14. Mai 2025

ddbnews.org

Neuigkeiten / Berichte / Informationen

Mutierter Reis und Bill Gates’ Laborratten: Große Experimente auf Indiens Feldern

 

Von Colin Todhunter

Ende 2024 löste Bill Gates in Indien Empörung aus, als er das Land in einem Podcast mit Reid Hoffman als „eine Art Labor, um Dinge auszuprobieren“ bezeichnete. Gates lobte die Stabilität Indiens und sprach von einem „Testgelände“ für globale Initiativen.

Diese Äußerung stieß auf breite Ablehnung. In den sozialen Medien brach ein Sturm der Entrüstung los. Viele Inder warfen Gates vor, ihr Land zu einem bloßen Experimentierfeld westlicher Interessen zu machen. Nutzer bezeichneten Inder als „Versuchskaninchen“ in Gates’ Labor und stellten die ethischen Grundlagen und Absichten solcher Experimente infrage.

Eine weit verbreitete Reaktion auf X fasste die Stimmung prägnant zusammen:

„Indien ist ein Labor, und wir Inder sind die Versuchskaninchen für Bill Gates. Diese Person hat alle unter Kontrolle – von der Regierung über die Oppositionsparteien bis hin zu den Medien. Sein Büro arbeitet hier ohne FCRA, und unser Bildungssystem hat ihn zum Helden gemacht! Ich weiß nicht, wann wir aufwachen werden!“

(FCRA = Foreign Contribution (Regulation) Act, regelt ausländische Spenden, um sicherzustellen, dass sie dem nationalen Interesse nicht schaden.)

Die Kontroverse lebte erneut auf, als am 5. Mai 2025 bekannt wurde, dass Indien als erstes Land zwei genmanipulierte Reissorten offiziell zugelassen hat: Kamala (DRR Dhan 100 Kamala) und Pusa DST Rice 1. Diese gelten nicht als gentechnisch veränderte (GV) Pflanzen im klassischen Sinne. Anders als bei konventionellen GVO, bei denen fremde DNA eingebaut wird, nutzen diese Sorten CRISPR-Cas-basierte SDN-1- und SDN-2-Technologien zur gezielten Veränderung bestehender Gene.

Diese Unterscheidung wird von der Agrar-Biotech-Industrie aktiv gefördert, um GV-Pflanzen regulatorisch von aufwendigen Sicherheitsprüfungen und mehrjährigen Feldversuchen zu befreien. Bereits 2022 nahm die indische Regierung solche Pflanzen aus dem Geltungsbereich der Bestimmungen über gefährliche Substanzen im Umweltschutzgesetz heraus.

Die Freistellung von GV-Pflanzen von Biosicherheitstests wirft ernsthafte Bedenken hinsichtlich möglicher Gesundheits- und Umweltrisiken auf. Auch wenn diese Technologie von der Industrie als „präzise“ angepriesen wird, ist das eher PR als Wissenschaft. Schon minimale Genveränderungen können schwerwiegende, unvorhersehbare Folgen haben. Der Harvard-Biotechnologe George Church bezeichnete CRISPR sogar als „stumpfe Axt“ und warnte vor potenziell gravierenden unbeabsichtigten Auswirkungen.

Kritiker fordern transparente, unabhängige Tests, bevor solche Pflanzen breit eingeführt werden. Die derzeitige regulatorische Ausnahmestellung in Indien wird als verfrüht und möglicherweise illegal kritisiert – insbesondere, da der Oberste Gerichtshof weiterhin die Gentechnik in der Landwirtschaft prüft. Aktivisten warnen davor, dass Biotech-Interessen erheblichen Druck auf Regulierungsbehörden ausüben, um Sicherheitsprotokolle zu umgehen und öffentliche sowie wissenschaftliche Kontrolle zu schwächen.

Obwohl diese Reissorten vom Indian Council for Agricultural Research (ICAR) entwickelt wurden, betonen zivilgesellschaftliche Gruppen – insbesondere die Coalition for a GM-Free India –, dass Gen-Editing-Technologien wie CRISPR/Cas9 firmeneigene, patentierte Verfahren sind. Dies wirft ernste Fragen zur Saatgutsouveränität und zu den Rechten der Landwirte auf. Die Patente könnten die Kontrolle großer Konzerne über die indische Landwirtschaft zementieren und das jahrhundertealte Recht der Bauern, Saatgut zu speichern und auszutauschen, untergraben.

Eigentums- und Patentrechte stehen im Zentrum der Debatte über genmanipulierten Reis in Indien. Die Diskussion geht weit über Fragen der Biosicherheit hinaus – es geht um die Autonomie der Bauern, die Kontrolle über die Lebensmittelsysteme und den zunehmenden Einfluss privater Patentinhaber gegenüber öffentlichen Institutionen.

Kritiker fordern Transparenz in Bezug auf geistiges Eigentum an den neuen Reissorten und stellen infrage, warum öffentliche Gelder des ICAR in Entwicklungen fließen, die primär Unternehmensinteressen dienen. Die mangelnde Offenlegung von Entwicklungsprozessen, Sicherheitsdaten und Eigentumsverhältnissen ist ein zentrales Problem.

Die Aktivistin Aruna Rodrigues, eine langjährige Gegnerin der Kommerzialisierung von GVO-Kulturen in Indien, warnt vor Wiederholungen früherer Fehler – etwa bei der katastrophalen Einführung von Bt-Baumwolle. Sie hat mehrfach Versäumnisse von Regulierungsbehörden offengelegt, darunter die unrechtmäßige Freigabe von herbizidtolerantem (HT) Basmati-Reis. Sie bezeichnete solche Maßnahmen als illegal und als Verstoß gegen die bestehenden GVO- und Umweltschutzgesetze (vgl. ihren Artikel Bayer liebt Basmati).

Rodrigues warnt zudem, das Vorgehen des ICAR gefährde Indiens florierenden Bio-Reis-Exportmarkt und ignoriere die Empfehlungen des vom Obersten Gerichtshof eingesetzten Technischen Expertenausschusses (TEC), der ein vollständiges Verbot von HT-Pflanzen aufgrund ihrer Umweltrisiken gefordert hatte.

Laut Rodrigues stecken die Behörden in massiven Interessenkonflikten: dieselben staatlichen Institutionen, die GV- und gene-editierte Pflanzen fördern, sind gleichzeitig für deren Regulierung zuständig – etwa das Ministerium für Wissenschaft und Technologie, das Landwirtschaftsministerium und das ICAR.

Sie sieht den gesamten regulatorischen Apparat als von Unternehmensinteressen vereinnahmt. Regierungsbehörden würden zunehmend als ausführende Organe der Biotech-Industrie fungieren.

Sowohl Rodrigues als auch die Coalition for a GM-Free India haben zahlreiche Interessenkonflikte und Regelverstöße aufgedeckt. Die TEC kritisierte bereits vor Jahren gravierende Mängel in der Bewertung biologischer Sicherheit und forderte eine Überarbeitung der Gesetzgebung – bislang ohne Konsequenzen.

Befürworter von gv-Reis wiederholen altbekannte Narrative: höhere Erträge, Hilfe gegen Hunger, Unterstützung für Bauern, Anpassung an den Klimawandel. Doch diese Versprechen sind irreführend. Sie dienen als Hebel, um das indische Ernährungssystem für Konzerninteressen zu öffnen. Die Probleme der indischen Bauern beruhen auf politischem Versagen – nicht auf mangelnder Produktivität. Agrarökologische, kleinbäuerliche Systeme bieten längst erprobte Lösungen für Klimaresistenz und stabile Erträge (vgl. Widerlegung der fehlerhaften Prämisse für die Einführung von GVO in Indien).

Die Versprechen von 25–30 % höheren Erträgen bei den neuen Sorten sind laut Bauernverbänden und zivilgesellschaftlichen Gruppen unbelegt. Es fehlen transparente, öffentlich zugängliche Felddaten. Indien produziert bereits mehr Reis, als es benötigt – ungeprüfte Ertragsversprechen rechtfertigen keine Einführung risikobehafteter gv-Sorten. Die Deregulierung von Gen-Editing ohne Biosicherheitsprüfung wird als unrechtmäßig und unwissenschaftlich bezeichnet – sie untergräbt die Glaubwürdigkeit solcher Versprechungen.

Indien kennt solche überzogenen Behauptungen bereits. Auch bei gv-Senf versprach man höhere Erträge – bis Aruna Rodrigues mit eidesstattlichen Erklärungen vor dem Obersten Gerichtshof nachwies, dass diese Behauptungen haltlos waren.

Die Kritiker werfen der Regierung vor, sich der GVO-Lobby zu unterwerfen und Genmanipulation als präzise und sicher zu verkaufen, obwohl die wissenschaftliche Literatur viele Risiken und Unsicherheiten dokumentiert (z. B. auf GMWatch.org). Indiens Zustimmung zu gv-Nutzpflanzen – unterstützt von Akteuren wie Bill Gates und kompromittierten Behörden – ist ein Beispiel für unternehmerische Vereinnahmung und regulatorische Aushöhlung.

Bill Gates, ein langjähriger Verfechter genetisch veränderter Pflanzen, traf sich im März 2025 mit Premierminister Modi – kurz vor der Ankündigung zu gv-Reis. Auch wenn das zeitliche Zusammentreffen zufällig sein mag, ist Gates’ Einfluss auf die Agrarbiotechnologie unbestritten. Indiens künftige Ernährungssicherheit und ökologische Gesundheit hängen davon ab, dass ungetestete Technologien abgewehrt und regulatorische Integrität wiederhergestellt wird – frei von unternehmerischem und pseudo-philanthropischem Einfluss.

Gates wird aufgrund seines Vermögens von Medien und Politikern oft wie ein König behandelt – doch seine Technokratie-Ideologie reduziert komplexe soziale, politische und wirtschaftliche Probleme auf scheinbar einfache technische Lösungen. Allzu oft wird dadurch bewusst ignoriert, dass echte Lösungen verdrängt und diskreditiert werden – zugunsten von Experimenten auf dem Rücken der Ärmsten, gefördert durch kooptierten Regierungen und beeinflusste Behörden.

Viele der hier behandelten Themen finden sich ausführlich in Colin Todhunters frei zugänglichem Online-Buch Power Play: The Future of Food. Gedruckte Ausgaben (Hindi & Englisch) werden derzeit von Bagha Books an zivilgesellschaftliche Gruppen, Bildungseinrichtungen und interessierte Leser in Indien verteilt.

,

.

Uncut-News.ch

.

.

.