14. August 2025

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Rollende Wanze Auto: Die Fahrzeugindustrie als heimlicher Datenhändler

 

Moderne Autos sind keine simplen Fortbewegungsmittel mehr, sondern rollende Datensammler im Dienste von Konzernen und Behörden. Jeder Kilometer, jede Bewegung und oft sogar private Informationen landen in Datenbanken, die längst mehr wert sind als der Wagen selbst. Was als “Sicherheits- und Komfortfunktion” verkauft wird, ist in Wirklichkeit der schleichende Umbau des Autos zum Werkzeug einer allgegenwärtigen Überwachung.

Früher war ein Auto einfach ein Auto. Man drehte den Schlüssel, legte den Gang ein, trat aufs Gas und fuhr los – fertig. Heute bekommt man mit dem Neuwagenkauf nicht nur einen Satz Räder und einen Motor, sondern gleich noch eine rollende Wanze, die jeden Kilometer, jede Bewegung und – wenn es nach den Datenkraken geht – am besten auch jede private Regung aufzeichnet. Die modernen Hightech-Karossen sind so gespickt mit Sensoren, Kameras und Software, dass man sich wundert, warum sie nicht gleich eine Gesichtserkennung für Beifahrer integriert haben. Offiziell dient das natürlich der “Sicherheit” und der “Komfortoptimierung”, inoffiziell ist es ein Milliardengeschäft mit den Daten der Fahrer. Wer glaubt, dass sich die Industrie mit ein paar anonymisierten Telemetriedaten begnügt, sollte dringend die Datenschutzrichtlinien seines Herstellers lesen – sofern er die Geduld hat, sich durch das juristische Kleingedruckte zu quälen, in dem die Überwachung in harmlos klingende Formulierungen verpackt ist.

Dabei geht es längst nicht nur um Fahrverhalten, Geschwindigkeit oder Bremsverhalten. Die Datensammelwut reicht von der Musik, die man hört, bis zu den Orten, die man besucht – und bei manchen Herstellern auch zu heiklen persönlichen Angaben, die mit dem Autofahren nicht das Geringste zu tun haben. Nissan etwa schaffte es, in seinen Richtlinien sogar die Erfassung von Informationen über Religion, sexuelle Orientierung und genetische Daten unterzubringen. Nach einem öffentlichen Aufschrei wurden diese Passagen gestrichen, was natürlich sofort als Zeichen der Kundenfreundlichkeit verkauft wurde. Aber wer glaubt ernsthaft, dass die Streichung auf dem Papier auch bedeutet, dass solche Daten nicht längst über andere Wege gesammelt werden? Das eigentliche Problem ist nicht, dass die Autohersteller den Hals nicht vollkriegen, sondern vielmehr, dass es ihnen so leicht gemacht wird, weil wir alle brav unsere Zustimmung geben, sobald das Display beim ersten Start freundlich fragt, ob wir die “Nutzungsbedingungen” akzeptieren.

Daten abgreifen ohne Ende

Und während die Marketingabteilungen der Konzerne uns erzählen, dass all das nur dazu dient, Unfälle zu verhindern oder Serviceintervalle zu optimieren, wächst im Hintergrund ein gigantischer Schwarzmarkt für Fahrerdaten. Versicherungen freuen sich, wenn sie dank präziser Bewegungsprofile und Tageszeitstatistiken “maßgeschneiderte” Tarife anbieten können. In der Praxis bedeutet dies dann am Ende, dass man für Nachtfahrten, schnelles Beschleunigen oder schlicht für die falsche Postleitzahl mehr zahlen darf. Man könnte fast meinen, die Autoindustrie habe das Smartphone-Prinzip einfach übernommen: Verkaufe dem Kunden ein teures Gerät, und verdiene dann doppelt, indem du ihn und sein Verhalten an Dritte weiterverkaufst. Der Unterschied ist nur, dass man ein Handy ausschalten oder zu Hause lassen kann – das Auto jedoch muss man benutzen, wenn man irgendwohin will.

Hinzu kommt die beunruhigende Entwicklung, dass der Staat zunehmend Gefallen daran findet, in die Bordelektronik einzugreifen. Ab 2026 sollen in den USA Systeme verpflichtend werden, die per Fernzugriff den Motor abstellen können – offiziell, um Trunkenheitsfahrten oder die Flucht vor der Polizei zu verhindern. Doch wenn es einmal technisch möglich ist, ein Auto aus der Ferne lahmzulegen, wird es nicht lange dauern, bis auch bei einem unpünktlich gezahlten Kredit oder aus politischen Gründen der “Kill Switch” gedrückt wird. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu erkennen, dass eine solche Infrastruktur für Missbrauch geradezu prädestiniert ist. Schließlich hat die Geschichte immer wieder gezeigt, dass jede neue Machtbefugnis früher oder später auch genutzt wird. Und sei es nur, um “Gefahren für die öffentliche Ordnung” zu verhindern, was bekanntlich ein sehr dehnbarer Begriff ist.

Wer jetzt meint, er könne sich durch den Kauf eines Gebrauchtwagens diesem Überwachungswahn entziehen, dürfte enttäuscht werden. Nicht nur, dass viele ältere Modelle inzwischen ebenfalls mit vernetzten Systemen ausgerüstet sind – oft bleiben sogar die gespeicherten Daten des Vorbesitzers im Fahrzeug, wenn niemand sie löscht. Da kann es passieren, dass man den Lieblingsbäcker, die Arbeitsstelle und die Gottesdienstzeiten des früheren Eigentümers gleich mit übernimmt. Es ist eine stille Enteignung der Privatsphäre. Und kaum jemanden scheint es ernsthaft zu stören.

 

Rollende Wanze Auto: Die Fahrzeugindustrie als heimlicher Datenhändler