Die vom verfestigten Vulkanauswurf teilweise befreiten Städte Pompeji, Herkulaneum, Oplontis und Stabiae gelten als Ikonen des auf grausame Weise konservierten römischen Alltags. Aber worauf beruht die Sicherheit, dass es sich bei den Ausgrabungen um den Inhalt eines Tresors römischer Lebensart handelt? Der Vesuv soll immer wieder ausgebrochen sein. Wie ist eine Datierung auf den 24. August des Jahres 79 zustande gekommen? Eine alternativlose Festlegung eines so weit zurückliegenden Ereignisses weckt Zweifel.
Leben in Ruinen?
Es gibt Landkarten aus späteren Zeiten, auf denen die angeblich verschütteten Städte eingezeichnet sind. Eine davon ist die sogenannte Tabula Peutingeriana, die als Herbergsführer sicher keine unbewohnten Orte verzeichnete.
Ihre Datierung ist zwar unklar, aber selbst die offizielle Geschichtsschreibung liegt mit der zweifelhaften Annahme einer „spätrömischen“ Entstehung (3.-4. Jahrhundert) lange nach dem ominösen Jahr 79. Höchstwahrscheinlich stammt die Landkarte sogar aus dem 15. Jahrhundert, da Indien bereits abgebildet ist. Ein Erstaunen der Gelehrten über die Einträge von Pompeji und Herculaneum blieb jedenfalls noch 1598 aus, als die Tabula Peutingeriana erstmals in Druck ging.
Es ist allerdings noch kurioser. 15 Kilometer südlich von Neapel befindet sich an der Fassade der Villa Pharao Mennela ein Epitaph für die Opfer des größten durch mehr als 50 Dokumente gesicherten Vesuvausbruchs im Jahr 1631, auf dem die vernichteten Städte in lateinischer Sprache verzeichnet sind. Darin werden auch Pompeji und Herculaneum genannt:
Von einem zwischenzeitlichen Wiederaufbau ist nirgends die Rede. Die Inschrift ist bereits von einem französischen Italienreisenden 1687/8 gesehen und notiert worden.i Es ist nicht bekannt, dass Leser seines Buches den Sachverhalt bezweifelt hätten. Offenbar kannte damals niemand die angebliche Verschüttung im Jahr 79.
1592 muss Pompeji jedenfalls noch oberirdisch gelegen sein. Denn da erstellte der aus Rom verbannte Vollender des Petersdoms, der Architekt Domenico Fontana (1543-1607), vom Fluss Sarno südlich von Neapel einen Kanal zu Mühlen in Torre Annunziata. Obwohl seine Trasse mit einer Länge von 1764 Meter durch den Hügel verlief, auf dem Pompeji erbaut wurde, berührt oder beschädigt sein Bau kein Gebäudefundament. Fontana muss bei der Planung der unterirdischen Galerie die Lage der Häuser gekannt haben. Seine zahlreichen Brunnen im Kanalverlauf lagen auf dem Bodenniveau des heute ausgegrabenen Pompeji. Wäre die Stadt damals schon verschüttet gewesen, müssten die Brunnen nach der Freilegung wie Industrieschornsteine in die Landschaft ragen!
Wie hätte er auch fast zwei Kilometer im vulkanischen Auswurf ohne die nötige Lüftung arbeiten lassen können? Wäre Fontana außerdem auf eine verschüttete römische Stadt gestoßen, hätte dies bereits zu seiner Zeit Ausgrabungen veranlasst. Schließlich war alles Römische seit der Renaissance eine Sensation und bares Geld wert. Ein Architekt, der sich einer Wiedergeburt der Antike verschrieben hatte, wäre sofort elektrisiert gewesen. Eine zum Ausbruch am 16. Dezember 1631 gestochene Karte mit den Lavaströmen zeigt jedenfalls Herculanum und Pompeji als betroffene Städte:
Quelle: Mascoli, G. B. 1633. De incendio vesuvii excitato XVLJ. Napoli
Obwohl Fontana nichts über eine Auffindung einer verschütteten antiken Stadt vermittelt, wird er heute als zufälliger Entdecker Pompejis genannt, der die Bedeutung nicht erkannt oder kein Interesse gefunden hätte! Dies ist unglaubhaft, da zumindest sein Sohn, der ebenfalls als Architekt in Neapel wirkte, die Entdeckung am Leben erhalten hätte.
1709 stellte der Antikenexperte Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) bei seinem Besuch des teilweise ausgegrabenen Pompeji eine zum Verwechseln große Ähnlichkeit damals neuer mit den vermeintlichen antiken Gebäuden außen wie innen fest, ohne die antike Katastrophe in Frage zu stellen. In seinem Tagebuch vermerkte er 1787: „Pompeji setzt jedermann wegen seiner Enge und Kleinheit in Verwunderung. Schmale Straßen, obgleich grade und an der Seite mit Schrittplatten versehen, kleine Häuser ohne Fenster, aus den Höfen und offenen Galerien die Zimmer nur durch die Türen erleuchtet. Selbst öffentliche Werke, die Bank am Tor, der Tempel, sodann auch eine Villa in der Nähe, mehr Modell und Puppenschrank als Gebäude. Näher an der Stadt fielen mir die kleinen Häuser wieder auf, die als vollkommene Nachbildungen der pompejanischen dastehen.“ii
Moderne Reiseführer teilen diese Ansicht: „Bewundernswert ist das sehr hohe Niveau der darstellenden Kunst in Pompeji (Fresken, Mosaike, Statuen), das dem Stand der Wissenschaft der Renaissance entspricht. Bei den Ausgrabungen wurde eine Sonnenuhr mit gleichmäßig aufgeteilten Stunden gefunden, ein Gerät, dessen Bau sogar im späteren Mittelalter ein großes Problem war. Die berühmten antiken Mosaike aus Pompeji sind in Komposition, Kolorit und Stil den Fresken Raffaels, Julio-Romano, das heißt den Fresken der Renaissance, auffallend ähnlich. Das alles bezeugt ein außerordentlich hohes Niveau der Entwicklung der Stadt und seiner Bewohner.“ Auch tauchten christliche Motive bei den Ausgrabungen auf, die es im Jahr 79 noch gar nicht gegeben haben kann.iii Bleibt ein Drittel von Pompeji unter vulkanischen Trümmern, weil man kompromittierende Funde fürchtet?
Antike Beweise?
Tatsächlich beruht das offizielle Katastrophendatum lediglich auf zwei „Briefen“ eines „Plinius des Jüngeren“, von denen nur „Abschriften“ aus der Renaissance existieren. Diese Briefe wären vom angeblichen Augenzeugen erst etwa 25 Jahre nach der angeblichen Katastrophe zu Pergament gebracht worden und sind an den als Kunstfigur entlarvten Historiker „Tacitus“ gerichtet. Niemand anderem scheint das Ereignis eine Zeile wert gewesen zu sein. Als Neffe des Naturforschers Plinius des Älteren hätte er von dessen Haus in Misenum den Ausbruch aus der Ferne beobachtet. Alle anderen späteren Erwähnungen lassen sich darauf zurückführen, obwohl sich die Schilderungen erheblich unterscheiden!
Nachdem Plinius der Ältere zur Rettung von Menschen und Sachen am Ufer angelegt hätte, wäre er wegen Gegenwind gezwungen gewesen, im Hause seines Freundes Pomponius zu übernachten. Frühmorgens wäre er in ägyptischer Finsternis bei ununterbrochenem Hagel von porösen Bimssteinen an den Strand gegangen. Dort hätte er sich auf ein flachgelegtes Segel gelegt und seinen Kopf mit einem Kissen geschützt. Plinius sei dann von zwei seiner Sklaven aufgehoben worden und wäre plötzlich tot umgefallen.
In der angeblichen Biographie des älteren Plinius, die meist einem „Caius Suetonius Tranquillus“ (kurz: Sueton) zugeschrieben wird, lesen wir eine andere Version: „Er fand bei einer Katastrophe in Kampanien den Tod; denn als er bei einem Ausbruch des Vesuvs zur Erkundung der Ursachen mit einem leichtem Boot näher hingefahren war, und der Gegenwind ihn gehindert hat zurückzukehren, wurde er von Asche und Staub verschüttet. Oder, wie einige meinen, wäre er von seinem Sklaven getötet worden.“
Die Briefe des jüngere Plinius wären in seiner letzten Lebensphase öffentlich gemacht worden. Dies wirft natürlich die Frage auf, ob er denn alle Briefe vor der Versendung dupliziert oder wieder zurückgefordert hätte! Um es bis in die Renaissance zu schaffen, hätten diese Briefe eines unbedeutenden römischen Rechtsanwaltes dann noch mindestens einmal kopiert und sorgfältig verwahrt werden müssen, um 1500 Jahre später in Paris wieder aufgefunden zu werden. Liegen die Ersterwähnung der Plinius-Briefe von 1471 und deren Erstdruck 1508 nur zufällig nahe beim ersten Auftauchen der Tacitus-Werke? Jedenfalls dienen dessen biographische Daten als Anker für die Datierung, da der jüngere Plinius natürlich keine A.D-Angabe mitlieferte. Es gibt keinen Bodenfund der dieses Datum stützen könnte.
Es ist verstörend, wenn die angeblich wortgetreuen Abschriften der Briefe den 24. August als Katastrophendatum nennen, obwohl inzwischen aufgefundene Erntefrüchte mindestens den Monat Oktober oder November erfordern. Wie hätte sich ein angeblicher Augenzeuge eines so epochalen Ereignisses in der Jahreszeit täuschen können? Plausibel ist nur, dass der Schreiber des Briefes nicht dabei war und die heutigen Funde natürlich nicht kennen konnte. Die Schutzbehauptung, dass es sich bei dem unpassenden Monat um den Irrtum eines Kopisten gehandelt hätte, ist lächerlich, da es voneinander unabhängige Abschriften gegeben haben soll, die denselben „Fehler“ enthalten. Der 16. Dezember des einzigen sicher bezeugten Ausbruchs vor der Barockzeit im Jahr 1631 passt dagegen.
Obwohl die Angaben der Todesopfer zwischen 4.000 und 18.000 Menschen schwanken, wird das Ereignis im Jahr 1631 heute klein geredet. Stereotyp wird nur noch die Zahl 4.000 genannt. Selbst diese Zahl wäre höher als die in Pompeji seit Beginn der Ausgrabungen im 18. Jahrhundert gefundenen knapp über 1000 Leichen. Es gibt also keinerlei Grund das gesicherte Ereignis vom 16. Dezember 1631 als Petitesse gegenüber den vagen widersprüchlichen Vermutungen über einen Ausbruch im Jahr 79 hinzustellen. Nur der 16. Dezember 1631 lässt sich widerspruchsfrei mit den heute bekannten Fakten in Einklang bringen.
Referenzen
i Misson FM: Reise nach Italien. Thomas Fritschen; Leipzig 1713
ii Goethe JW: Italienische Reise. 2. revidierte Auflage;
iii Fomenko AT: History: Fiction or Science. S. 65; Delamare; Paris/London/New York 2003-17