Im Frankfurter Bahnhofsviertel ist nun mit 50 Kameraobjektiven eine biometrische
Gesichtserkennung möglich / Von Oliver Teutsch
Hessen schwingt sich zum bundesweiten Vorreiter in Sachen KI-gestützter Videoüberwachung auf. Mithilfe der Künstlichen Intelligenz können die 50 Kameraobjektive im Frankfurter Bahnhofsviertel nun eine biometrische Gesichtserkennung vornehmen. Helfen soll die technische Neuerung bei der Suche von Vermissten oder zur Terrorabwehr. Innenminister Roman Poseck (CDU) ließ sich das Projekt am Donnerstag in der Befehlsstelle des Frankfurter Polizeipräsidiums zeigen und sprach von „Neuland“, das die hessische Polizei betrete.
Möglich wird die technische Neuerung durch eine Änderung des Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (HSOG). In Artikel 14 wird die KI-Gesichtserkennung zur gezielten Suche nach Personen erlaubt und geregelt, wenn diese Opfer von Entführung, Menschenhandel oder sexueller Ausbeutung oder aber vermisst seien. Polizeipräsident Stefan Müller führte als Beispiel junge Frauen an, die aus Hilfseinrichtungen verschwinden „und im Bahnhofsviertel stranden.“ Genutzt werde die KI aber auch bei der Suche nach Terrorverdächtigen, sagte Bodo Koch vom hessischen Polizeipräsidium für Technik.
Einen Einsatz lehnte das Amtsgericht ab
Der „Probewirkbetrieb“ laufe bereits seit dem 10. Juli. In diesen sechs Wochen habe es bislang acht „Sachverhalte“ gegeben, bei dem die KI zum Einsatz kam oder kommen sollte. Denn in einem Fall habe das Amtsgericht den Einsatz der KI abgelehnt, da es keine unmittelbare Gefährdung erkannte. Die Zustimmung eines Richters ist in jedem Fall erforderlich, bevor die KI-gestützte Gesichtserkennung nach einzelnen Personen erfolgen darf.
Innenminister Poseck sind die großen Vorbehalte gegen die technische Neuerung bekannt: „Gesichtserkennung ist zugegebenermaßen ein recht sensibler Bereich.“ Poseck beeilte sich auch zu sagen, dass die KI-Software nichts mit Hessen-Data zu tun habe. Die Software zur Kriminalitätsbekämpfung ist besonders umstritten, da der US-Hersteller Palantir Zugriff auf die erfassten Daten hat.

Grundlage für die biometrische Gesichtserkennung sei die Software eines deutschen Herstellers, für die das Land Hessen rund 700 000 Euro bezahlt habe. Die Software muss auf die Kameras aufgespielt werden. Aus Kapazitätsgründen sei das bislang noch nicht bei allen Kameras möglich. Laut Innenminister Poseck ist aber eine „sukzessive Ausflächung“ auf andere Standorte geplant.
KI findet Frau auf Bahnhofsvorplatz
Die Frankfurter Polizei hat sich bislang auf die Kameras im Bahnhofsviertel konzentriert. Die festinstallierten Kameras dort mit insgesamt 50 Objektiven seien zur KI-Gesichtserkennung aufgerüstet. Bei der Vorführung am Donnerstag ließ die Polizei probehalber eine eingeweihte junge Frau suchen und finden, die an einer Ampel auf dem Bahnhofsvorplatz steht. Die biometrische Gesichtserkennung zeigte einen Treffer, obwohl die Frau eine andere Frisur trug als auf der Fotovorlage.
Innenminister Poseck ließ auch nicht unerwähnt, dass die Grünen im Landtag mit dem Tempo, das Hessen bei der KI-Suche vorlegt, nicht ganz einverstanden sind. In einem Normenkontrollantrag beim Staatsgerichtshof lässt die Fraktion die Änderungen des HSOG prüfen. Dabei wird der Einsatz von KI zur biometrischen Gesichtserkennung besonders kritisch gesehen, da dieser „ohne erkennbare verfassungsrechtliche Absicherung“ erfolge. Poseck zeigte Verständnis für die Klage, sagte aber auch: „Wir können und wollen nicht warten, bis alles geklärt ist.“
Weitere Software soll Waffen finden
Vielmehr forciert das hessische Polizeipräsidium für Technik schon eine Ausweitung der KI-gestützten Suche. So soll im nächsten Schritt eine Software gekauft werden, die auch Schusswaffen und Messer findet, sollte damit jemand im Bahnhofsviertel unterwegs sein. Eine solche Software gebe es, derzeit laufe die Sondierung des Marktes, hieß es.
Mit Genugtuung wies Innenminister Poseck darauf hin, dass andere Bundesländer das Vorgehen in Hessen mit Interesse verfolgten. In Niedersachsen werde derzeit schon geprüft, inwieweit die Änderung eines Landesgesetzes den Einsatz von KI zur Gesichtserkennung zulasse.

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