Hatte der Boeing-Whistleblower Salehpour mit seinen Behauptungen recht? Der in Indien abgestürzte Dreamliner war bereits mehr als elf Jahre alt. Materialfehler und Schlampigkeit bei der Konstruktion könnten dafür verantwortlich sein. Was werden die Untersuchungen ans Tageslicht bringen?
Ein tragischer Flugzeugabsturz hat die lang gehegten Sicherheitsbedenken rund um den Boeing Dreamliner erneut ins Rampenlicht gerückt. Eine Boeing 787-8 der Air India verunglückte kurz nach dem Start – es war der erste tödliche Unfall mit diesem Flugzeugtyp. Flug AI171 hatte gerade den Sardar Vallabhbhai Patel International Airport verlassen, als die Maschine in ein medizinisches College im Stadtteil Meghani Nagar von Ahmedabad stürzte. An Bord befanden sich 242 Menschen – Passagiere und Crew. Der Schock in Indien ist groß, die Trauer ebenso. Der Zivilluftfahrtminister Ram Mohan Naidu reagierte umgehend und ordnete eine offizielle Untersuchung durch das Aircraft Accident Investigation Bureau (AAIB) an.
Whistleblower-Warnungen gewinnen an Bedeutung
Auch wenn die genaue Ursache des Unglücks noch nicht feststeht, rücken nun erneut die Warnungen des Boeing-Ingenieurs und Whistleblowers Sam Salehpour in den Fokus – über die damals auch Report24 berichtet hatte. Salehpour hatte bereits im Jahr 2024, wie zuvor schon andere Mitarbeiter, bei der US-Luftfahrtbehörde FAA offiziell Beschwerde eingelegt. Darin warf er Boeing vor, bei der Produktion der Langstreckenjets vom Typ 787 und 777 bewusst “Abkürzungen” genommen zu haben – aus seiner Sicht auf Kosten der Sicherheit. Mit dem tragischen Absturz bekommen seine Aussagen nun ein neues, bedrückendes Gewicht.
Besonders erschreckend war, was er über die Produktion erzählte: Bei der Montage des Flugzeugs, so seine Aussage, seien winzige Spalten in der Rumpfstruktur nicht richtig verschlossen worden. Solche scheinbar kleinen Mängel könnten jedoch gravierende Folgen haben – sie könnten die Lebensdauer der Maschinen erheblich verkürzen und das Risiko erhöhen, dass es mit der Zeit zu gefährlichen strukturellen Schäden kommt. Boeing wies diese Vorwürfe entschieden zurück und betonte, dass der Dreamliner absolut sicher sei. Doch die US-Luftfahrtbehörde FAA nahm die Sache ernst und leitete eine Untersuchung ein. Auch im Kongress wurde man aufmerksam – erste Anhörungen folgten. Salehpour betonte damals, es gehe ihm nicht darum, Boeing zu schaden. Im Gegenteil: “Ich tue das nicht, weil ich will, dass Boeing scheitert”, sagte er. “Ich tue es, weil ich möchte, dass das Unternehmen wieder auf den richtigen Kurs kommt – und weil ich helfen will, Unfälle zu verhindern.”
Salehpours Beschreibung der angeblich angewandten Methoden alarmierte die Ermittler zusätzlich. “Ich habe buchstäblich gesehen, wie Leute auf Teile des Flugzeugs gesprungen sind, um sie auszurichten. Durch das Auf- und Abspringen werden Teile vorübergehend verformt, damit die Löcher übereinstimmen… und so baut man kein Flugzeug”, sagte Salehpour. Diese Praktiken bei der Produktion sollen nicht nur den Verschleiß beschleunigen, sondern auch das Risiko eines katastrophalen Versagens erhöhen, insbesondere mit zunehmendem Alter der Flugzeuge. Der abgestürzte Dreamliner wurde im Jahr 2013 gebaut und im Januar 2014 an Air India ausgeliefert. Damit war das Flugzeug bereits mehr als elf Jahre alt.
Boeings Krisenserie setzt sich fort
Der Absturz in Indien ist der jüngste Rückschlag in einer Serie von Krisen für den amerikanischen Flugzeughersteller. Ed Pierson, ein ehemaliger leitender Manager bei Boeing, der zuvor Alarm wegen der 737 MAX geschlagen hatte, beschrieb “wiederholte Beispiele für überstürzte Arbeit”, um Fristen einzuhalten – Bedenken, die Salehpour im Zusammenhang mit dem 787 Dreamliner teilte. “Es gab wiederholt Beispiele für überstürzte Arbeit und Abkürzungen, alles in dem Bemühen, die Flugzeuge so schnell wie möglich aus der Tür zu bekommen und auszuliefern, damit das Unternehmen Geld verdienen kann”, sagte Pierson.
Der Dreamliner hatte seit seiner Einführung weltweit mit vereinzelten Zwischenfällen zu kämpfen. Laut dem Luftfahrt-Tracker AeroInside wurden allein in diesem Jahr fünf technische Fehler gemeldet – von Hydrauliklecks bis hin zu Fahrwerksdefekten. Die eigene 787-Flotte von Air India hat eine problematische Geschichte mit 32 dokumentierten Vorfällen zwischen 2015 und 2024. Dazu gehörten Kabinendruck-Verlust, Triebwerksausfälle und Windschutzscheiben-Risse, obwohl bisher keine Todesfälle zu beklagen waren. Laut einem Bericht des Wall Street Journal hat die FAA ihre Untersuchung der Whistleblower-Behauptungen intensiviert und prüft nun, ob die angeblichen Produktionsmängel ein unmittelbares Sicherheitsrisiko darstellen könnten.
Indiens Luftfahrt-Tragödie: Technische Mängel beim Boeing 787 Dreamliner als Absturzursache?