11. Juli 2025

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Katalanische Polizei geht gezielt gegen Nutzer von Pixel-Smartphones vor

 

Auf den Geräten lassen sich alternative Betriebssysteme mit Fokus auf Datenschutz wie GrapheneOS installieren. Das reicht für einen Pauschalverdacht

Die Pixel-Smartphones von Google haben unbestritten zahlreiche Vorteile: Updates über sieben Jahre, nahezu unverändertes Stock-Android ohne Bloatware und eine solide Kamera. Die Smartphone-Reihe hat aber noch einen anderen Vorteil: Auf den Geräten lassen sich alternative Betriebssysteme relativ unkompliziert installieren.

Das machen sich auch Drogendealer zunutze, weshalb die katalanische Polizei einen Generalverdacht gegenüber den Nutzerinnen und Nutzern der Smartphones hegt und dabei auch noch unfreiwillig Werbung für ein alternatives Betriebssystem macht. „Jedes Mal, wenn wir ein Pixel sehen, denken wir, es könnte ein Drogendealer sein“, wird der Leiter der Anti-Drogen-Einheit der Mossos d’Esquadra, der katalanischen Polizei, im spanischen Fachmagazin xatakandroid.com zitiert.

„Geister-Betriebssystem“

Kriminelle Banden installieren auf den Smartphones laut der Polizei „Geister-Betriebssysteme“, die der Polizei die Ermittlungen besonders schwer machen. Der Streisand-Effekt lässt grüßen, denn gemeint ist GrapheneOS, ein Open-Source-Betriebssystem für Android-Smartphones, das besonders auf Privatsphäre und Sicherheit ausgelegt ist. Das Betriebssystem verzichtet auf die Dienste von Google und bietet eigene Sicherheitsfeatures. Es gilt als der Goldstandard unter den Custom-Roms.

So lassen sich Kamera, Mikrofon und GPS dauerhaft deaktivieren, eine von Kriminellen natürlich auch gerne genutzte Möglichkeit. Laut Angaben der Polizei verwendet das organisierte Verbrechen nur in den seltensten Fällen biometrische Anmeldemethoden wie Fingerabdruck- oder Gesichtserkennung. Das macht es Ermittlern unmöglich, eine Entsperrung des Geräts mit Gewalt zu erzwingen. Stattdessen wird nur eine PIN zur Anmeldung verwendet. Der Vorteil von GrapheneOS aus Sicht der Unterwelt: Gibt man die PIN mehrfach falsch ein, werden sämtliche Daten auf dem Smartphone gelöscht. Das macht im Fall einer Festnahme natürlich durchaus Sinn. Man kann sich schließlich bei der Eingabe des PIN-Codes mehrfach „vertippen“.

Auf Wunsch kann man auch eine Notlöschung der Daten mit einem eigenen PIN-Code auslösen. Auch wenn die Ermittler dem Verdächtigen unbemerkt bei der PIN-Eingabe zuschauen, heißt das noch nicht, dass sie anschließend das Handy entsperren können: Die Zahlen der PIN-Eingabe werden jedes Mal neu angeordnet, da muss man schon sehr genau hinsehen.

Abhörmaßnahmen wirkungslos

Besonders vorsichtige Naturen aus den kriminellen Milieus der nordöstlichen spanischen Provinz lassen darüber hinaus in Fachgeschäften Komponenten wie Mikrofon und Kamera ausbauen. Das alles führt dazu, dass „herkömmliche Abhörmaßnahmen“ bei den Ermittlungen gegen die Banden nicht mehr sinnvoll sind, beklagt die örtliche Polizei. Das wiederum führe zu einem technologischen Wettrüsten zwischen Kriminellen und der Polizei.

Die Entwickler von GrapheneOS wehren sich gegen die Darstellung der katalanischen Polizei, es handle sich um ein Betriebssystem für Kriminelle. „GrapheneOS ist gegen den Massenüberwachungspolizeistaat, den diese Leute allen aufzwingen wollen“, hieß es auf dem offiziellen Kanal auf X. Am Montag legten die Entwickler nach: Man vermutet eine staatlich geförderte Kampagne hinter den Vorwürfen der Polizei. Und: „Diese schlecht recherchierten, voreingenommenen und ungenauen Nachrichten haben zu weiteren Belästigungen unserer Gemeinschaft und unseres Teams geführt.“

Staatliche Malware funktioniert nicht wie geplant

Die katalanische Polizei hat im Wettrüsten ihrerseits aufgerüstet und setzt nun ebenfalls staatliche Malware ein, in Österreich neuerdings unter „Messenger-Überwachung“ bekannt. Aber auch diese stößt bei GrapheneOS an ihre Grenzen. Unter dem Betriebssystem werden die Geräte automatisch alle 18 Stunden rebootet, womit auch die Behörden draußen bleiben.

Das liegt daran, dass aktuelle Smartphone-Systeme gut gegen die Manipulation der vorinstallierten Software geschützt sind. Die Betriebssysteme prüfen bei jedem Start die Integrität der Software, da zu tricksen ist gar nicht so einfach. Also nistet sich kommerzielle Spyware erst gar nicht fix im System ein – sie würde ohnehin auffliegen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wird das Gerät ausgeschaltet, wird häufig auch die Spionagesoftware gelöscht.

Wie soll man sich nun als Tourist verhalten? In manchen Berichten wird die Anschaffung eines günstigen Zweitgeräts empfohlen. Da die katalanische Polizei aber laut eigenen Angaben ohnehin jeden Pixel-User für einen Dealer hält, ist es wahrscheinlich günstiger, selbst gleich GrapheneOS zu installieren. Auch wenn man mit dem organisierten Verbrechen nichts zu tun hat. (pez, 8.7.2025)

 

 

https://www.derstandard.de/story/3000000278495/katalanische-polizei-geht-gezielt-gegen-nutzer-von-pixel-smartphones-vor