Jacob Nordangård
Die BRICS-Staaten tragen die „Fackel der Nachhaltigkeit“, während die alte, von den USA geführte Weltordnung im Niedergang begriffen zu sein scheint. BRICS, das Forum für die Zusammenarbeit zwischen führenden Schwellenländern, hat am 6. und 7. Juli in Brasilien seinen 17. Gipfel der Staats- und Regierungschefs unter dem Motto „Stärkung der Zusammenarbeit des globalen Südens für eine integrativere und nachhaltigere Regierungsführung“ abgehalten. Gastgeber war der brasilianische Präsident Lula da Silva. Die Agenda war eng mit dem Fahrplan verwoben, der mit den Vereinten Nationen – dem Pakt für die Zukunft – einschließlich des Ziels der vollständigen Digitalisierung „zur Erreichung von Nachhaltigkeit“ und eines neuen multilateralen Systems unter der Führung einer reformierten und aufgewerteten UNO greift.
Es war daher keine Überraschung, dass einer der geladenen Gäste der UN-Generalsekretär António Guterres war und so die engen Beziehungen zwischen den UNO und den BRICS verdeutlicht wurden. In den letzten zwei Jahren sind die BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) auf elf Mitgliedstaaten angewachsen – darunter Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Ägypten, Äthiopien und Indonesien sowie zehn Partnerstaaten wie Belarus, Bolivien, Kuba, Kasachstan, Malaysia, Nigeria, Thailand, Uganda, Usbekistan und Vietnam. Eine heterogene Mischung, die sich als Gegengewicht zu den G7 versteht, aber zahlreiche interne Streitigkeiten, kulturelle und religiöse Unterschiede sowie keine starke, kohärente Führung aufweist.
Obwohl die BRICS als Herausforderer der „regelbasierten internationalen Ordnung“ der G7 gelten, wurden sowohl Lula da Silva als auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa – gemeinsam mit António Guterres – im vergangenen Monat als Gäste zum G7-Gipfel eingeladen. Ein Treffen, das aufgrund von Trumps Handelskrieg endete, ohne ein gemeinsames Kommuniqué. Südafrika ist zudem dieses Jahr Gastgeber des G20-Gipfels, den die BRICS als „wichtigstes globales Forum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit“ bezeichnen, während Brasilien zusammen mit den USA – die im nächsten Jahr Gastgeber sein werden – Teil der G20-Troika ist. Lula da Silva, 2010 mit dem ersten Global Statesman Award des Weltwirtschaftsforums ausgezeichnet, war jüngst Gastgeber der G20 und ist dieses Jahr Gastgeber der UN-Klimakonferenz COP 30 in Belém.
Angesichts all dieser Entwicklungen erscheint es nahezu unmöglich, den globalen Kurs zusammenzuhalten. Die BRICS-Staaten verurteilten in ihrer Erklärung Militärschläge gegen den Iran und lehnten jegliche Zwangsumsiedlung aus dem Gazastreifen ab, hielten aber an ihren nationalen Positionen zum russisch‑ukrainischen Krieg fest. Die G7 hingegen unterstützen Israels „Recht auf Selbstverteidigung“, sehen im Iran eine Quelle regionaler Instabilität, bezeichnen Russland als Schurken und warnen vor Chinas „destabilisierenden Aktivitäten“. In ihrer Schlussfolgerung ging es nicht um den „Pakt für die Zukunft“, sondern um KI-Entwicklung, Quantencomputing und Waldbrandbekämpfung.
Die BRICS wollen allerdings „eine friedlichere und nachhaltigere Zukunft“ durch „effektiven Multilateralismus“ sichern und streben eine größere Rolle im künftigen internationalen System an – einschließlich eines reformierten UN-Sicherheitsrats. Die brasilianischen Kernprioritäten für 2025 lesen sich wie ein Manifest für eine neue technokratische Weltordnung, die stark auf KI basiert:
Globale Gesundheitszusammenarbeit – Die BRICS unterstützen umfassend die WHO als zentrale Instanz internationaler Gesundheitsarbeit, insbesondere in Krisenzeiten. Sie bekennen sich zur vollständigen Umsetzung des WHO-Pandemieabkommens.
BRICS-Klima‑Führungsagenda – Ziel ist die vollständige Umsetzung des UNFCCC und des Pariser Abkommens. Geplant sind international anerkannte Methoden zur Treibhausgas‑Bewertung und CO₂-Buchhaltungssysteme, unterstützt durch digitale Technologie.
Partnerschaft für die industrielle Revolution – Unter Mitarbeit der UNIDO werden Kompetenzen für Industrie 4.0 gefördert. Das WEF hat „Zentren für die vierte industrielle Revolution“ in Brasilien, Indien, Saudi-Arabien und den VAE eingerichtet und unterhält Büros in China und Indien.
Inklusive und verantwortungsvolle KI-Governance – Die BRICS sehen die UNO als zentrale Institution für globale KI-Regulierung, um KI-Anwendungen zur Lösung kritischer Entwicklungsprobleme zu fördern – im Einklang mit dem Global Digital Compact des „Pakts für die Zukunft“.
Ein zentrales Thema ist laut dem offiziellen BRICS-Portal die Entwicklung intelligenter Städte („Smart Cities“). Diese sollen mithilfe neuer Technologien – insbesondere KI – urbane Herausforderungen wie Mobilität, Abfallmanagement, Wasser, Energieeffizienz und Katastrophenschutz adressieren. Die nächsten Smart Cities sollen nachhaltig, zugänglich und widerstandsfähig sein. Passend dazu wurde am 1. Juli 2025 der internationale Wettbewerb SMART CITY 2030: Sustainable Urban Development Management in BRICS Countries von Universitäten in Russland, China, Indien und Brasilien gestartet.
Das Thema Smart Cities gehört auch zur G20-Agenda: die G20 Global Smart Cities Alliance wurde 2019 unter der japanischen Präsidentschaft gegründet, mit dem Weltwirtschaftsforum als Sekretariat. Zudem erkennen die BRICS die Bedeutung „kritischer Mineralien für emissionsfreie Energien, Energiesicherheit und resilientere Versorgungsketten“ an – eine Priorität, die sowohl in der diesjährigen G20- als auch G7-Agenda genannt wird und vom WEF als zentraler Bereich für globale Kooperation identifiziert wurde.
Obwohl zwischen den Hauptakteuren deutliche Unterschiede bestehen, führen alle Wege in Richtung einer stark regulierten, überwachten Smart City mit dem erklärten Ziel, „notwendige Verhaltensänderungen zu fördern“, wobei das WEF eine koordinierende Rolle übernimmt. Dies spiegelt sich auch im ägyptischen (BRICS‑Mitglied) Wiederaufbauplan für den Gazastreifen wider.
Letztlich sind es die BRICS, die heute die „Fackel der Nachhaltigkeit“ tragen – allerdings als Teil einer technokratischen Agenda, die im Westen ihren Ursprung hat. Während die alte, von den USA dominierte Weltordnung zerfällt, entsteht ein neues Machtgefüge mit transnationaler, KI-gestützter Steuerung – vorbereitet von denselben alten Eliten. Immer wieder wurde betont, dass die Trump-Administration darauf abzielt, diese alte Ordnung zu demontieren und den Weg für ein neues globales, technokratisches System zu bereiten – wahrscheinlich im Zuge eines globalen Schocks oder Krieges. Doch diejenigen, die den Plan orchestrieren, sind die altbekannten Machteliten, die sich auf den Trümmern einer neuen „Smarter-World“-Herrschaft gründen wollen – Smart City‑Gulags mit „nachhaltigen“ Regeln und totaler Kontrolle.
Das Stimson Center, ein führender Akteur beim UN‑„Pakt für die Zukunft“, veröffentlichte jüngst zwei Szenarien, die zeigen, wie die globale Führungsrolle der USA bis 2030 erodieren könnte. In „Anwesend bei der Zerstörung: Eine Schadensbilanz für 2030“ heißt es:
„Die am 20. Januar ausgelöste Revolution brachte innerhalb weniger Monate eine achtzigjährige wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Ordnung zum Wanken. Frühere Zivilisationen zerfielen von innen – doch kaum eine so freiwillig.“ Die Szenarien zeichnen ein Bild jener Welt im Jahr 2029, „wenn sich die USA aus ihrer Rolle als Garant und Vollstrecker zurückziehen“. Das Stimson Center in Washington D.C. spielte eine zentrale Rolle beim UN‑Zukunftsgipfel und im „Pakt für die Zukunft“. Eine detaillierte Analyse dieser Szenarien folgt in einem späteren Beitrag.
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1 Stimson Center (2025), BRICS to G20: Advancing Climate, Equality, and Multilateral Reform,stimson.org/2025/brics-to-g20-advancing-climate-equality-and-multilateral-reform/
2 Americas Quarterly (2010), Weltwirtschaftsforum ehrt Lula,americasquarterly.org/blog/world-economic-forum-honors-lula/
3. BRICS (2025), Erklärung von Rio de Janeiro,brics.br/de/documents/presidency-documents/250705-brics-leaders-declaration-de.pdf/@@download/file
4. G7, Zusammenfassung des Vorsitzes, 17. Juni 2025,g7.canada.ca/de/news-and-media/news/chairs-summary/
5, BRICS (2025), Smart Cities in den BRICS: Künstliche Intelligenz, Süd-Süd-Kooperation und die Zukunft der nachhaltigen Stadtentwicklung,brics.br/de/news/articles/smart-cities-in-the-brics-artificial-intelligence-south-south-cooperation-and-the-future-of-sustainable-urban-development
6. Internationaler Wettbewerb: „SMART CITY 2030: Nachhaltiges Stadtentwicklungsmanagement in den BRICS-Staaten“,smartcity2030.tech/main
7. WEF, Global Smart Cities Alliance,globalsmartcitiesalliance.org/about
8. BRICS (2025)
9. G7-AKTIONSPLAN FÜR KRITISCHE MINERALIEN,mofa.go.jp/files/100862251.pdf
10.Weltwirtschaftsforum (2024), Securing Minerals for the Energy Transition: Unlocking the Value Chain through Policy, Investment and Innovation,weforum.org/docs/WEF_Securing_Minerals_for_the_Energy_Transition_2024.pdf
11.OECD (2023), How can smart cities boost the net-zero transition? Proceedings of the 3rd OECD Roundtable on Smart Cities and Inclusive Growth (3. Juli 2023),oecd.org/de/publications/how-can-smart-cities-boost-the-net-zero-transition_bc554887-de.html
12. Middle East Eye (2025), Was ist Ägyptens 53-Milliarden-Dollar-Plan für den Wiederaufbau des Gazastreifens?middleeasteye.net/news/was-egypts-plan-gaza-wiederaufbau_; Government of Egypt, Early Recovery, Reconstruction, and Development of Gaza, static-cdn.toi-media.com/www/uploads/2025/03/Arab-Proposal-.pdf