Die spanische Umweltministerin hat am Dienstag eine Untersuchung des Blackouts vom 28. April vorgestellt. Schuld sein sollen konventionelle Kraftwerke, nicht die Erneuerbaren – in dem dazugehörigen Bericht steht jedoch teilweise etwas völlig anderes.
Die spanische Regierung hat die Ermittlungen zu den Ursachen des Blackouts am 28. April abgeschlossen. Entgegen vorheriger Andeutungen zahlreicher Experten führt die Regierung den in manchen Regionen bis zu zwölf Stunden andauernden Stromausfall jedoch nicht konkret auf eine Überlastung der Netze durch eine zu hohe Stromproduktion erneuerbarer Energien zurück – und nahm stattdessen den teilstaatlichen Netzbetreiber Red Eléctrica in die Verantwortung.
Demnach gebe es zwei Gründe für die hohe Netzspannung, die zu dem Blackout führte, teilte die spanische Umweltministerin, Sara Aagesen, am Dienstag mit. Einerseits habe Red Eléctrica nur „unzureichende Kapazitäten zur Kontrolle von Frequenzschwankungen“ am 28. April vorgesehen. Konventionelle Kraftwerke haben eine netzsynchronisierte Schwungmasse und können somit in Windeseile auf Frequenzveränderungen reagieren und so Überspannungen abfedern.
Das können Solar- und Windkraftwerke in der Regel nicht. Andererseits machte die Umweltministerin die konventionellen Kraftwerke mitverantwortlich für den Blackout, denn deren Betreiber hätten sich „unsachgemäß verhalten“. Demnach hätten die Kraftwerke nicht wie vorgesehen auf die Überspannung reagiert, einige seien sogar vom Netz gegangen, obwohl das so nicht vorgesehen war.
Offenbar hatte Red Eléctrica wie üblich am Tag zuvor zehn Wärmekraftwerke ausgewählt, die zur Unterstützung der Frequenzüberwachung aktiv sein sollten. Ein Werkbetreiber teilte am Abend des 27. April jedoch mit, ein Werk am nächsten Morgen nicht hochzufahren, schrieb der Bloomberg-Experte Javier Blas auf X. Bis dahin ein normaler Vorgang, das wegfallende Werk wird in der Regel durch ein anderes ersetzt. Doch Red Eléctrica entschied sich, mit neun Kraftwerken am 28. April zu operieren.
Um 12:33 Uhr kam es dann innerhalb weniger Sekunden zum kompletten Einsturz des spanischen Stromnetzes, auch Portugal und Teile Südfrankreichs waren betroffen. Zunächst stand auch die Vermutung im Raum, dass der übermäßig produzierte Sonnenstrom – zu diesem Zeitpunkt lieferten die Photovoltaikanlagen mehr, als in Spanien benötigt wurde – wegen einer Störung an der Grenze zu Frankreich nicht ins Ausland geliefert werden konnte und so die Netzspannung stieg (mehr dazu hier).
Die Untersuchungen zeigen jetzt, dass das Problem durch die fehlende Schwungmasse bereits in Spanien auftrat. Bislang wurde jedoch nicht erklärt, warum es überhaupt zu starken Frequenzschwankungen kam. Red Eléctrica hatte kurz nach dem Blackout angedeutet, dass auch erneuerbare Energien eine Rolle bei der erhöhten Netzspannung spielen könnten (mehr dazu hier).
Das wird auch in dem 182-seitigen Bericht, in dem die Untersuchungen der spanischen Regierung dokumentiert sind und der am Dienstagabend veröffentlicht wurde, angedeutet. Wenngleich die Regierung in der Öffentlichkeit weiterhin die erneuerbaren Energiequellen als Problembringer ablehnt, geht aus dem Bericht eine etwas andere und durchaus differenziertere Sprache hervor.
Javier Blas teilte einige brisante Passagen aus dem – an vielen Stellen geschwärzten – Dokument. Auf Seite 96 und 97 steht beispielsweise zusammenfassend geschrieben: Das System befand sich in einer Situation, in der jede Abschaltung von erneuerbaren Energiequellen einen Spannungsanstieg bedeutete – weil Solar- und Windkraftanlagen die Frequenz nicht ausgleichen können und es bei den konventionellen Kraftwerken wie beschrieben offenbar zu Problemen kam.
„Jede dieser Abschaltungen, unabhängig von ihrer Art, bringt das System einem Punkt näher, an dem es ohne Systeme oder Werkzeuge zur Aufnahme ausreichender Blindleistung durch die Auslösung einer Kettenreaktion einen ‚Point of no Return‘ erreicht“ – mit anderen Worten: Ohne konventionelle Kraftwerke gibt es keine Sicherheit im System.