5. Oktober 2025

ddbnews.org

Neuigkeiten / Berichte / Informationen

Von Big Data bis KI-Kameras: Immer mehr Möglichkeiten zur Überwachung der Bürger

 

In Deutschlands Hauptstadt plant die schwarz-rote Landesregierung, die öffentliche Überwachung auszuweiten. So sollen KI-Kameras bald das Verhalten von Bürgern scannen und analysieren. Im weltweiten Vergleich wird in Deutschland noch relativ wenig überwacht.

Dem Berliner Senat liegt ein Gesetzentwurf vor, mit dem der Landesverfassungsschutz künftig deutlich mehr Befugnisse erhalten soll. Der Entwurf der schwarz-roten Landesregierung stammt vom Mai 2025. Nun haben Datenschützer verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.

Ausweitung der Videoüberwachung in Berlin

Neben dem Einsatz von sogenannten Staatstrojanern, um Computer und Smartphones zu durchsuchen, soll auch der Zugriff auf die Videoüberwachung öffentlicher Orte ausgeweitet werden. Betreiber von Einrichtungen wie Einkaufszentren, Sportstätten oder Parkplätzen könnten demnach verpflichtet werden, Bildmaterial an die Behörden zu übermitteln.
Zudem soll die Wohnraumüberwachung erleichtert werden, indem bisherige Einschränkungen aufgehoben werden. Besonders umstritten ist die geplante Einschränkung des Auskunftsrechts für Bürger: Wer wissen will, ob er vom Verfassungsschutz überwacht wird, muss künftig ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen, was die Transparenz deutlich reduziert.
Kritiker sehen in diesen Gesetzesvorhaben massive Eingriffe in die Grundrechte. Berlins Datenschutzbeauftragte und Organisationen wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte warnten Mitte September im Verfassungsschutzausschuss des Landesparlaments vor einer Ausweitung staatlicher Macht, die demokratische Prinzipien gefährden könnte.
Sie fordern stattdessen mehr Kontrolle der Sicherheitsbehörde und Transparenz im Umgang mit Daten.

KI-Pilotprojekte mit Verhaltensscanner

Doch der Berliner Senat treibt die Möglichkeiten zur Überwachung der Menschen in der Hauptstadt weiter voran. So soll dort eine Überwachungs-KI mit Verhaltensscanner als Pilotprojekt zum Einsatz kommen, die das Verhalten von Passanten analysiert. Das bestätigte der Berliner Senat am 29. September laut „netzpolitik.org“.
Tests mit der Software vom Fraunhofer-Institut laufen bereits seit sieben Jahren in Mannheim. Auch in Hamburg ist sie seit Anfang September im Einsatz.
Diese intelligenten Kamerasysteme zeichnen nicht nur auf, sondern analysieren auch Bewegungsmuster. Ziel dieser Systeme ist es, auffälliges Verhalten wie Schlagen, Treten oder Hinfallen zu erkennen und in Echtzeit Alarm auszulösen – etwa zur Unterstützung von Sicherheitsdiensten oder zur schnelleren Reaktion bei Notfällen.
Diese Form der Überwachung geht demnach deutlich über klassische Videoaufzeichnung hinaus. Kritiker und Datenschützer warnen vor den Risiken solcher Technologien: Die automatisierte Bewertung von Verhalten könne zu voreiligen Verdachtsmomenten führen, insbesondere wenn die Algorithmen fehlerhaft oder diskriminierend arbeiten.
Es bestehe die Gefahr, dass Menschen aufgrund ihres Bewegungsprofils oder ihrer Körpersprache fälschlicherweise als verdächtig eingestuft werden, ohne dass eine menschliche Prüfung oder Kontextbewertung erfolge. Datenschützer führen auch an, dass die rechtliche Grundlage für solche Systeme oft unklar ist und die Kontrolle durch Datenschutzbehörden nicht flächendeckend erfolgt.

1,3 Millionen Kameras im öffentlichen Raum

Doch in welchem Umfang findet eine Überwachung öffentlicher Plätze in Deutschland derzeit schon statt? Erst kürzlich gingen in Hamburg 69 Kameras chinesischer Herkunft, die auch Gesichtserkennung und biometrische Analyse beherrschen, in Betrieb (Epoch Times berichtete).
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Laut einer im Juli 2024 erschienenen Analyse des Unternehmens Weber Protect für Sicherheitstechnik aus Berlin gab es im Jahr 2021 etwa 1,3 Millionen Kameras in öffentlichen Bereichen in Deutschland.
Der Analyse zufolge finden sich in deutschen Kommunen Kameras hauptsächlich dort, wo ein konkreter Zweck vorliegt: zur Verkehrsüberwachung an Knotenpunkten, zur Kriminalitätsprävention an Brennpunkten, zur Sicherheit in der ÖPNV-Infrastruktur und an ausgewählten Plätzen.
Die Auswertung verweist auf erhebliche Unterschiede in den Städten: Verkehrs- und ÖPNV-Hotspots sind stark bestückt, reine Flächenüberwachung sei selten.
Allein in Hamburg werden laut Weber Protect mehr als 2.000 Kameras eingesetzt, die ausschließlich der Überwachung des Verkehrs dienen.
Auch im privaten Bereich nehme die Nutzung weiter zu – begünstigt durch günstigere, vernetzte Systeme und ein gestiegenes Sicherheitsbedürfnis.

Dubai und London Spitzenreiter bei der Überwachung

Deutsche Städte weisen im internationalen Vergleich noch eine vergleichsweise geringe Kamera­dichte auf. So kommen Hamburg und München jeweils auf sieben, Stuttgart auf fünf und Berlin auf vier Überwachungskameras pro 1.000 Einwohner, wie eine Auswertung von heyData zeigt.
Das ist deutlich weniger als in Metropolen wie London oder Dubai, wo statt pro Kopf die Dichte pro Fläche gemessen wird und ein ganz anderes Bild entsteht. Betrachtet man jedoch die Anzahl der Kameras pro Quadratkilometer, liegen deutsche Großstädte wie Berlin und München bei rund 32 Kameras je Quadratkilometer.
In Paris sind es etwa 318 Kameras, in London gar rund 600 Kameras. Absoluter Spitzenreiter im Hinblick auf die Überwachung pro Quadratkilometer ist Dubai. Dort sind über 8.500 Kameras pro Quadratkilometer installiert. Da kann selbst die chinesische Hauptstadt Peking nicht mithalten. Dort überwachen laut dem Städtevergleich rund 800.000 Kameras den öffentlichen Raum. Das entspricht 37 Kameras pro tausend Einwohner oder 49 Kameras je Quadratkilometer – und damit weit weniger als in London.

Permanente oder ereignisgesteuerte Überwachung

In Deutschland kommen sowohl permanente als auch ereignisgesteuerte Videoüberwachungssysteme zum Einsatz – je nach Sicherheitsbedarf, rechtlicher Grundlage und technischer Ausstattung.
Permanente Videoüberwachung kommt überall dort zum Einsatz, wo ein kontinuierliches Risiko besteht und eine lückenlose Dokumentation erforderlich ist. Dazu zählen etwa Bahnhöfe wie in Berlin oder Köln, wo Kameras rund um die Uhr alles aufzeichnen, um Straftaten vorzubeugen und Beweise zu sichern.
Auch Flughäfen wie Frankfurt und München nutzen durchgehende Überwachung zur Kontrolle von Gepäckbereichen und Sicherheitszonen. In Banken und Spielhallen ist die Videoüberwachung gesetzlich vorgeschrieben, insbesondere in Kassenbereichen und Eingängen.
Innenstädte mit bekannten Brennpunkten – etwa Mannheim – setzen ebenfalls auf dauerhafte Überwachung, um Drogenhandel und Gewalt einzudämmen.
Demgegenüber steht die ereignisgesteuerte Videoüberwachung, die nur bei bestimmten Auslösern wie Bewegung oder Geräuschen aktiviert wird. Diese Methode wird bevorzugt in datenschutzsensiblen Bereichen eingesetzt. Das sind unter anderem Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen, wo eine permanente Überwachung nicht verhältnismäßig wäre.
Ein Beispiel ist der geplante Einsatz am Busbahnhof Tübingen, wo KI-gestützte Systeme nur bei relevanten Ereignissen aufzeichnen. Auch auf Privatgrundstücken oder bei Gewerbeobjekten kommen häufig Kameras mit Bewegungssensoren zum Einsatz, um Einbrüche zu verhindern.
Diese filmen auch nicht ständig. Die Orientierungshilfe des Landesdatenschutzbeauftragten Rheinland-Pfalz empfiehlt ausdrücklich solche datensparenden Systeme, um den Datenschutzanforderungen gerecht zu werden.

Ein Gefühl permanenter Überwachung

Die öffentliche Videoüberwachung ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Befürworter betonen ein größeres Sicherheitsgefühl und schnellere Strafverfolgung. Bemängelt werden hingegen Eingriffe in Grundrechte und die Privatsphäre.
Ein zentraler Kritikpunkt ist das Gefühl, permanent beobachtet zu werden. Menschen können sich auf Straßen, Plätzen oder in Verkehrsmitteln kaum noch unbeobachtet bewegen. Datenschützer warnen: Menschen verhalten sich vorsichtiger, vermeiden bestimmte Orte oder Aktivitäten und verlieren ein Stück ihrer Freiheit.
Wenn Überwachung zur Normalität wird, könnte zudem auch die Bereitschaft, Zivilcourage zu zeigen und jemandem in Not zu helfen, sinken. So werde durch die Überwachung signalisiert, dass offizielle Stellen die Lage „schon im Blick haben werden“.