5. Oktober 2025

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Verjüngung im Labor: Wie Forscher mit FOXO3 das Altern austricksten

 

Ist es möglich, die biologische Alterung des Körpers mithilfe genetisch veränderter Stammzellen umzukehren? Offensichtlich schon. Zumindest funktionierte dies laut einer jüngst veröffentlichten Studie bei Primaten.

Forscher der Chinesischen Akademie der Wissenschaften haben etwas erreicht, das bislang als theoretische Grenzregion der Biomedizin galt: Sie haben alternde Makaken messbar verjüngt. Nicht kosmetisch, sondern biologisch. Durch genetisch veränderte Stammzellen – “Super Stem Cells” genannt – konnten sie Entzündungen dämpfen, Gedächtnisleistungen verbessern, den Knochenabbau stoppen und in mehr als der Hälfte der untersuchten Gewebe die Vitalität wiederherstellen. Veröffentlicht wurde die Studie unter dem Titel “Senescence-resistant human mesenchymal progenitor cells counter aging in primates” im Fachjournal Cell.

Im Zentrum steht ein Molekül, das schon länger als Schlüsselprotein für Langlebigkeit gilt: FOXO3. Es steuert in Zellen eine ganze Batterie von Schutz- und Reparaturprogrammen – von der DNA-Stabilisierung bis zur Abwehr oxidativen Stresses. Wenn dieses System im Alter erlahmt, geraten Stammzellen in einen Ruhezustand, aus dem sie nicht mehr erwachen. Die Forscher aktivierten FOXO3 dauerhaft, indem sie mesenchymale Progenitorzellen (MPCs) genetisch modifizierten. Diese Zellen, die in Knochenmark und Bindegewebe vorkommen, sind für Regeneration und Gewebserhalt zuständig. Normalerweise altern sie mit dem Organismus, doch mit aktiviertem FOXO3 bleiben sie funktionsfähig – eine Art biologische Wartungseinheit, die nicht mehr altert.

Diese sogenannten seneszenzresistenten Zellen (SRCs) wurden anschließend alten Makaken injiziert – Tieren mit einem biologischen Alter, das dem eines 65- bis 70-jährigen Menschen entspricht. Die Resultate waren deutlich. Die Tiere zeigten in Lern- und Gedächtnistests bessere Leistungen als die Kontrollgruppe, ihre Knochendichte blieb stabil, die Zahl entzündlicher Zytokine im Blut sank signifikant. Sogar Organe, die normalerweise mit dem Alter stark degenerieren – etwa Gehirn und Reproduktionssystem – zeigten Anzeichen struktureller Regeneration.

Die Forscher führen diese umfassende Wirkung auf sogenannte Exosomen zurück – winzige Vesikel, die die SRCs freisetzen. Sie transportieren Proteine und RNA-Moleküle, die Zellen in der Umgebung zu ähnlichem Verhalten anregen. So entsteht ein Dominoeffekt: Eine kleine Zahl verjüngter Zellen verändert das biochemische Milieu des gesamten Organismus. Altern ist also kein bloßer Verschleiß, sondern ein aktiver Prozess – getrieben von molekularen Fehlsteuerungen, die theoretisch korrigierbar sind. Wenn man diese Steuerung zurücksetzt, folgt der Körper dem neuen Programm. Genau das geschah in diesem Versuch: FOXO3 lieferte den Code, MPCs das ausführende System.

Trotzdem ist die Euphorie in der Fachwelt verhalten. Zu groß ist das Risiko, dass langlebige Zellen auch unkontrollierbar werden. FOXO3 schützt zwar vor Zellschäden, kann aber gleichzeitig jene Mechanismen blockieren, die übermäßiges Zellwachstum bremsen. Mit anderen Worten: Wer die Seneszenz ausschaltet, spielt potenziell mit der Vorstufe zur Unsterblichkeit – aber auch mit der Krebsbiologie. Die Forscher beobachteten in der bisherigen Nachuntersuchung zwar keine Tumorbildung, aber Langzeitdaten stehen aus. Ein weiterer Punkt ist die Dauerhaftigkeit. Unklar bleibt, ob die Effekte Monate oder Jahre anhalten – oder ob die Zellen irgendwann wieder in den normalen Alterungsprozess zurückfallen. Auch die Frage, wie viele solcher Zellen für einen nachhaltigen Effekt nötig sind, ist noch offen.