Automatisierte Gesichtserkennung: In Hessen beginnt die totale Überwachung
Im vielfältigen Frankfurt am Main kommt jetzt automatisierte Live-Gesichtserkennung zum Einsatz: Das könnte bundesweit Schule machen, denn der florierenden Kriminalität wird man im bunten Deutschland vielerorts nicht mehr Herr. Statt sich gegen die Verursacher zu richten, werden so alle Bürger Opfer von Überwachungsmaßnahmen.
Der folgende Artikel erschien zuerst bei Multipolar:
Frankfurt am Main.(multipolar) In Deutschland wird seit Juli erstmals automatisierte Gesichtserkennung in Echtzeit eingesetzt. Das geht aus einem Bericht des Portals „Netzpolitik“ hervor. Betroffen ist das Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main. Dort werde der öffentliche Raum von 50 Kameras überwacht, die „fortan auch zur Gesichtserkennung“ genutzt werden. Um Bilder gesuchter Personen in das System einzuspeisen, brauche es einen Beschluss des zuständigen Amtsgerichts. Dies sei beispielsweise bei „Gefahrenverursachern einer terroristischen Straftat“ möglich, folglich seien nicht nur „tatsächliche“ Terroristen oder Tatverdächtige betroffen, „sondern auch Menschen, bei denen die Polizei davon ausgeht, dass sie einen Anschlag begehen könnten“. Beim hessischen Vorstoß handelt es sich um ein „Pilotprojekt“. In einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen (FAZ) heißt es jedoch, „sollte sich die Technik im Frankfurter Bahnhofsviertel bewähren, könnte sie schon bald auch in anderen Gebieten Hessens eingesetzt werden.“
In einer Pressemitteilung Ende August rechtfertigte das hessische Innenministerium „den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Auswertung von Videoschutzanlagen“. Innenminister Roman Poseck (CDU) sagte anlässlich der Vorstellung „nur in einer sicheren Gesellschaft können die Menschen frei leben“. Er betonte: „Wer unsere Sicherheit bedroht, darf sich nicht im Schutz der Anonymität im öffentlichen Raum bewegen.“ Zusätzlich ist in der Pressemitteilung des hessischen Innenministeriums von der „gezielten Suche nach Vermissten und Opfern von Entführungen, Menschenhandel oder sexueller Ausbeutung“ die Rede. Poseck sagte, es sei wahrscheinlich dass sich „in der Umgebung des Frankfurter Verkehrsknotenpunktes“ „vermisste Kinder und Jugendliche“ aufhielten, die „durch die KI-Video-Analyse erkannt werden“ könnten. Die Technik ermögliche somit sowohl „eine effizientere Fahndung“ als auch „Gefahrenabwehr“ und erhöhe „die Reaktionsgeschwindigkeit der Polizei“.
Kritik kommt von der Opposition. Laut einem Bericht der „Hessenschau“ klagt die Grünen-Fraktion im Landtag vor dem Staatsgerichtshof in Wiesbaden gegen das Sicherheitspaket in Hessen, das auch die KI-gestützte Videoüberwachung umfasst. Es wurde von der Koalition aus CDU und SPD Ende 2024 verabschiedet. Aus Sicht der FDP sei die Maßnahme laut dem Bericht der „Hessenschau“ übereilt eingeführt worden und greife erheblich in die Grundrechte der Bürger ein. Innenminister Poseck sagte hingegen, das Projekt sei „Ergebnis sorgfältiger Abwägungen und Abstimmungen auch mit dem Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.“ Im hessischen Polizeigesetz sei „klar geregelt, wann Künstliche Intelligenz mit welcher Stufe von Eingriffsintensität eingesetzt werden kann“.
Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, der Rechtsprofessor Alexander Roßnagel, sagte auf Multipolar-Anfrage, er habe gegenüber der hessischen Polizei „im Rahmen einer vorherigen Konsultation“, wie sie das Hessische Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz vorsieht, zu dem „zeitlich und örtlich begrenzten Pilotprojekt“ Stellung genommen. „Im Ergebnis“ habe es „keine durchgreifenden datenschutzrechtlichen Bedenken“ gegeben. Er gehe davon aus, dass seine Anmerkungen „insbesondere im Hinblick auf technische und organisatorische Fragestellungen“ berücksichtigt werden.
Einschränkend fügt er hinzu, dass solche „Konsultationsverfahren“ jedoch „weder einer vollumfänglichen Dokumentenprüfung noch einer umfassenden Beratung“ dienten: „Vielmehr soll die Datenschutzaufsichtsbehörde dem Verantwortlichen innerhalb einer kurzen Frist (schriftliche) Empfehlungen zur Ergreifung von weiteren Maßnahmen unterbreiten können“. Roßnagel betont zudem, dass „jede konkrete Maßnahme zur biometrischen Echtzeit-Fernidentifizierung einer richterlichen Anordnung“ bedürfe. Somit falle eine „Bewertung der jeweiligen konkreten Maßnahmen“ nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, sondern in den des Gerichts. Die Rechtsgrundlage für die biometrische Echtzeitidentifizierung habe der hessische Landtag „in Form eines Änderungsantrags zu einem bereits eingebrachten Gesetzentwurf geschaffen“. Daher sei es Roßnagel „nicht möglich“ gewesen, „dazu eine Stellungnahme im Rahmen einer öffentlichen Anhörung abzugeben“.
Ferner macht er geltend, dass er sich bereits in seinem Tätigkeitsbericht 2024 dazu „kritisch geäußert“ habe. Die hessische Regelung weise demnach „teilweise Mängel im Hinblick auf Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit“ auf. Es sei „fraglich“, ob in der Rechtsgrundlage die „notwendigen und verhältnismäßigen Schutzvorkehrungen und Bedingungen für die Verwendung biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierungssysteme in ausreichendem Maße aufgegriffen werden“. Derartige Voraussetzungen und Schutzvorkehrungen sieht die KI-Verordnung der Europäischen Union vor. Allerdings, so erläutert Roßnagel weiter, könne „nur ein Verfassungsgericht“ eine „verbindliche Entscheidung“ darüber fällen, „ob die aktuelle Rechtsgrundlage ausreichend und verfassungskonform“ sei.
Die Datenschutzkonferenz (DSK) – ein „Zusammenschluss der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder“ – stellte bereits 2017 in einer Entschließung fest: „Der Einsatz von Videokameras mit biometrischer Gesichtserkennung kann die Freiheit, sich in der Öffentlichkeit anonym zu bewegen, gänzlich zerstören“. Auch in der Pressemitteilung zu einer weiteren Entschließung im September 2024 mahnte die DSK zur „Vorsicht bei dem Einsatz von Gesichtserkennungssystemen durch Sicherheitsbehörden“. Der Journalist Norbert Häring konstatierte im August in einer aktuellen Zusammenstellung verschiedener Fälle aus den USA und Europa eine zunehmende Normalisierung von „Kameras zur Echtzeit-Gesichtserkennung und -Verhaltenskontrolle“ und kritisierte die „Totalüberwachung des öffentlichen Raums“. Großbritannien sei bereits das Land mit der zweithöchsten Dichte von Überwachungskameras hinter China, auch Kontinentaleuropa sei vor solchen Entwicklungen „nicht gefeit“.
Dieser Artikel ist eine Übernahme von Multipolar. Titel und Einleitung wurden durch Report24 ergänzt.
.
Automatisierte Gesichtserkennung: In Hessen beginnt die totale Überwachung
.
.