18. Mai 2025

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Chinas Statistik-Blackout: Die große Daten-Verschleierungsstrategie

 

Was hat das kommunistische Regime in Peking zu verbergen? Seit längerer Zeit werden wichtige Statistiken einfach nicht mehr veröffentlicht. Insbesondere auch deshalb, weil die Daten nicht nur wirtschaftliche Probleme aufzeigen dürften, sondern auch eine Implosion der Bevölkerungszahlen.

Peking vollzieht im Stillen eine der größten statistischen Säuberungsaktionen der modernen Wirtschaftsgeschichte. Hunderte kritische Wirtschaftsindikatoren – von Landverkäufen bis zu Arbeitslosenzahlen – sind systematisch aus dem öffentlichen Blickfeld verschwunden, wie das Wall Street Journal in einer umfangreichen Analyse berichtet. Selbst die banale Sojasoßenproduktion wird nun wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Diese orchestrierte Informationskontrolle ist kein Zufall, sondern Teil einer umfassenden Strategie.

Das Timing dieser Datenverknappung ist entlarvend. Genau als Chinas Immobilienblase platzte, die Verschuldung kritische Höhen erreichte und strukturelle Probleme unübersehbar wurden, begann der große Daten-Blackout. Die Parteiführung unter Xi Jinping, die ihre Legitimität seit Jahrzehnten auf wirtschaftliches Wachstum stützt, kann sich keine ehrliche Bestandsaufnahme leisten. Stattdessen wird die Realität hinter einem undurchdringlichen Vorhang statistischer Manipulation verborgen – eine Taktik, die selbst die sowjetischen Planbürokraten vor Neid erblassen lassen würde.

Die Wachstumslüge

Die offiziellen Wachstumszahlen Chinas sind längst zur Farce verkommen. Mit geradezu mathematischer Präzision erreicht Peking Jahr für Jahr seine ganzen vorab festgelegten Wachstumsziele – 5 Prozent im Jahr 2024, 5,2 Prozent im Jahr 2023. Doch hinter den Kulissen schätzen unabhängige Analysten die tatsächlichen Zahlen um 2 bis 3 Prozentpunkte niedriger ein. Die Goldman Sachs errechnete für 2024 ein reales Wachstum von mageren 3,7 Prozent, während die Rhodium Group sogar nur 2,4 Prozent veranschlagt. Diese Diskrepanz ist kein statistischer Fehler, sondern systematische Täuschung.

Der verstorbene Premier Li Keqiang hatte in einem ungewöhnlichen Moment der Offenheit die Wahrheit ausgeplaudert: Die BIP-Zahlen seien “künstlich erzeugt” und “nur zur Referenz”. Stattdessen verfolgte er handfeste Indikatoren wie Stromverbrauch und Frachtvolumen. Unter Xi Jinping wurde diese pragmatische Skepsis durch dogmatischen Optimismus ersetzt. Als der prominente chinesische Ökonom Gao Shanwen es tatsächlich wagte, öffentlich von einem realen Wachstum “um die 2 Prozent” zu sprechen, wurde er umgehend diszipliniert und mit einem Redeverbot belegt. Die Botschaft ist klar: Die Kommunistische Partei bestimmt die wirtschaftliche Realität, nicht die Fakten.

Verschwundene Immobilienberichte

Der kollabierte Immobilienmarkt steht exemplarisch für Pekings Informationskontrolle. Als das Beike Research Institute 2022 alarmierende Leerstandsraten in chinesischen Städten dokumentierte – höher als in den USA und anderen entwickelten Märkten – dauerte es nur Tage, bis der Bericht zurückgezogen wurde. Die plötzliche “Entdeckung von Fehlern” in der Methodik war nichts anderes als ein durchsichtiger Vorwand für politische Zensur. Die Wahrheit über Chinas Geisterstädte und die Billionen an vernichtetem Vermögen durfte nicht ans Licht kommen.

Noch bezeichnender war das Verschwinden der offiziellen Landverkaufsdaten Anfang 2023, nachdem sie einen katastrophalen Einbruch von 48 Prozent offenbart hatten. Diese Zahlen waren geradezu politisches Dynamit, denn sie legten damit faktisch die prekäre Finanzlage der hochverschuldeten Lokalregierungen offen, die plötzlich ihre Haupteinnahmequelle verloren hatten. Statt die strukturellen Probleme anzugehen – übermäßige Abhängigkeit von Immobilienspekulation und unproduktive Infrastrukturinvestitionen – wählte Peking den einfacheren Weg: Die problematischen Daten wurden einfach aus dem öffentlichen Bewusstsein getilgt.

Die Jugendarbeitslosigkeitskrise

Die explodierende Jugendarbeitslosigkeit wurde für Xi Jinpings “chinesischen Traum” zum Albtraum. Als die offizielle Rate Mitte 2023 auf rekordverdächtige 21,3 Prozent kletterte und Universitätsprofessorin Zhang Dandan die tatsächliche Quote auf schockierende 46,5 Prozent schätzte, reagierte das Regime mit brutaler Effizienz. Im August 2023 verschwand die Jugendarbeitslosigkeitsrate komplett aus den offiziellen Statistiken – angeblich zur “methodischen Überarbeitung”.

Was folgte, war statistische Alchemie in Reinform. Nach fünfmonatiger “Überarbeitung” präsentierte Peking eine magisch reduzierte Jugendarbeitslosigkeit von nur noch 14,9 Prozent. Der Trick? Einfach 62 Millionen angebliche Vollzeitstudenten aus der Berechnung streichen – ein Verfahren, das jeder internationalen statistischen Konvention widerspricht. Diese dreiste Manipulation zeigt die Verzweiflung eines Regimes, das eine ganze Generation junger, gut ausgebildeter Menschen ohne berufliche Perspektiven nicht erklären kann. Die stummen Proteste von Hochschulabsolventen, die sich in Talaren regungslos auf den Boden legten, wurden so auch statistisch begraben.

Kapitalflucht und Marktmanipulation

Als ausländische Investoren im Frühjahr 2024 in Panik chinesische Aktien im Wert von über 2 Milliarden Dollar abstießen, griff Peking zu einem bewährten Mittel: Verdunklung. Die Börsen in Shanghai und Shenzhen stellten kurzerhand die Veröffentlichung von Echtzeitdaten über ausländische Kapitalflüsse ein. Die fadenscheinige Begründung, man passe sich internationalen Standards an, verschleierte kaum den wahren Zweck – die massive Kapitalflucht zu verbergen, die das Vertrauen einheimischer Kleinanleger erschüttern könnte.

Diese Informationsblockade konnte den Absturz des CSI 300-Index jedoch nicht verhindern, der vier Monate lang unaufhaltsam fiel. Erst als die Parteiführung im September ein massives Konjunkturpaket ankündigte – ein Eingeständnis der wirtschaftlichen Notlage –, stabilisierten sich die Märkte vorübergehend. Doch ohne strukturelle Reformen und echte Transparenz bleibt dies ein Pyrrhussieg. Die westlichen Finanzinstitute, die jahrzehntelang vom “chinesischen Wunder” profitiert haben, ziehen sich nun still und leise zurück, während Peking verzweifelt versucht, diesen Exodus zu verschleiern.

Die demografische Zeitbombe

Die demografische Krise Chinas – Resultat der verhängnisvollen Ein-Kind-Politik – stellt möglicherweise die größte langfristige Bedrohung für das chinesische Wirtschaftsmodell dar. Auch hier greift das Regime zu statistischen Täuschungsmanövern von atemberaubender Dreistigkeit. Der mutige Demograf Yi Fuxian hatte eine brillante Methode entwickelt, um Chinas geschönte Geburtenzahlen zu überprüfen: Er verglich sie mit der Anzahl verabreichter Tuberkulose-Impfungen, die in China für jeden Säugling obligatorisch sind.

Das Ergebnis war vernichtend: Während offizielle Statistiken für 2020 stolze 12,1 Millionen Geburten verkündeten, wurden nur 5,4 Millionen Tuberkulose-Impfungen verabreicht – eine Diskrepanz, die auf massive Übertreibungen hindeutet. Die Reaktion des Regimes folgte prompt: 2021 wurde die Veröffentlichung der Impfdaten eingestellt. Diese systematische Verschleierung der demografischen Wahrheit hat weitreichende Konsequenzen. China altert schneller als jede andere große Volkswirtschaft, bevor es reich geworden ist – ein historisch einmaliges Dilemma, das die Parteiführung durch statistische Manipulation zu leugnen versucht.

Die Suche nach der Wahrheit

In diesem Klima organisierter Desinformation greifen westliche Analysten und mutige chinesische Ökonomen zu immer kreativeren Methoden, um die wirtschaftliche Realität zu erfassen. Sie analysieren Satellitenbilder nächtlicher Lichtemissionen, verfolgen die Auslastung von Zementfabriken oder werten Standortdaten von Baidu-Nutzern aus. Ein findiger Analyst zählt sogar Medienberichte über Fitnessstudiobesitzer, die mit den Mitgliedsbeiträgen verschwinden – ein verzweifelter Versuch, die tatsächliche Lage im Dienstleistungssektor zu erfassen.

Diese improvisierte Wirtschaftsforschung erinnert an die Sowjetologie des Kalten Krieges, als westliche Experten aus Getreideernten und Militärparaden die wahre Stärke der sowjetischen Wirtschaft zu ermitteln versuchten. Die Tatsache, dass ähnliche Methoden nun auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt angewendet werden müssen, ist ein vernichtendes Urteil über Chinas Glaubwürdigkeit. Während Peking von “Win-Win-Kooperation” und “gemeinsamer Zukunft” spricht, betreibt es eine Informationspolitik, die jedes Vertrauen untergräbt.

Die systematische Datenverschleierung Chinas ist mehr als ein statistisches Problem – sie ist Ausdruck eines fundamentalen Widerspruchs. Ein Regime, das vorgibt, eine führende Weltwirtschaftsmacht zu sein, verhält sich gleichzeitig wie ein paranoider Überwachungsstaat, der selbst banalste Wirtschaftsdaten als Staatsgeheimnisse behandelt. Diese Strategie mag kurzfristig die Kontrolle sichern, untergräbt aber langfristig genau das Vertrauen, das China für seinen wirtschaftlichen Aufstieg benötigt. Die große Daten-Verschleierungsstrategie könnte sich als einer der folgenschwersten strategischen Fehler der Xi-Ära erweisen.

 

Chinas Statistik-Blackout: Die große Daten-Verschleierungsstrategie