9. September 2025

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Neue US-Wunderwaffen

 

Neue US-Regierung, neue Wunderwaffen für die Ukraine

Brian Berletic

Die USA haben Pläne für die Lieferung von 3.350 luftgestützten ERAM-Raketen (Extended Range Attack Munition) an die Ukraine bekannt gegeben. Dies ist eine weitere Eskalation in einem Krieg, den die derzeitige Trump-Administration im US-Präsidentschaftswahlkampf 2024 versprochen hatte, innerhalb von „24 Stunden“ zu beenden.

Ein weiteres Beispiel für die Kontinuität der US-Außenpolitik ist das ERAM-Programm, das unter der vorherigen Biden-Regierung begann und unter dem derzeitigen US-Präsidenten Donald Trump ohne Unterbrechung fortgesetzt wurde.

Die ERAM (nicht zu verwechseln mit der Luftabwehrrakete RIM-174 Standard Extended Range Active Missile, auch ERAM oder SM-6 genannt) ist im Wesentlichen eine turbinengetriebene Gleitbombe. Ein wahrscheinlicher Kandidat für das Rüstungsprogramm ist die Boeing PJAM – „powered joint direct attack munition“. Die ERAM ähnelt den Gleitbomben, die die USA bereits in großen Mengen an die Ukraine geliefert haben, hat aber eine größere Reichweite, die laut The War Zone (TWZ) zwischen 240 und 450 Kilometern liegen soll.

Mit dieser motorisierten Gleitbombe könnte man weit hinter den russischen Linien zuschlagen – weiter als mit bisherigen westlichen Waffen wie HIMARS, ATACMS, luftgestützten Marschflugkörpern und Standard-Gleitbomben, auf denen die ERAM wahrscheinlich basiert. Doch die ERAM ist keine „Wunderwaffe“, die den Verlauf des Konflikts verändert; sie ist eine verspätete und wahrscheinlich unzureichende Antwort auf eine strategische Realität, die Russland und seine Verbündeten bereits geschaffen haben.

Hype versus Realität

Die Berichterstattung über die Lieferung von ERAM war zweideutig: Während die von den USA unterstützten ukrainischen Streitkräfte auf dem Schlachtfeld immer weniger Erfolg hatten und der Westen aufgrund seiner schwachen industriellen Basis unter Waffenmangel litt, hieß es in den Schlagzeilen, 3.350 Raketen seien auf dem Weg. Tatsächlich hat die Produktion erst begonnen. Die ersten 1.000 Raketen sollen in zwei Jahren eintreffen, der Rest verteilt über bis zu drei Jahre oder länger.

Selbst wenn sofort 3.350 Raketen verfügbar wären, bleibt ein entscheidender Engpass: Es handelt sich um luftgestützte Munition – die Ukraine braucht Kampfflugzeuge und Piloten, um sie einzusetzen. Schon bei anderen Systemen wie Storm Shadow, SCALP, JDAM oder der französischen AASM Hammer zeigte sich, dass die eingeschränkten ukrainischen Luftstreitkräfte deren Potenzial nicht ausschöpfen konnten.

Russlands Luftabwehr verschärft diese Probleme zusätzlich. Sie bekämpft nicht nur ukrainische Flugzeuge und deren Munition, sondern versucht auch, die Infrastruktur der ukrainischen Luftwaffe am Boden zu zerstören. Zwar bietet die größere Reichweite der ERAM etwas mehr Sicherheit bei Einsätzen, doch die geringe Anzahl von Raketen und einsatzfähigen Flugzeugen bedeutet, dass in den ersten Jahren nur ein sehr begrenzter Einsatz möglich wäre – vielleicht eine Rakete pro Tag oder ein größerer Schlag pro Woche.

Um Russlands Luftabwehr tatsächlich zu überwinden, wären massive Salven nötig – weit mehr, als realistisch verfügbar sein werden. Verglichen mit dem Tempo russischer Luft-, Raketen- und Drohnenangriffe wird der Einsatz von ERAMs keinen spürbaren Unterschied machen.

Eine Zermürbungsschlacht, die Russland gewinnt

Bereits bis Ende 2023 setzte Russland laut Reuters 7.400 Raketen und 3.700 Geran-2-Drohnen ein. Seitdem hat Moskau Produktion und Einsatz deutlich gesteigert. Nach ABC News feuerte Russland im Jahr 2025 allein in einem Monat 6.400 Raketen und Drohnen auf die Ukraine.

Ukrainische Geheimdienstberichte nennen jährliche Produktionsmengen von 2.100 bis 2.580 Raketen verschiedener Typen – Tendenz steigend. Während anfangs große Bestände genutzt wurden, erreicht Russlands Industrie nun ein Niveau, das solche Offensiven nachhaltig ermöglicht.

Das ERAM-Programm ist somit eher ein Eingeständnis der Schwächen der US-Rüstungsindustrie. Es soll die Defizite gegenüber der massiven und wachsenden russischen Produktion ausgleichen.

Die Realität der Zermürfung

Nach dem Kalten Krieg strebten die USA die Rolle der einzigen Supermacht an. Pentagon-Dokumente aus den frühen 1990er-Jahren zielten explizit darauf ab, die amerikanische Vormachtstellung mit militärischer Macht und wirtschaftlichem Einfluss zu sichern. Jahrzehnte von Interventionen und Angriffskriegen gegen schwächere Staaten schufen den Mythos einer unangefochtenen US-Überlegenheit.

Doch der Ukraine-Krieg zeigt: Hochtechnologische, teure US-Waffen sind gegen einen gleichwertigen Gegner unzureichend – vor allem, wenn sie in geringen Stückzahlen produziert werden. Der Glaubenssatz „Qualität vor Quantität“ ist gescheitert. Russland hat die Übermacht an Feuerkraft, von Artillerie über Raketen bis Drohnen und Gleitbomben.

Russische präzisionsgelenkte Waffen erweisen sich nicht nur als ebenso wirksam, sondern auch als billiger und zahlreicher. Der Unterschied liegt im Modell: Während der Westen seine Rüstungsindustrie profitorientiert organisiert, basiert die russische Industrie auf staatlichen Unternehmen mit Zweckorientierung. Russland produziert, was gebraucht wird, unabhängig von Gewinn.

Hinzu kommt eine breitere gesellschaftliche Basis: Russland bringt jährlich ähnlich viele MINT-Absolventen hervor wie die USA, bei deutlich kleinerer Bevölkerung. Mit Partnern wie China und Indien hat Moskau Zugang zu noch größeren Pools an Fachkräften und industriellen Kapazitäten

Fazit

Das ERAM-Programm versucht, den westlichen Ansatz zu korrigieren. Doch es bleibt ein Flickwerk gegenüber Russlands wachsenden Produktionskapazitäten. ERAM ist keine Wunderwaffe, sondern ein verspätetes Symbol für Amerikas strukturelle Schwäche im Zermürbungskrieg.

Die multipolare Welt wird nicht durch westliche „Technologie-Sprünge“ entschieden, sondern durch widerstandsfähige, zweckorientierte Industrie- und Gesellschaftsstrukturen. Russland und seine Partner haben diesen Weg längst eingeschlagen.

Während Washington weiterhin Informationskriege und politische Einflussnahme betreibt, nimmt seine Fähigkeit, diese mit echter militärischer Macht zu untermauern, zunehmend ab.

Die ERAM ist nicht der Wendepunkt. Sie ist das Eingeständnis, dass die alte Erzählung von der westlichen Überlegenheit längst in Trümmern liegt.