Mit der Verordnung (EU) 2024/1083, bekannt als European Media Freedom Act (EMFA), will die EU offiziell die Unabhängigkeit der Medien sichern und Eingriffe durch Regierungen verhindern.
In Artikel 4 heißt es unmissverständlich:
„Die Mitgliedstaaten dürfen keine der folgenden Maßnahmen ergreifen: Mediendiensteanbieter in Gewahrsam nehmen, mit Sanktionen belegen, abhören oder kontrollieren.“
Doch gleich darauf folgt eine brisante Ausnahmeklausel:
Solche Maßnahmen sind zulässig, wenn sie „im Einzelfall durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt“ sind – wie in Artikel 3(b) und 4(c) festgeschrieben.
Diese Formulierung öffnet ein juristisches Schlupfloch, das es Regierungen erlaubt, sich im Namen eines vagen „öffentlichen Interesses“ über das Verbot hinwegzusetzen.
Ein realistisches Szenario: Wie die Klausel missbraucht werden könnte
Stellen wir uns vor:
Die investigative Journalistin Anna Keller recherchiert über ein streng geheimes EU-Sicherheitsabkommen mit einem Drittstaat. Dieses Abkommen erlaubt, personenbezogene Daten von EU-Bürgern an ausländische Geheimdienste weiterzugeben.
Keller erhält brisante Dokumente von einem Whistleblower innerhalb einer EU-Behörde und bereitet die Veröffentlichung vor.
Am Tag vor der Veröffentlichung greift die nationale Sicherheitsbehörde ein:
„Zur Wahrung des zwingenden öffentlichen Interesses – insbesondere der nationalen Sicherheit und des Schutzes internationaler Beziehungen – wird Frau Keller in Gewahrsam genommen und ihre Kommunikationsmittel beschlagnahmt.“
Die Begründung stützt sich auf Artikel 4(c) EMFA. Die Behörden argumentieren, eine Veröffentlichung könne „das Vertrauen des Partnerstaates und die Sicherheit laufender Operationen gefährden“.
Die Folgen für die Pressefreiheit
- Präventive Festnahme – Keller wird 48 Stunden festgehalten, um eine Veröffentlichung zu verhindern.
- Durchsuchung & Beschlagnahme – Laptops, Telefone und Dokumente werden gesichert, um Quellen zu identifizieren.
- Legale Rechtfertigung – Offiziell erfolgt alles „im Einklang mit der EU-Verordnung“.
- Abschreckungseffekt – Andere Journalisten vermeiden künftig heikle Themen, um nicht ins Visier zu geraten.
Warum das legal wäre
- Die Klausel „zwingendes öffentliches Interesse“ ist schwammig definiert.
- Begriffe wie „nationale Sicherheit“ oder „Schutz internationaler Beziehungen“ lassen sich nahezu beliebig auslegen.
- Selbst wenn die Maßnahme später vor Gericht scheitert, ist der unmittelbare Zweck – die Veröffentlichung zu stoppen – längst erreicht.
Fazit
Der EMFA wird als Meilenstein für die Pressefreiheit verkauft, könnte in der Praxis jedoch als Werkzeug zur gezielten Unterdrückung kritischer Berichterstattung dienen.
Die Ausnahmeregelung in Artikel 4(c) ist kein Randdetail, sondern ein mächtiger Hebel für präventive Zensur – ganz legal und im Einklang mit EU-Recht.
EU-Medienfreiheitsgesetz: Wie Brüssel legale Journalistenverfolgung ermöglicht