Seit Jahren fordert die AfD die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Plötzlich aber vollzieht sie eine Wende. Erheblichen Anteil daran hat das neue Höcke-Lager in Berlin.
Als die Bundesregierung am Dienstag ihre Pressekonferenz und damit die zuvor kommunizierte Einigung zur Wehrpflicht abblies, atmeten in der AfD viele erleichtert auf. Das Dilemma der Regierung nämlich lenkt ab von dem Dilemma, das die größte Oppositionspartei bei dem Thema hat. Innerhalb der Partei kam es in den vergangenen Wochen zu einem harten Kampf zwischen Verteidigungs- und Ostpolitikern, der sich erst an diesem Dienstag final entschied.
Dieser Kampf führte zu einer für die AfD schwierigen Lage: Die Partei ist blank beim Thema Landesverteidigung. „In Friedenszeiten“ und „unter einer AfD-Regierung“ solle die Wehrpflicht wieder eingeführt werden – diese Haltung vertrat Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel am Dienstag plötzlich in einer Pressekonferenz. Übersetzen lässt sich das auch in: Die AfD, die sich stets für die Wehrpflicht ausgesprochen hat, will diese nun doch nicht. Alternative Ansätze zur Landesverteidigung? Nicht in Sicht.
Das ist eine 180-Grad-Wende für die AfD-Fraktion, die in den vergangenen Wochen noch mit der Forderung nach der Wiedereinführung der klassischen Wehrpflicht auf Konfrontationskurs mit der Bundesregierung gegangen war. Die schließlich will vorerst auf Freiwilligkeit setzen. Gekippt ist nun aber der lang vorbereitete Antrag in der AfD, mit dem die Regierung überboten werden sollte. Gescheitert sind alle Kompromisse, gekippt ist auch AfD-Chefin Alice Weidel.
Erheblichen Anteil an dieser Entwicklung hat der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke und das neue Machtzentrum, das er seit Beginn dieser Legislatur in Berlin installiert hat. „Weidel hat Angst vor Höcke“, heißt es aus Kreisen der Fraktion. Die Wende bei der Wehrpflicht verrät deswegen viel über die aktuellen Machtverhältnisse in der AfD.
Wie also konnte es so weit kommen?
Partei für eine starke Bundeswehr – eigentlich
Die Ausgangslage sprach eigentlich stark für die Verteidigungspolitiker in der AfD. Die Partei mag sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs als Friedenspartei inszenieren, wesentlich länger schon aber versteht sie sich als Partei für eine starke Bundeswehr. Sie hat in ihren Reihen viele Soldaten und will diese auch explizit als Wählergruppe adressieren. Daher weiß man in der AfD recht genau, wie desolat die Bundeswehr aufgestellt ist und fordert die Wiedereinführung der klassischen Wehrpflicht seit Jahren in Wahlprogrammen.
Erst im Januar zementierte ein Beschluss des Bundesparteitags, höchstes Gremium einer jeden Partei, diese Haltung. Gestützt wurde der Schritt von einer vorangegangenen Online-Befragung, in der sich rund 70 Prozent der Teilnehmer für die Wehrpflicht aussprachen.