Plattformen blockieren britische IPs, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Doch das Internet schweigt nicht. Innerhalb weniger Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes haben sich auf Reddit, Mastodon, Telegram und in alternativen Foren zahlreiche Gruppen gebildet, die sich gegen die neuen Regeln wehren. Unter dem Hashtag #NoIDNoNet formieren sich tausende Nutzer zu digitalen Protestbewegungen. Sie dokumentieren, wie sie durch VPNs, modifizierte Browser oder technische Tricks wie Spielgrafiken aus dem Titel „Death Stranding“ die Systeme austricksen – weniger aus Absicht, Inhalte zu konsumieren, sondern als bewusste Rebellion gegen staatlich erzwungene Identitätsnachweise im Netz.

Ein Reddit-Nutzer schreibt: „Ich bin 37, zahle meine Steuern und weigere mich trotzdem, einem Privatunternehmen meinen Pass zu schicken, nur um ein Meme zu posten.“ Ein anderer berichtet, dass sein Account auf X deaktiviert wurde, weil er die Altersverifikation verweigerte: „Ich habe nichts Verbotenes getan – ich bin einfach nicht bereit, meine biometrischen Daten an eine Blackbox zu übergeben.“

Auch Organisationen wie die Open Rights Group und Privacy International rufen zum zivilen Ungehorsam auf. Sie bieten rechtliche Beratung an, starten Informationskampagnen und fordern ein Moratorium, bis der Gesetzesrahmen überarbeitet ist. In Universitäten und Schulen entstehen Diskussionsrunden zur Frage, wie weit ein demokratischer Staat beim Schutz seiner Bürger gehen darf, bevor er zur digitalen Kontrollinstanz wird.

Besonders empört zeigt sich die queere und migrantische Community, deren Mitglieder häufig keine anerkannten Dokumente besitzen oder sich in prekären Verhältnissen befinden. Für sie bedeutet das neue Gesetz den faktischen Ausschluss von großen Teilen des Internets. Aktivistengruppen sprechen von digitaler Diskriminierung: Wer keinen Pass hat oder ihn aus guten Gründen nicht zeigen will, ist nicht mehr erwünscht.

Die Reaktionen der Anbieter zeigen, wie ernst die Lage ist. Viele kleinere Plattformen haben ihre Dienste für britische Nutzer komplett eingestellt, große wie Reddit oder X schränken Funktionen massiv ein. Discord experimentierte mit automatisierten Gesichtsscans – nur um festzustellen, dass diese leicht zu täuschen sind. Die Folge: Ein digitaler Flickenteppich aus Blockaden, Frustration und Misstrauen.

Auch international wird der britische Vorstoß mit Sorge betrachtet. Beobachter in der EU, den USA und Australien sprechen von einem Dammbruch. Wo bisher Datenschutz als zentrales Grundrecht galt, rückt nun die Kontrolle ins Zentrum. Experten warnen: Die Altersverifikation könnte als Türöffner für umfassende digitale Ausweispflichten dienen – mit verheerenden Folgen für Meinungsfreiheit und Anonymität.

Inzwischen haben erste Petitionen hunderttausende Unterschriften gesammelt. Auch Politiker aus der Opposition fordern Nachbesserungen. Doch die Regierung hält an ihrem Kurs fest. Für sie ist das Gesetz ein Vorzeigeprojekt, ein Mittel, um Kontrolle über Inhalte und Nutzerverhalten zurückzugewinnen. Dass dies auf dem Rücken der Privatsphäre und mit zweifelhaften Technologien geschieht, wird bewusst in Kauf genommen.

Faktisch ist das neue System gescheitert, bevor es flächendeckend funktioniert. Es schließt aus, statt zu schützen. Es schafft neue Ungleichheiten, statt Gefahren zu mindern. Und es entfremdet Nutzer von einer digitalen Infrastruktur, die eigentlich offen und frei sein sollte.

Die Frage ist nicht mehr, ob sich Widerstand formiert – sondern, ob er gehört wird. Die Proteste im Netz zeigen: Die Gesellschaft ist nicht bereit, ihre digitalen Grundrechte kampflos aufzugeben. Der britische Versuch, Sicherheit durch Kontrolle zu erzwingen, wird damit zur Nagelprobe für die Zukunft der digitalen Freiheit in Europa.

 

 

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