In einer Welt, die zunehmend von strategischen Allianzen, wirtschaftlicher Konkurrenz und geopolitischen Machtblöcken geprägt ist, steht die Europäische Union oft allein da. Die Beziehungen zu Russland, China und den USA sind angespannt – nicht in offener Feindschaft, aber in einer Phase des Misstrauens, der Umorientierung und des Mangels an echter Partnerschaft. Die EU wirkt dabei nicht als Vermittlerin oder eigenständige Kraft, sondern zunehmend wie ein außenpolitischer Beobachter – isoliert, zögerlich und innerlich gespalten.
Gastkommentar von Lothar Renz
Russland: Keine Annäherung in Sicht, aber auch kein Ersatz für den Dialog
Der russische Angriff auf die Ukraine hat eine tiefe Zäsur in den EU-Russland-Beziehungen hinterlassen. Sanktionen, politische Distanz und ein weitgehender Abbruch wirtschaftlicher Kooperationen bestimmen seither das Verhältnis. Dennoch bleibt Russland ein zentraler Akteur in der europäischen Sicherheitsarchitektur. Selbst während des Kalten Krieges funktionierten wirtschaftliche Verbindungen, etwa im Energiebereich, weiter.
Heute fehlt oft der politische Wille zu langfristigen Perspektiven. Europa setzt auf Abschottung – doch wie internationale Politikbeobachter wiederholt betonen, droht dadurch ein langfristiger Einflussverlust, besonders in Regionen wie Osteuropa und Zentralasien, wo Russland weiter aktiv ist.
China: Zwischen wirtschaftlichem Interesse und politischer Entfremdung
China ist für Europa zugleich wichtiger Handelspartner und systemischer Rivale. Die Einführung von Strafzöllen auf chinesische Elektrofahrzeuge durch die EU war laut einem Bericht von Euronews Business eine Reaktion auf massive Subventionen durch die chinesische Regierung. In Peking sorgte das für scharfe Kritik – der Handelskonflikt ist damit offiziell eröffnet.
Politisch wurde das Verhältnis durch Äußerungen von Außenministerin Annalena Baerbock weiter belastet. Sie bezeichnete China bei einem Besuch in Peking offen als “systemischen Wettbewerber” und kritisierte das Vorgehen gegenüber Taiwan und die Nähe zu Russland. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentierte damals, dass diese Rhetorik zwar konsequent sei, aber kaum Spielraum für diplomatische Bewegung lasse.
Zwischen dem Wunsch nach fairen Handelsbedingungen und der Notwendigkeit diplomatischer Kanäle steht die EU heute vor einer schwierigen Gratwanderung.
USA: Enge Partnerschaft, aber unterschiedliche Prioritäten
Die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten bleiben eng – aber sie sind komplexer geworden. Der “Inflation Reduction Act”, ein gewaltiges US-Subventionsprogramm für grüne Technologien, benachteiligt europäische Unternehmen auf dem Weltmarkt deutlich. Wie unter anderem das Branchenportal Klean Industries analysierte, haben viele EU-Staaten Schwierigkeiten, mit vergleichbaren staatlichen Investitionen zu reagieren.
Auch außenpolitisch zeigen sich Unterschiede. Während Washington in geopolitischen Fragen oft entschlossener agiert, fehlt der EU häufig die Einigkeit, um mit klarer Linie zu reagieren. Diese Asymmetrie in Tempo und Priorität wurde mehrfach in Analysen der Süddeutschen Zeitung und Le Monde aufgegriffen: Die USA handeln, Europa diskutiert.
Fazit: Europa – allein unter Giganten
Was bleibt, ist ein Europa zwischen drei Großmächten – alle mit klaren Strategien und nationalen Interessen. Die EU dagegen ringt mit sich selbst.
Keine echte Allianz mit Russland, ein zunehmend gestörtes Verhältnis zu China, und eine transatlantische Partnerschaft, die mehr vom amerikanischen Kurs abhängig ist als von eigener Initiative: Europa steht zunehmend allein auf dem globalen Parkett.
Die politische Idee Europas – als Mittler, Wertegemeinschaft und wirtschaftliches Gegengewicht – verliert an Strahlkraft, wenn wirtschaftliche Stärke nicht in politische Handlungsfähigkeit übersetzt wird.
Will Europa nicht weiter in die weltpolitische Bedeutungslosigkeit abrutschen, muss es lernen, seine Interessen mit Nachdruck, aber auch mit strategischem Geschick zu vertreten. Der Schlüssel liegt in der Einigkeit – und im Mut zur eigenen Handschrift in der Weltpolitik.
Allein auf weiter Flur: Wie die EU zwischen den Weltmächten steht und an Einfluss verliert