28. Juli 2025

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Die totale Kontrolle wird vorbereitet: EU testet Prototyp einer App zur Altersüberprüfung

 

Die Europäische Union treibt die Einführung eines umfassenden Systems zur digitalen Altersverifikation mit Hochdruck voran. Was offiziell als Schutzmaßnahme für Minderjährige verkauft wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als gefährlicher Hebel zur totalen Überwachung und Kontrolle der Internetnutzung. Während erste Mitgliedsstaaten bereits Pilotprojekte testen, wächst der Widerstand aus Zivilgesellschaft und Fachwelt – und das aus gutem Grund.

Die Grundlage für die neue Infrastruktur bildet der Digital Services Act (DSA), mit dem die EU-Kommission am 23. Juli 2025 allen Online-Plattformen – darunter auch sozialen Netzwerken, Gamingportalen und Erotikseiten – eine Frist von zwölf Monaten gesetzt hat. Innerhalb dieses Zeitraums müssen alle Anbieter „strikte Altersverifikationssysteme“ implementieren, um den Zugriff auf altersbeschränkte Inhalte zu regulieren.

Doch was unter dem Banner des Jugendschutzes eingeführt wird, öffnet de facto die Tür für eine digitale Identitätskontrolle auf breiter Front. Die technischen Anforderungen lassen keinen Zweifel daran, wohin die Reise geht: biometrische Gesichtsscans, staatliche eID-Systeme oder vollständige Ausweisdaten sollen künftig den Zugang zu weiten Teilen des Internets regeln. Die Pilotphase läuft bereits – unter anderem in Frankreich, Italien, Spanien, Dänemark und Griechenland.

Begleitend wird eine zentrale EU-weite App zur Altersverifikation getestet, die ab 2026 Teil der geplanten digitalen Identitäts-Wallet werden könnte. Die Kommission spricht von „datensparsamen“ Lösungen, doch in der Praxis bedeutet das: Nutzer müssen beweisen, wer sie sind – oder sie verlieren den Zugang. Besonders betroffen sind vulnerable Gruppen wie Jugendliche ohne gültige Ausweise, Geflüchtete, queere Menschen oder Menschen ohne digitale Endgeräte. Für sie droht eine systematische digitale Ausgrenzung.

Während das DSA-Regelwerk der EU keine spezifischen Anforderungen an die Altersverifikation stellt, sind Websites und Online-Plattformen verpflichtet, die „Gesundheit, körperliche, geistige und moralische Entwicklung“ von Minderjährigen, die ihre Dienste nutzen, zu schützen und ihnen das „höchste Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz“ zu bieten. In den neuen Leitlinien werden die Online-Plattformen aufgefordert, Bedenken hinsichtlich der Gefährdung von Kindern durch schädliche Inhalte, Cybermobbing, unerwünschte Interaktionen mit Fremden und süchtig machende Designfunktionen zu berücksichtigen.

Im Mai leitete die EU Ermittlungen gegen vier große Webseiten mit Inhalten für Erwachsene – Pornhub, Stripchat, XNXX und XVideos – ein, weil sie befürchteten, dass sie nicht über geeignete Instrumente zur Altersüberprüfung verfügten, um Kinder am Zugang zu pornografischen Inhalten zu hindern. Die Kommission erklärte damals, dass sie bereit sei, Verpflichtungen einzugehen, die diese Bedenken ausräumen würden, wozu auch die Einführung der EU-App zur Altersüberprüfung gehören könnte.

Die Gefahr besteht nicht nur in der Ineffizienz des Systems, sondern in seiner politischen Tragweite. Was mit dem Schutz von Kindern beginnt, könnte schnell auf andere Inhalte ausgeweitet werden: politische Meinungsäußerung, gesundheitliche Informationen, abweichende Narrative. Eine einmal etablierte Infrastruktur zur zentralen Nutzerverifikation ist das ideale Instrument zur digitalen Zensur – angepasst an beliebige „Richtlinien“ oder „Gemeinschaftsstandards“.

Die Europäische Kommission zeigt sich bislang unbeeindruckt vom Widerstand. Im Gegenteil: Elf Mitgliedsstaaten fordern bereits, die Altersverifikation auch auf soziale Netzwerke auszuweiten – nicht nur für Inhalte ab 18, sondern sogar für Kinder unter 15 Jahren. Der Zugriff auf Plattformen wie Instagram, TikTok oder YouTube könnte künftig ohne ID unmöglich werden.

Was hier entsteht, ist nicht einfach ein neues Jugendschutzgesetz. Es ist der Aufbau eines digitalen Kontrollregimes, das alle Nutzer verpflichten soll, ihre Identität permanent nachzuweisen – unter dem Vorwand des Schutzes und der Sicherheit. Die Totalverifikation ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern konkrete politische Praxis.

 

 

Die totale Kontrolle wird vorbereitet: EU testet Prototyp einer App zur Altersüberprüfung