Teil zwei einer dreiteiligen Serie über Kate Crawfords „Atlas of AI“
Seymour Hersh
Wir alle wissen, dass die Großmächte dieser Welt, insbesondere China und die Vereinigten Staaten, den wirtschaftlichen Wohlstand stets über saubere Luft und sauberes Wasser gestellt haben. Die Trump-Regierung trieb es so weit, dass sie ihren offenen Hass auf jede Gesetzgebung, die saubere Luft und Wasser über Unternehmensprofite stellen könnte, geradezu zum Fetisch machte.
Die stillen Meister dieser Doppelmoral, schreibt Kate Crawford in Atlas of AI, seien die globalen Unternehmen der Künstlichen Intelligenz. Sie arbeiteten hart daran, den Mythos von KI als „Cloud“ zu pflegen – etwas Schwebendes, Leichtes, beinahe ein grüner Industriezweig. Tatsächlich aber seien die Server in unscheinbaren Rechenzentren versteckt, deren Schadstoffemissionen weit weniger sichtbar seien als die Rauchschwaden von Kohlekraftwerken.
In Wahrheit, so Crawford, brauche es „eine gigantische Menge Energie, um die Infrastruktur von Amazon Web Services oder Microsoft Azure zu betreiben – und der CO₂-Fußabdruck der KI-Systeme auf diesen Plattformen wächst rasant.“ Zwar habe die Branche erhebliche Anstrengungen unternommen, um Rechenzentren energieeffizienter zu machen und den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen – doch die Wirkung sei gering. Schon jetzt, berichtet Crawford, „hat der CO₂-Fußabdruck der weltweiten Recheninfrastruktur das Niveau der Luftfahrtindustrie auf ihrem Höhepunkt erreicht – und wächst noch schneller.“
Eine kanadische Studie schätzt, dass der Technologiesektor bis 2040 14 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursachen wird. Ein schwedisches Forscherteam prognostiziert, dass der Strombedarf von Rechenzentren bis 2030 um das 15-Fache steigen wird.
Geschwindigkeit und Genauigkeit – auf Kosten des Planeten
Die unvermeidliche Schlussfolgerung, so Crawford: „Das Streben nach exponentiell mehr Geschwindigkeit und Genauigkeit hat einen hohen Preis für unseren Planeten.“
Sie zitiert eine Studie der Universität Massachusetts Amherst aus dem Jahr 2019: Schon das Training eines einzelnen KI-Modells zur Sprachverarbeitung (NLP) erzeugt über 660.000 Pfund CO₂-Emissionen – so viel wie 125 Hin- und Rückflüge von New York nach China.
Und selbst das sei nur eine Baseline, so die Forscher – nicht eingerechnet der industrielle Maßstab, auf dem Amazon oder Apple arbeiten. Diese Konzerne schöpfen riesige Datensätze aus dem gesamten Internet ab, um Systeme wie Siri oder Alexa zu verbessern. Wie viel Energie dabei genau verbraucht wird, bleibt unbekannt: „Diese Informationen gelten als streng gehütetes Unternehmensgeheimnis. Auch hier basiert die Datenökonomie auf der systematischen Aufrechterhaltung von Umwelt-Ignoranz.“
Datenzentren: Stromfresser im Verborgenen
In KI-Rechenzentren wird ständig versucht, Rechenzyklen zu maximieren – getrieben von der Idee „größer ist besser“. Das führt zu steil steigenden Energieverbräuchen. Heute gehören diese Zentren zu den größten Stromkonsumenten weltweit.
Doch nicht nur Energie, auch Wasser spielt eine Rolle. „Die Geschichte der Wassernutzung in den USA ist voll von Kämpfen und Geheimabsprachen“, schreibt Crawford – ähnlich wie bei der Computerinfrastruktur.
Ein Beispiel: das gigantische Rechenzentrum der National Security Agency (NSA) in Bluffdale, Utah, eröffnet 2013. Ein unscheinbarer Betonkomplex, aber in einer wüstenähnlichen Region ein enormer Wasserverbraucher. Schätzungen sprechen von 1,7 Millionen Gallonen Wasser pro Tag – offiziell bestätigt wurde das nie.
Crawfords Kernpunkt: Es geht nicht nur um Wasser. Es geht um die Isolation solcher Anlagen – ob militärisch oder kommerziell. Abseits großer Städte, versteckt in Industriegebieten oder Wüsten, tragen sie dazu bei, dass die „Cloud“ abstrakt erscheint, fast immateriell. In Wahrheit ist sie hochgradig materiell, verschlingt Ressourcen und wirkt massiv auf Umwelt und Klima – weit stärker, als bisher anerkannt.
Warum Crawfords Buch?
Sie selbst beschreibt ihr Motiv so: „Frische Methoden zu finden, um die tiefen materiellen und menschlichen Wurzeln von KI-Systemen zu verstehen, ist in diesem historischen Moment entscheidend – da die Folgen des menschengemachten Klimawandels längst im Gang sind.“
Doch das sei leichter gesagt als getan:
- Die Branche verschleiere die wahren Kosten.
- Das Ausmaß der nötigen Infrastruktur sei zu komplex und durch Patentrechte und technische Geheimhaltung verdeckt.
- Die Logistik dahinter sei so verflochten, dass ein vollständiger Blick unmöglich werde.
Ausblick
Der nächste Teil dieser Serie beleuchtet die Milliardäre, die die KI-Welt dominieren – und ihren Drang, die Zukunft von 8,2 Milliarden Menschen zu kontrollieren.