23. August 2025

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Wassersteuer: Abzocke als Volkserziehung

 

Trotz rückläufigen Wasserverbrauchs wollen einige Regionen das Wasser für Verbraucher teurer machen. Angeblich zum Schutz des Klimas. In Wahrheit sehen immer mehr klamme Kommunen hier eine Möglichkeit zusätzlicher Einnahmen. 

Die Kommunalabgabenordnung fordert das Kostendeckungsprinzip. Es besagt, dass die Gebühren, die für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen oder Leistungen erhoben werden, nur die damit verbundenen Kosten, also die Ausgaben für Betrieb, Wartung und Sanierung, decken, nicht aber darüber hinausgehen dürfen. Oder anders gesagt: Der Staat soll an den grundlegenden und lebensnotwendigen Dienstleistungen, die er dem Bürger schuldet – wie beispielsweise die Versorgung mit Trinkwasser – kein Geld verdienen. In letzter Zeit kommen jedoch zunehmend Bestrebungen auf, diese sinnvolle Vorschrift zu umgehen, um mit dem Verkauf von Trinkwasser Geld in die ständig klammen Staatskassen zu spülen. Begründet werden die neuen Wassersteuern mit dem Klimaschutz.

Staffelpreise bei Trinkwasserverbrauch in Niedersachsen

Die Niedersächsische Landesregierung (SPD und Grüne) hat am 23. Juni 2025 einen Gesetzentwurf beschlossen, um das Niedersächsische Wassergesetz (NWG) zu ändern. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) ist der Ansicht, dass sich die „beschleunigende Klimakrise und die dadurch ausgelöste Wasserkrise“ dadurch in den Griff bekommen lassen, dass „das Wassergesetz an die großen Veränderungen der Gegenwart“ angepasst wird. Um also den menschengemachten Klimawandel zu stoppen, soll den Bürgern der sparsame Umgang mit Trinkwasser „nahegelegt“ werden, und zwar über den Geldbeutel. Die Wasserversorger, also die Stadtwerke, sollen in Zukunft einen höheren Wasserverbrauch mit einem höheren Grundpreis bestrafen. Positiv formuliert klingt das so: „Ein sparsamer Verbrauch soll besser finanziell belohnt werden als bisher.“ Das altbewährte System, wo jeder Verbraucher einen Festpreis pro Kubikmeter zahlt, soll jetzt – der Umwelt zuliebe – durch gestaffelte Wasserpreise ersetzt werden: Wer mehr verbraucht, soll pro Kubikmeter mehr bezahlen.

Der Wiesbadener Wassercent

Der Wassercent in Wiesbaden ist eine neue Wasserverbrauchssteuer in Höhe von 90 Cent pro Kubikmeter Trinkwasser, die seit dem 1. Januar 2024 erhoben wird. Die Stadt Wiesbaden möchte damit einen Anreiz zum sparsamen Wasserverbrauch schaffen. Die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung beschloss diese Abgabe mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linken und Volt im Dezember 2023. Das hessische Innenministerium als Kommunalaufsicht stoppte den Wassercent zunächst, da mit den Wassergebühren ja nur die Kosten gedeckt und keine Gewinne erzielt werden dürfen. Eigentlich. Doch die Stadt Wiesbaden klagte dagegen und bekam vor dem örtlichen Verwaltungsgericht Recht. In der Begründung heißt es, diese Wasserverbrauchssteuer sei gerade hoch genug für einen Lenkungseffekt ohne dabei erdrosselnde Wirkung zu haben.

Das neue Wasserentnahmeentgelt in Bayern

Auch Bayern wird ab Januar 2026 eine Wasserverbrauchssteuer einführen, in Höhe von 10 Cent pro Kubikmeter entnommenen Grundwassers. Die Begründung: Klimaschutz sei wichtig, und die Folgen des Klimawandels träfen insbesondere Bayern. Das Geld soll angeblich in die Wasserinfrastruktur fließen. Diese Steuer auf Wasserentnahme gibt es schon seit 1988 und wurde nach und nach in 13 der 16 Bundesländer eingeführt. Nur in Bayern, Hessen und Thüringen wurde bislang auf die Erhebung dieser Steuer verzichtet. Nun wird sich Bayern 2026 dazugesellen. Das hessische Umweltministerium hatte im Jahr 2023 eine Studie zur Einführung dieses Wasserentnahmeentgelts in Auftrag gegeben, die zu dem Ergebnis kam, dass die Zusatzsteuer zum sorgsamen Umgang mit Wasser anreizen kann. Im Jahr 2024 spülte diese Steuer in den Bundesländern, die bereits ein Wasserentnahmeentgelt erheben, jedenfalls zusätzliche Einnahmen von etwa 453 Millionen Euro in die Kassen.

Der Trinkwasserbedarf ist bereits stark rückläufig

Die gesamte Entnahme aus den natürlichen Wasserspeichern ist in Deutschland in den letzten 30 Jahren stark rückläufig. Die für den Trinkwasserbedarf entnommene Wassermenge wurde seit 1991 von 6.500 Millionen Kubikmetern, auf 5.300 Millionen Kubikmeter im Jahr 2022 reduziert. Das entspricht einem Rückgang um 18,5 Prozent.

Der Rückgang des Wasserverbrauchs wurde möglich, weil die Wasserversorgungsunternehmen die Wasserverluste, verursacht von Rohrbrüchen und Undichtigkeiten, durch Erneuerung der Infrastruktur reduzieren konnten: Im Jahr 1991 gingen durch marode Leitungen von insgesamt 6.500 Millionen Kubikmetern Trinkwasser 758 Millionen Kubikmeter verloren – 11,7 Prozent. Im Jahr 2022 waren es von 5.300 Millionen Kubikmetern noch 469 Millionen Kubikmeter, was 8,8 Prozent entspricht. Für die 1970er und 1980er Jahre gibt es keine flächendeckenden Daten zu den abgegebenen Trinkwassermengen und Verlusten durch Leckagen. Jedoch kann – die damalige Infrastruktur in Betracht ziehend – von einer Verlustrate von 20 bis 25 Prozent ausgegangen werden.

Die Einsparung wurde auch durch die gesunkene individuelle Wassernutzung erreicht. Lag die tägliche Wassernutzung 1991 noch bei 144 Litern pro Tag und Einwohner, wurden im Jahr 2024 noch 126 Liter pro Tag und Einwohner gebraucht – das sind 12,5 Prozent weniger. Im Vergleich mit ähnlich entwickelten Industriestaaten ist der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland bereits niedrig: Der Durchschnitt in Europa liegt aktuell bei 144 Litern, in den USA bei 295 Litern pro Kopf und Tag. Wir sparen also bereits sehr fleißig Wasser.

Mehr Spülungen der Trinkwasserleitungen notwendig

Im Jahr 2022 wurden 166 Millionen Kubikmeter Trinkwasser zur Spülung von Leitungen und Filtern benötigt. Denn: Die Trinkwasserleitungen der öffentlichen Netze müssen in Deutschland regelmäßig gespült werden, um die Rohre zu reinigen und das Leitungssystems zu erhalten. Dabei wird das technische Regelwerk des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.) zugrunde gelegt. Für das Spülen von Trinkwasserleitungen muss reines Trinkwasser verwendet werden.

Das Trinkwassernetz in Deutschland wurde in den 1950er- bis 1980er-Jahren mit Blick auf einen steigenden Trinkwasserbedarf ausgelegt. Man ging von einem stetig wachsenden Wasserbedarf durch Bevölkerungswachstum, Industrialisierung und steigenden Lebensstandard aus. Daher wurden viele Rohrleitungen mit größeren Durchmessern gebaut, als damals tatsächlich benötigt, um langfristig höhere Durchflussmengen zu ermöglichen. Dies führte zu einem robusten, aber überdimensionierten Netz. Entgegen diesen Erwartungen ist der Pro-Kopf-Wasserverbrauch in Deutschland aber seit den 1990er-Jahren gesunken.

Die überdimensionierten Netze in Kombination mit dem gesunkenen Wasserbedarf führen heute zu Problemen. Denn: Geringere Durchflussmengen verringern die Fließgeschwindigkeit und lassen das Wasser länger in den Leitungen stehen. Der sinkende Wasserverbrauch führt zu hygienischen Problemen wie Korrosion, Ablagerungen  – zum Beispiel aus Eisen- und Manganverbindungen – und mikrobiologischer Belastung im Trinkwassernetz, was regelmäßige Spülungen notwendig macht. Und große Rohre müssen häufiger gespült werden, um bei sinkendem Bedarf die Wasserqualität zu sichern.

Die durch geringe Fließgeschwindigkeiten aufgrund niedrigen Verbrauchs entstehenden Probleme werden also durch Hochdruckspülungen mit Trinkwasser ausgeglichen. Der DVGW schlägt, um den Trinkwassergebrauch für Rohrspülungen zu reduzieren, eine sogenannte zustandsorientierte Strategie vor, was bedeutet, die Spülung wird nur dann und dort gemacht, wann und wo die Trinkwasserleitung sie nötig hat. Der Ansatz berücksichtigt explizit die Auswirkungen von geringem Wasserdurchfluss auf die Netzhygiene. Die zustandsorientierte Spülstrategie wird bereits in Städten wie Leipzig und Chemnitz eingesetzt, um braun gefärbtes Wasser durch Ablagerungen in den Leitungen zu verhindern, die durch geringen Wasserverbrauch entstehen. Auch aus diesem Grund brauchen wir eine Erneuerung der Trinkwasserinfrastruktur.

Die Lebensdauer der alten Trinkwasserinfrastruktur ist bereits überschritten

Am 8. August 2025 ist mitten in der Wiesbadener Innenstadt eine Hauptwasserleitung gebrochen. Innerhalb von 30 Minuten sind rund 1.000 Kubikmeter, also eine Million Liter Trinkwasser in den Boden geflossen. Der Schaden entstand an einem Graugussrohr aus dem Jahr 1954 – der Riss war sechs Meter lang. Die Leitung sollte eigentlich längst erneuert werden und befand sich „weit oben in der Erneuerungsstrategie“. Der Verkehr musste umgeleitet und eine große Platane eiligst gefällt werden, weil der Wurzelbereich vom Wasser unterspült worden war, und der Baum umzufallen drohte. Der Wasserdruck hat zu Rissen in der Fahrbahn geführt und Pflastersteine angehoben. Bereits im Sommer 2024 war es in Wiesbaden im gleichen Innenstadtbereich – ebenfalls an einer Graugussleitung – zu einem massiven Wasserrohrbruch gekommen.

Grauguss ist eine Eisenlegierung mit einem hohen Anteil an in Lamellen angeordnetem Kohlenstoff. Er lässt sich gut in Form gießen und ist relativ hart, also verschleißfest. Daher wurde er früher gerne für Wasserleitungen verwendet. Aber er ist auch sehr spröde, und dadurch neigen die Rohre dazu, bei Belastungen – wie beispielsweise Straßenverkehr – zu brechen.

Wiesbaden ist nur eine Stadt in Deutschland mit veralteten Wasserrohren! Im Jahr 2022 gingen in Deutschland insgesamt 469 Millionen Kubikmeter Trinkwasser, also 469.000.000.000 Liter, einfach verloren. Die Erneuerung der Trinkwasserinfrastruktur wäre dringend notwendig, wenn man schon unbedingt Wasser einsparen will (siehe hier und hier).

Natürlich könnte die Stadt Wiesbaden stattdessen ihren rund 300.000 Einwohnern auch einen wöchentlichen Waschlappen-Tag nahelegen: Jeder wäscht sich, wie früher, an der Waschschüssel anstatt zu duschen, um so den Trinkwasserverlust durch marode Leitungen und Rohrspülungen wieder einzusparen.

 

 

 

https://www.achgut.com/artikel/wasser_steuer_abzocke_als_volkserziehung