21. August 2025

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Kakao, Gedächtnis und die Mär von der Schokolade als Wundermedizin

 

Flavanole, die man in Kakaobohnen findet, könnten die Gedächtnisleistung von älteren Menschen deutlich verbessern, so eine Studie. Doch die derzeit viral gehenden Social-Media-Posts beinhalten zumeist nur Halbwahrheiten. Hier die wichtigen Fakten.

Es klang zu schön, um wahr zu sein: Schon 2014 machten Schlagzeilen die Runde, dass Kakao nicht nur das Herz erfreut, sondern auch die grauen Zellen fit hält. In den sozialen Medien wird diese Studie (natürlich ohne Jahresangabe und Hintergrundinformationen, siehe Beispieltweet unten) verbreitet und geht viral. Eine Forschergruppe an der Columbia University hatte damals in ihrer im Fachjournal Nature Neuroscience unter dem Titel “Enhancing dentate gyrus function with dietary flavanols improves cognition in older adults” veröffentlichten Studie verkündet, dass bestimmte Pflanzenstoffe im Kakao – die sogenannten Flavanole – die Leistung des Hippocampus verbessern und so Altersvergesslichkeit hinauszögern könnten. Medien weltweit überschlugen sich mit Jubelmeldungen. Die Schokolade als Gehirndoping – ein Traum für Genießer, ein gefundenes Fressen für die Industrie. Doch wie so oft: Die Realität hat wenig mit der süßen PR-Geschichte zu tun.

Denn schon ein genauerer Blick auf die Studie hätte Zweifel wecken müssen. Eine Handvoll Probanden, kurze Dauer, und vor allem: Es handelte sich um hochkonzentrierte Extrakte, nicht um die handelsübliche Tafel Schokolade oder das gewöhnliche Kakaopulver aus dem Supermarkt. Trotzdem wurde die frohe Botschaft unkritisch verbreitet. Millionen Menschen glaubten, sie könnten ihr Gehirn mit Kakao fit halten – und erneut wird offensichtlich versucht, einen entsprechenden Hype zu starten.

Neue Studien zeigen Ernüchterung

Doch inzwischen sind mehr als zehn Jahre vergangen – und die Wissenschaft hat ihre Euphorie stark abgekühlt. Neuere Meta-Analysen und groß angelegte Untersuchungen konnten keine klaren Beweise dafür finden, dass Kakao-Flavanole das Gedächtnis gesunder Erwachsener signifikant verbessern. Ja, es gibt kleinere Hinweise auf eine gewisse Durchblutungsförderung im Gehirn und mögliche Mini-Effekte auf die kognitive Leistung. Aber die erhoffte Wundermedizin gegen das Altern des Gehirns ist nicht in Sicht. Stattdessen lautet die nüchterne Erkenntnis: Kakao kann schmecken, Kakao kann kurzfristig die Stimmung heben – doch das große Heilmittel für die Demenzprävention ist er nicht.

Interessant ist auch, wie unterschiedlich die Ergebnisse je nach Studienlage ausfallen. Während frühe Arbeiten noch optimistische Schlagzeilen produzierten, zeigen neuere Reviews, dass die Effekte oft statistisch kaum ins Gewicht fallen. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie wissenschaftliche Einzelstudien durch mediale Überhöhung zu Heilsversprechen aufgeblasen werden – und Jahre später in sich zusammenfallen, wenn die Realität nicht mitspielt. Ein Déjà-vu, das man von Vitaminpillen, “Superfoods” und angeblichen Wundermolekülen nur allzu gut kennt.

Am Ende bleibt also wenig übrig von der süßen Illusion. Wer glaubt, er könne sein Gedächtnis mit Schokolade und Kakao schärfen, sitzt wohl einfach einem Werbemärchen auf. Und wieder einmal zeigt sich, wie fragil die Grenze zwischen Wissenschaft und Geschäft ist: Ein paar vorläufige Daten reichen, und schon wird der Verbraucher mit Heilsbotschaften bombardiert. Dass seriöse Nachprüfungen Jahre später oft das Gegenteil ergeben, interessiert dann kaum jemanden – schließlich klebt der Mythos bereits in den Köpfen.